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Polizeiforscher über rechte Polizisten„Es fehlt eine Fehlerkultur“

Der Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke spricht über das Mindset von deutschen Polizeibeamten. Er fordert mehr politische Bildung in der Polizei.

Konservativer als der Durchschnitt: Vereidigung von KommissaranwärterInnen in NRW Foto: Christoph Hardt/imago
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Herr Jaschke, immer wieder gibt es Berichte über rechte Polizisten – wie groß ist das Problem?

Hans-Gerd Jaschke: Das Problem ist, dass wir in Deutschland einerseits ohnehin eine rechte Stimmung beobachten, von der natürlich auch Polizeibeamte erfasst sind. Die Dienstherren haben in den vergangenen Jahren darauf nicht ausreichend mit angemessenen Maßnahmen reagiert.

Nimmt das Problem zu? Immerhin steht nun auch ein Beamter unter Terrorverdacht

Eine neue Qualität liegt darin, dass es einzelne Versuche von Organisationen wie Uniter und Nordkreuz gibt, die Polizei zu infiltrieren. Es handelt sich dabei vermutlich um eine Minderheit – aber bis vor kurzem kannten wir keine Gewalt durch politisch militante Polizeibeamte.

Bild: privat
Im Interview: Hans-Gerd Jaschke

Hans-Gerd Jaschke, 67 Jahre alt, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Von 2002 bis 2007 leitete er den Fachbereich Rechts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule der Polizei in Münster.

Sind Polizist*innen tendenziell anfälliger für rechte Einstellungen?

Man muss davon ausgehen, dass Polizeibeamte in Deutschland insgesamt konservativer denken als der Durchschnitt. Themen wie innere Sicherheit stehen im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, von daher sind sie in ihrer Gesamtheit sehr wohl anfälliger gegenüber autoritären Vorstellungen und Law-and-Order-Mentalitäten.

Sie haben an der hessischen Polizeistudie 2020 mitgewirkt. Darin bezeichnen 91 Prozent Offenheit und Toleranz als gesellschaftliche Grundpfeiler. Andererseits sehen rund 28 Prozent die „Gefahr, dass Deutschland ein islamisches Land wird“. Sind die Ergebnisse beruhigend oder beunruhigend?

Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, es stehen noch qualitative Teile an. Deswegen kann man das heute noch nicht bewerten. Die Furcht vor einer angeblichen Islamisierung wird von weiten Teilen der Bevölkerung geteilt. Ich teile sie nicht, aber darum geht es nicht – die Haltung von hessischen Polizeibeamten ist in dieser Frage sicher ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Wie muss die Polizei damit umgehen?

Wir brauchen mehr politische Bildung in der Polizei, mehr Fortbildungen und eine intensivere Vorbereitung und Aufarbeitung von Einsätzen. Es gibt in der Polizei immer noch keine angemessene Fehlerkultur. Und: Immer wieder beklagen Migranten, sie würden in bestimmten Dienststellen zu hart angefasst oder dass es dort zu Rechtsverstößen kommt. Diese Beschwerden müssen sehr ernst genommen und die betroffenen Dienststellen genauer unter die Lupe genommen werden. Und im Zweifel müssen Beamte auf dem Wege einer Rotation ausgetauscht werden.

Was ist mit Beamten, die in der AfD sind?

Die AfD ist keine verbotene Partei. Insofern gilt für in der Partei aktive Beamte wie für alle anderen das Mäßigungsgebot. Die unmittelbaren Vorgesetzten müssen aber darauf achten, ob diese Beamten angemessen mit dem Thema Migration umgehen können. Die AfD vertritt hier sehr stark autoritäre, ausgrenzende und auch rassistische Positionen. Es muss klar sein, dass so etwas in der Polizei nicht geduldet wird und dass Beamte ohne Wenn und Aber auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen müssen. Wenn das nicht der Fall ist, muss der Dienstherr dagegen disziplinar- oder beamtenrechtlich vorgehen.

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8 Kommentare

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  • "Er fordert mehr politische Bildung in der Polizei."

    Ja, man könnte zB. jedem Beamten ein Exemplar unseres Grundgesetzes schenken ... diese Lektüre wäre auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. :-(

    • @Franz Georg:

      Tja die vielgelobte Polizeipräsidentin hat die Strukturreform der PolizeiAusbildung durchgepeitscht, dabei politische Bildung deutlich reduziert. Sollte praxisorientierter werden ( sprich billiger). Sie ist nicht konservativ, sondern SPD/Grüne nah.

  • Also ich finde dieses Interview ziemlich nichtssagend.

    Beide Interviewpartner bleiben im Allgemeinen. Die spannende neue Information oder Sichtweise konnte ich nicht entdecken.

  • Same like yesterday: das Jammern jetzt und das Kopfschütteln über konservative/ rechte Einstellungen bei der Polizei ist das Ergebnis davon , dass eben junge Menschen aus dem linken Spektrum nicht zur Polizei gingen und gehen.

    • @Frieda_Eierkuchen:

      Es ist ein Inhärentes Problem.



      Die Strukturen der Polizei (oder Militär) sind ja recht hierarchisch, man hat nicht zu denken, sonder zu gehorchen (sehr vereinfacht dargestellt).



      Linke sind nun eher Freidenker, die verbessern und weiter-entwiklen oder schlicht "ihr eigenes Leben leben" wollen ... während rechte und konservative mehr vorgegebene "Struktur" wollen und deshalb damit weniger Probleme haben ... sieht man ja auch am "Führerkult", also an der an Verehrung grenzenden Huldigung einer Autoritätsperson, in konservativen oder rechten "Organisationen", ob das nun Höcke im Flügel, Söder in der CSU oder Merz für die neoliberalen ist.

  • Schwarz-braun durchseuchte Sicherheitsapparate in EU-Europa

    Zitat @Jaschke: „Man muss davon ausgehen, dass Polizeibeamte in Deutschland insgesamt konservativer denken als der Durchschnitt.“

    Das erinnert an eine IFOP-Studie, derzufolge die Sicherheitskräfte Frankreichs (inkl. Polizei, Armee und Geheimdienste) eine im Vergleich zum Landesdurchschnitt doppelt so hohe Wahlaffinität zum „Rassemblement Nationale“ aufweisen (44 % gegenüber 23%) und zum RN-Verbündeten „Debout la France“ (DLF, 4% zu 2%). (Vgl. "Radioscopie de l’électorat du Front National", IFOP, 18/04/2017). Mithin darf fast die Hälfte der Beamten der französischen Sicherheitsapparate zum stabilen Wählerstamm des französischen AfD-Pendants gezählt werden.

    Warum sollte das in der übrigen EU und vor allem ausgerechnet in Deutschland nun anders sein mit seiner Tradition der Freicorps mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen, der „Schwarzen Reichswehr“, eines SD-geführten BKA in den Nachkriegsjahren, nationalkonservativer Bundeswehrgeneräle wie Speidel und Heusinger, des „Unna- Papiers“ von General Middendorf gegen das Prinzip der „Inneren Führung“ („nahe an Revolte und Putsch“ - „Die Zeit“), der Günzel- und jüngst der Maaßen-Affäre sowie der unverhohlen AfD-affinen Positionen von Bundespolizei-Chef Romann und DPolG-Chef Wendt.

    Sehr auffällig ist schließlich das in den Corporate Media vorherrschende ohrenbetäubende Schweigen zu den von dieser Zeitung verdienstvollerweise aufgedeckten Umsturzplänen in Polizei und Bundeswehr („Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Hannibals Schattenarmee“, Taz v. 16.11.2018)

  • Liebe Dinah Riese!

    Vielleicht wundern Sie sich als Verfasserin eines interessanten Kommentares, wenn Kommentare zum Thema nur spärlich rieseln oder gar ganz ausbleiben. Mich wundert es nicht! Ist das doch einer der wunden Punkte, deren Ignorieren über viele Jahre dazu beigetragen haben, rechte Gesinnungen allseits zu stärken und salonfähig zu machen. Polizeibeamte, die sich auffällig verhalten, säen fleissig und ernten häufig erhebliche Akzeptanz als Vorbilder unter Leuten, die Orientierung suchen. Fatal, dass über so viele Jahre weggeschaut, geleugnet, geschönt oder als Einzeltat dargestellt wurde. Schweigen werden Betroffene sicherlich vor allem aus Angst vor Repressalien, wenn sie diesbezüglich jemals als "auffällig" eine Randnotiz erhalten haben sollten. Damit wird dem "Freund und Helfer" das Vertrauen entzogen und ein falsches Machtbewusstsein erzeugt. Das ist sehr bedauerlich, schadet es doch nicht nur dem Bürger sondern vor allem auch dem anständigen und demokratisch gesinnten Polizeibeamten, dem man gerne vertrauen möchte. ...auch wenn man schwarze Haare hat.

  • Zitat: „...aber bis vor kurzem kannten wir keine Gewalt durch politisch militante Polizeibeamte.“

    Ich frage mich ernsthaft, wer nach Ansicht des Herrn (Ex-)Professors alles dazu gehört zu diesem „wir“.

    Schon erstaunlich, wie man mit einem kleinen Drei-Buchstaben-Wort, mit dem Gemeinschaft betont werden soll, ausgrenzen kann. Zum Beispiel all jene, die unter politisch motivierter Polizeigewalt gelitten haben, die aber tapfer ignoriert wurden von einer Mehrheit, die kaum weniger konservativ ist wie der Durchschittspolizist - oder der Durchschnittsjournalist.