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Parlamentswahl in FrankreichSchwerer Rückschlag für Macron

Frankreichs Präsident verliert mit seinem Mitte-Lager die absolute Mehrheit. Er muss sich nun bei anderen Parteien Unterstützung suchen.

Le Touquet: Macron verlässt am Sonntag die Wahlkabine Foto: dpa

Paris taz | Frankreichs wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron verfehlt laut Hochrechnungen klar die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Ersten Schätzungen zufolge erhält Macrons Allianz „Ensemble!“ zwischen 220 und 235 von 577 Sitzen. Eine unerwartet schwere Schlappe für die bisherige Regierungskoalition. Die absolute Mehrheit von 289 Sitzen, die sie zu erreichen gehofft hatte, scheint unerreichbar. Das Ergebnis zwingt die bisherige Regierungsmehrheit zum Verhandeln – beispielsweise mit den Konservativen.

Die großen Gewinner der Stichwahlen sind die Oppositionsparteien von ganz links und ganz rechts. Die Wahlallianz NUPES (Neue Ökologische und Soziale Volksunion) darf jubeln. Das linke Bündnis kann in der neuen Nationalversammlung mit 150 bis 190 Sitzen rechnen. Die Einheit der Linksparteien La France insoumise (LFI), Sozialisten (PS), Kommunisten (PCF) und Grünen (EELV) hat sich für sie eindeutig ausgezahlt. Allerdings verpasst sie ihr Maximalziel eigene Mehrheit, die den Staatschef Emmanuel Macron zwingen würde, NUPES-Chef Jean-Luc Mélenchon als Premierminister mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Grund zum Feiern hat auch die (als Abgeordnete wiedergewählte) Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihr Rassemblement national (RN). Zum ersten Mal seit 1986 zieht die extreme Rechte in Fraktionsstärke in die Nationalversammlung ein. Statt nur 8 wie 2017 wird diese RN-Fraktion laut Schätzungen 80 bis 95 Sessel im Palais Bourbon besetzen. Weder das französische Mehrheitswahlsystem, das kleinere Parteien ohne Allianzen benachteiligt, noch die sonst üblichen Absprachen der Gegner gegen die extreme Rechte konnten dieses Mal den Durchbruch verhindern. RN-Interimsparteichef Jordan Bardella triumphierte im Fernsehen: Das Ergebnis müsse die anderen Parteien Demut lehren.

Besonders schmerzhaft für Macrons „Ensemble!“ sind die Niederlagen von Vertrauten des Präsidenten. Ihre Stichwahlen verloren haben unter anderem der bisherige Vorsitzende der Nationalversammlung, Richard Ferrand, sowie Ex-Innenminister Christophe Castaner. Mehrere der insgesamt 15 kandidierenden Regierungsmitglieder, unter ihnen die Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon, Ministerin für Umweltplanung Amélie de Montchalin, und die Staatssekretärin für das Meer, Justine Benin, konnten sich ebenfalls nicht durchsetzen. Sie müssen deswegen ihren Rücktritt aus der Regierung einreichen.

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Die Konservativen von Les Républicains (LR) und ihre zentrumsdemokratischen Alliierten (UDI) haben rund ein Drittel ihrer bisherigen Sitze verloren. Doch die Kräfteverhältnisse nach dem Wahlausgang ermöglichen es ihnen, zwischen dem geschwächten Regierungslager und der erstarkten linken Opposition Zünglein an der Waage zu sein oder gar die Bildung einer neuen Mitte-rechts-Koalition zu ermöglichen. Schon jetzt ist klar, dass die zukünftige LR/UDI-Fraktion jede politische Kooperation teuer verkaufen will.

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13 Kommentare

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  • Vieleicht, wird das Wahlergebnis in Frankreich



    ein Korrektiv für die deutsche Politik werden.

    • @Bu-Be:

      Inwiefern bzw. was erwarten Sie?

      • @Abdurchdiemitte:

        Noch ist es zu früh, um beurteilen zu können wohin die politische Reise in Frankreich geht, u.a. weil sich die Parteien vor den Wahlen sehr vage zu ihren zukünftigen politischen Positionen geäußert haben.



        Eine Erwartung ist und wohl eher Fakt,



        dass Macron nicht mehr einfach ohne



        Wiederstand durch regieren kann, alles weitere wird sich erst noch zeigen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Dass zunehmend mehr Wähler sich keine hohlen Phrasen auch der deutschen Regierung mehr bieten lassen.

        • @Lästige Latte:

          Und was wäre Ihr Vorschlag? Nicht mehr wählen gehen wie so viele in Frankreich … oder AfD wählen? Nur die Rechten profitieren letztlich von der grassierenden Politikverdrossenheit.



          Nun, mit Ihrer Kritik an den “hohlen Phrasen” im Politikbetrieb haben Sie natürlich irgendwie recht … nur frage ich mich auch hier: bestimmt das Angebot die Nachfrage oder oder verhält es sich genau umgekehrt?

  • Faschisten werden aus Verzweifelung häufiger in Krisen gewählt. Daran sieht man, wie es um Frankreich steht.

  • Der letzte soll dann bitte das Licht ausmachen.

  • Eine Schande für die Demokratie!



    54% der Wahlberechtigten haben nicht gewählt. Nur wer nicht wählt, kann und will offensichtlich die Politik nicht mitbestimmen. Und ich frage mich ob man auf die Nichtwähler überhaupt hören sollte, wenn sie dann auf die Straße gehen und gegen Gott und die Welt demonstrieren.

    • @Rudi Hamm:

      Na ja. Nur Obi weiß ja bekanntlich was Nichtwähler bauen.

      Ich denke die sind einfach super zufrieden mit ihrem Leben und haben keinen Bedarf gesehen über Wahlen Veränderungen anzuschubsen.

      Zur freien Wahl gehört auch das Nichtwählen. Das mag den Wahlverlierer, der sich ja meist ungefragt als das Sprachrohr der Nichtwähler sieht, nennt sich aber Demokratie 🤪

    • @Rudi Hamm:

      Macron, die Verkörperung von Gott und der Welt?

      Zitat @Rudi Hamm: „54% der Wahlberechtigten haben nicht gewählt. Nur wer nicht wählt, kann und will offensichtlich die Politik nicht mitbestimmen. Und ich frage mich ob man auf die Nichtwähler überhaupt hören sollte, wenn sie dann auf die Straße gehen und gegen Gott und die Welt demonstrieren.“

      Dies wäre nicht die einzig zwingende Interpretation des historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Eine andere, womöglich weitaus plausiblere sähe die Ursache in der Intransparenz der präelektoralen Prozeduren der Kandidatenauswahl in den Hinterzimmern der Macht. Im Grunde hat der Wähler nicht die Wahl sondern nur die Auswahl aus einer vorgegebenen endlichen Zahl von Möglichkeiten, gleichsam eine „multiple choice“.

      Unter den 54 %, der Wahlberechtigten, die die Wahl boykottierten, sind eine größer werdende Zahl, die das vorgesetzte Menu auf dem Wahlbulletin für derart ungenießbar halten, daß sie sich weigern, daraus eine Auswahl zu treffen. Das heißt ja nicht, daß die Nichtwähler keinerlei politische Interessen hätten und noch weniger, daß für sie das Demonstrationsrecht oder sonstige elementaren Bürgerrechte der freien Meinungsäußerung nicht gelten würden. Die französische Verfassung jedenfalls kennt keine solche Einschränkung nur für Bürger, die von ihrem (Aus)Wahlrecht Gebrauch machen.

      Übrigens wäre es Macron, der sich selbst gern als „Jupiter-Präsident“ sieht, wohl nicht unlieb, wenn die Massenproteste gegen seine Politik als „Demonstrationen gegen Gott und die Welt“ angesehen würden: Es wäre genau diese arrogante majestätische Attitude, die ihm seine Gegner stets vorgeworfen haben.

  • Das war der TAZ nicht mehr als die paar Zeilen wert.