Polizei ohne Statistik: Nirgends rechtsextreme Polizisten?
Polizisten fallen immer wieder mit rechten Ausfällen auf. Die Behörden wissen dazu wenig: Die Vorfälle werden kaum erfasst.
Immer wieder fallen Mitglieder der sächsischen Polizei durch rechte Ausfälle auf. Alles Einzelfälle? Man weiß es leider nicht. Denn auf taz-Anfrage an das sächsische Innenministerium, wie viele rechtsextreme Vorfälle in den vergangenen Jahren in der Landespolizei gezählt wurden, heißt es: „Dem Innenministerium liegen keine Erkenntnisse über rechtsextremistische Beamte und/oder Mitarbeiter in der Polizei vor.“ Da es auch in der Vergangenheit allenfalls „Einzelfälle“ gegeben habe, „wird keine Statistik geführt“, so ein Sprecher.
Das erstaunt. Denn der sächsische LKA-Präsident Petric Kleine hatte etwa den „Böhnhardt-Vorfall“ keineswegs heruntergespielt, sondern als „vollständig inakzeptabel“ kritisiert. Den beiden Beamten wurde die Ausführung ihrer Dienstgeschäfte untersagt. Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann kritisiert die fehlende Erfassung: „Wir brauchen klare Erkenntnisse darüber, wie stark rechtsextreme Tendenzen in der Polizei präsent sind.“ Dafür bedürfe es eine Statistik und auch eine Studie.
Sachsen ist indes nicht allein. Die Linkspartei fragte jüngst auch die Bundesregierung nach rechtsextremen Vorkommnissen in der Bundespolizei seit 2012. Die Antwort liegt der taz vor. Demnach gab es seitdem nur 17 Vorfälle, fünf davon in diesem Jahr. Vier Polizisten wurden entlassen, vier erhielten andere Strafen. Die anderen Verfahren laufen noch.
Blackbox Bundespolizei
Der Linken-Politikerin Ulla Jelpke erscheinen die 17 Fälle „verdächtig niedrig“. Ein Generalverdacht sei nicht angebracht, aber: „Ich gehe davon aus, dass es hier ein massives Erfassungsproblem gibt.“ Das Problem werde einfach ignoriert, so Jelpke.
Bei der Bundeswehr wurden im vergangenen Jahr 162 rechtsextreme Verdachtsfälle gezählt. In den Reihen der Bundespolizei aber fast keinerlei Probleme? Erst im September sorgten zwei Beamte für Schlagzeilen, die in Rosenheim betrunken in einem Restaurant den Hitlergruß gezeigt und rechte Parolen gerufen haben sollen. Die Bundesregierung informiert in ihrer Antwort immerhin, dass die Sicherheitsbehörden zuletzt im Fall rechter Prepper einen Bezug zu Polizisten prüften.
Jelpke fordert die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten, um rechtsextreme Vorfälle „neutral“ aufzuklären. Die Grünen teilen diese Forderung. Aus der Bundesregierung heißt es dazu allerdings: „Für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt wird derzeit keinen Bedarf zur Einrichtung einer oder eines Polizeibeauftragten gesehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen