Personalakten und DNA-Profile: Löschen erst nach 25 Jahren
Als Reaktion auf den Lübcke-Mord: Das Innenministerium prüft, ob Daten von extremistischen Gewalttätern länger gespeichert werden können.
Daten der Sicherheitsbehörden sollen künftig viel länger gespeichert werden. Das prüft das Bundesinnenministerium derzeit als Reaktion auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Löschungsfrist könnte dabei von 10 auf 25 Jahre erhöht werden.
Als mutmaßlicher Urheber des tödlichen Attentats gilt der Rechtsextremist Stephan Ernst. Bis 2009 war er regelmäßig mit strafbaren Gewalttaten bis zum versuchten Totschlag aufgefallen. Doch dann begann Ernst scheinbar ein bürgerliches Leben mit Familie, Haus und fester Arbeit. Er verschwand wohl vom Radar der Sicherheitsbehörden. 2015 war seine Personalakte beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz ausgesondert worden.
Nach dem Lübcke-Mord betonte das Landesamt aber schnell, dass Ernsts Datei faktisch noch da war. Denn nach Bekanntwerden der Mordserie der NSU-Terrorrgruppe hatte das hessische Innenministerium 2012 ein Lösch-Moratorium für „Daten aus dem rechtsextremistischen Bereich“ verfügt – ähnlich wie auch andere Bundesländer und der Bund. Die Ernst-Akte war damit zwar für das operative Geschäft der Nachrichtendienste einige Jahre gesperrt. Doch dem ermittelnden Generalbundesanwalt wurde sie nach dem Lübcke-Mord sofort zur Verfügung gestellt. Allerdings werden diese NSU-Moratorien wohl bald auslaufen.
NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier hat wohl als erster eine Verlängerung der Löschungsfristen für Datenbanken des Verfassungsschutzes gefordert. Er erinnerte auch an den fast tödlichen Messer-Angriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015. Auch hier hatte der Täter eine rechtsextremistische Vergangenheit, war aber in den Jahren vor der Tat nicht mehr einschlägig aufgefallen. Inzwischen erklärte das Bundesinnenministerium auf Anfrage der taz: „Die Frage der Verlängerung der Löschfristen auf 25 Jahre wird derzeit geprüft.“
Missverständlicher Begriff
Parallel dazu hat eine Diskussion über die Löschfristen von DNA-Daten begonnen. Der Neonazi Ernst konnte nämlich vor allem deshalb schnell als mutmaßlicher Lübcke-Mörder identifiziert werden, weil an der Leiche des Opfers DNA-Spuren von Ernst gefunden wurden. Nützlich war dabei die DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamts (BKA). Das DNA-Profil von Ernst war aufgrund seiner früheren Straftaten noch in dieser Datei gespeichert. Nach Darstellung aus Sicherheitskreisen stand allerdings die Löschung Ernsts aus der BKA-Datenbank bald bevor.
Die CDU/CSU-Innenminister von Bund und Ländern haben daher Mitte August auch hier eine „Verlängerung der Löschfristen von 10 auf 25 Jahre“ vorgeschlagen. Der Fall Lübcke zeige exemplarisch, „dass die bisherige Löschfrist von zehn Jahren, insbesondere zur Bekämpfung des politischen Extremismus, zu gering bemessen ist“, heißt es in diesem bisher nicht öffentlich bekannten Beschluss der Ministerrunde.
Allerdings ist der Datenschutz weniger schematisch, als die Diskussion vermuten lässt. So ist mit der Zehn-Jahres-Frist kein Automatismus verbunden. Das heißt, nach zehn Jahren müssen Daten nicht zwingend gelöscht werden, vielmehr muss dann nur geprüft werden, ob die Daten noch benötigt werden. Insofern ist der oft verwendete Begriff „Löschungsfrist“ missverständlich, es handelt sich nur um eine Prüffrist. Die korrekte Bezeichnung ist „Aussonderungs-Prüffrist“. Die Prüffrist startet dabei immer wieder neu, wenn neue Sachverhalte in die Datei aufgenommen werden.
Bei der Verfassungsschutz-Akte von Stephan Ernst fällt zudem auf, das die Aussonderung schon 2015, also bereits fünf Jahren nach dem letzten Eintrag beschlossen wurde – obwohl auch hier eigentlich eine zehnjährige Frist galt. Angesichts der vielen Gewalttaten, die Ernst zugeschrieben wurden, erstaunt eine Verkürzung der Frist durch den Verfassungsschutz besonders. Die Linke im hessischen Landtag vermutet deshalb, dass der Verfassungsschutz hier etwas vertuschen wollte, es sei allerdings noch unklar, was genau. Das hessische Innenministerium will nicht mitteilen, wer warum über die verfrühte Sperrung der Ernst-Akte entschieden hat. Man dürfe nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen.
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