Ermittlungen gegen Nordkreuz-Prepper: Was wusste der Verfassungsschutz?

Erst wollte der Verfassungsschutz schon früher als die anderen von der Preppergruppe „Nordkreuz“ gewusst haben. Nun nicht mehr.

der Eingang des Bundesamts für Verfassungsschutz im Dunkeln

Finster Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte offenbar deutlich später Kenntnis von den sogenannten Prepperchats, die unter dem Namen „Nordkreuz“ bekannt wurden, als ursprünglich behauptet. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion schreibt die Bundesregierung, das Bundesamt für Verfassungsschutz „erlangte erstmalig im Juni 2017 Kenntnis von einschlägigen Chatgruppen“.

In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses hatte der Verfassungsschutz zuvor ganz anders Auskunft gegeben. Laut Protokoll vom Dezember 2018, das der taz vorliegt, hieß es damals: Bereits Ende 2016 habe das BfV bei Nordkreuz festgestellt, „dass da möglicherweise Rechtsextremisten zusammenwirken, sich vorbereiten auf einen Tag X, möglicherweise dafür auch Waffen lagern … und möglicherweise gegen unliebsame Personen etwas tun wollen.“

Ein Vertreter des BfV führte damals aus, sie hätten „erhebliche“ nachrichtendienstliche Mittel angewandt. Und die Chatgruppen dabei nicht gesehen?

Interessant sind die widersprüchlichen Aussagen des Bundesamtes, weil gleich in zwei Fällen gegen Mitglieder der Prepperchats ermittelt wird: Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ vor. In Norddeutschland sollen zwei Männer, ein Polizist und ein Anwalt, Feindeslisten angelegt und Tötungen geplant haben – sie waren Mitglied der Preppergruppe Nordkreuz, die nach dem Namen einer ihrer Chatgruppen bekannt wurden.

In Süddeutschland ist Franco A. angeklagt, ein Bundeswehroffizier, der sich als syrischer Flüchtling registriert hatte. Auch er soll Tötungen vorgehabt haben. Er ist ebenfalls ein sogenannter Prepper und war Mitglied in der Chatgruppe Süd. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft manche der Männer heute als rechtsextrem ein.

Keine isolierte Organisation

Wenn der Verfassungsschutz schon Ende 2016 Kenntnis von der norddeutschen Gruppe gehabt haben soll, stellt sich die Frage: Wieso hat er nicht gesehen, dass es sich nicht um eine isolierte Organisation handelte, sondern um einen regionalen Ableger, den es so auch im Westen, Osten und dem Süden gegeben hat? Oder auch: Hätte der Verfassungsschutz schon früher auf Franco A. aufmerksam werden können?

Martina Renner, Innenpolitikerin der Linksfraktion sagt: „Ich erwarte, dass die Widersprüche aufgeklärt werden. Es ist höchste Zeit, dass die Rolle der Geheimdienste in den Komplexen Franco A. und Nordkreuz in den Blick genommen wird.“

Lange hatte es geheißen, insbesondere der Militärische Abschirmdienst (MAD) habe versäumt, die rechtsextreme Gesinnung der Männer zu bemerken. Franco A. hatte bereits 2013 eine antisemitisch und rassistische Masterarbeit bei der Bundeswehr abgegeben. Seine Vorgesetzten meldeten ihn aber nicht beim MAD, sondern baten Franco A., eine neue Arbeit zu schreiben.

Als er nach Berlin fuhr und mutmaßliche Opfer ausspähte, bekam sein Arbeitgeber davon nichts mit, auch nicht, als er sich als syrischer Geflüchteter registrierte. Am Ende war es eine Putzfrau, die die Ermittlungen zu seinen möglichen Terrorplänen auslöste: Franco A. hatte am Wiener Flughafen eine Pistole versteckt, die die Putzfrau dann zufällig fand.

Das führte zu einer ersten Festnahme in Österreich und Ermittlungen. Weitere Waffen, die Franco A. besessen haben sollen, sind bis heute verschwunden. Munition hatte er nachweislich bei Freunden versteckt.

Waren die Prepper gewarnt?

Auch eine weitere Passage in der Antwort der Bundesregierung gibt Anlass für neue Fragen. Bislang hatte die Bundesanwaltschaft stets betont, regionale Polizeikräfte bei den Ermittlungen gegen die Nordkreuz-Gruppe herausgehalten zu haben. Sie hatten offenbar die Befürchtigung, dass die Verdächtigen gewarnt werden.

Der Grund: Nicht nur ist einer der Terrorverdächtigen Kriminalpolizist in Mecklenburg, auch der Administrator der Nordkreuz-Chatgruppen war Polizist, beim SEK. Er wurde inzwischen verurteilt, weil er eine gestohlene Kriegswaffe und mehr als 55.000 Schuss Munition bei sich gehortet hatte. Einige der Patronen haben mutmaßlich weitere Polizisten entwendet.

In der Antwort der Bundesregierung heißt es nun, unmittelbar nachdem die Ermittler des BKA auf die Nordkreuz-Chatgruppen stießen, im Sommer 2017, informierten sie das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern.

Auf Anfrage wollte das Landeskriminalamt keine Auskunft geben, wohin die Information aus den Ermittlungen gelangt ist – ob also möglicherweise die Preppergruppe frühzeitig vorgewarnt gewesen ist, dass die Behörden sie nun im Blick haben.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

Hannibals Schattennetzwerk

Hintergründe zum Prozess gegen Franco A.

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