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Palästinenserhilfswerk und 7. OktoberEine Auflösung wäre töricht

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Die Terror-Vorwürfe gegen die UNRWA müssen aufgeklärt werden. Die UN-Flüchtlingshilfe leistet aber wichtige Arbeit und sollte bestehen bleiben.

Lebensmittellieferung des umstrittenen Hilfswerks UNRWA in Gaza, Ende Januar Foto: Mohammed Talatene/dpa

D ie Forderungen sind alt: UNRWA finanziell austrocknen oder ganz abschaffen! Nun hat Israel konkret angekündigt, dass das UN-Palästinenserhilfswerk keine Rolle mehr in Gaza spielen wird. Der Anlass ist tatsächlich ein Skandal: Mitarbeitende sollen am Hamas-Massaker beteiligt gewesen sein. Jede Verwicklung in den Terror gehört aufgeklärt. Die UNRWA muss den Vorwürfen nachgehen und alle Missstände beseitigen.

Doch bei aller Kritik darf die Rolle der UNRWA nicht unterschätzt werden: Zum einen bietet das Hilfswerk in den palästinensischen Gebieten und Nachbarländern zentrale Dienstleistungen an, die sonst der Staat übernimmt. Eine halbe Million Kinder gehen auf UNRWA-Schulen. Millionen Menschen bekommen Gesundheits- und Sozialhilfe. Zum anderen ist das Hilfswerk in den palästinensischen Gebieten ein wichtiger Arbeitgeber (mehr als 10.000 Angestellte in Gaza). Denn Gaza ist seit 2007 abgeriegelt, eine gesunde Wirtschaft konnte sich nicht entwickeln, sodass privatwirtschaftliche Unternehmen nur eingeschränkt aktiv sein können.

Bestimmte Gruppen in den USA und Israel hetzten seit Jahren gegen die UNRWA. In unverantwortlicher Weise strich Donald Trump die US-Gelder für das Hilfswerk komplett. Ihren Gegnern ist die Organisation nicht nur aufgrund von Missständen ein Dorn im Auge, sondern auch weil sie sich als Sonderhilfswerk für Palästina-Flüchtlinge konsequent für die Rechte der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen einsetzt.

Ob die bestehenden Kontrollmechanismen ausreichen, muss diskutiert werden. Auch jetzt schon macht die Organisation allerdings nicht, was sie will, sondern gleicht etwa alle ihre Mitarbeitenden mit der UN-Sanktionsliste ab. Die Namen werden auch Israel vorgelegt. Die UNRWA in Abwesenheit einer politischen Lösung des Israel-Palästina-Konflikts abzuschaffen, ist in niemandes Interesse, weder der Menschen in Gaza noch Europas – und auch nicht Israels. Ein über Jahrzehnte gewachsenes System kurzerhand zu beseitigen, würde die Lage nur verschärfen.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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27 Kommentare

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  • Doch, die Auflösung wäre sinnvoll. Sie bietet eine Möglichkeit, die bestehenden korrumpierten Netzwerke abzuschaffen, und ist die Basis für einen dringend erforderlichen Neubeginn.

  • Sollte die UNWRA quasi abgeschafft werden, würde das UNHCR übernehmen müssen. Denn eines ist klar, die palästinensischen Flüchtlinge haben nach internationalem Recht Rechte und die gehen auch durch die Auszehrung der UNWRA nicht verloren.

    • @Martha:

      Ja, dann müsste UNHCR dort entfilzen. Das wird vermutlich nicht gelingen. Dann steht UNHCR als nächstes auf dem Prüfstand. Ist sowieso nicht Deutschlands Entscheidung. Die HAMAS wird zu 99.9…9% von anderen finanziert, und Israel ebenso.

      • @Koch:

        Israel wird ebenso zu 99.9% von anderen finanziert???



        Wie kommen Sie denn auf sowas? Kleine Einführung in israelische Wirtschaftsdaten: de.wikipedia.org/w...Wirtschaft_Israels Daraus: "Gemessen am Bruttoinlandsprodukt nahm sie im Jahre 2023 den 28. Rang weltweit ein."

    • @Martha:

      Das die Palästinenser als Flüchtlinge bezeichnet werden, ist einer Laune der UN geschuldet. Genauso können sich die Nachfahren der Ostpreussen, Pommern, Schlesier oder Sudeten jetzt auch als Flüchtlinge bezeichnen und Hilfe der UN einfordern. UNRWA wurde 1949 gegründet und hat seine Berechtigung schon lange verloren.

      • @Puky:

        Es geht bei der UN Hilfe um staatenlos gewordene Flüchtlinge! Die aus den Ostgebieten geflohenen waren nie staatenlose Flüchtlinge. Sie sind als Deutsche nach Deutschland geflohen.

      • @Puky:

        "Genauso können sich die Nachfahren der Ostpreussen, Pommern, Schlesier oder Sudeten jetzt auch als Flüchtlinge bezeichnen und Hilfe der UN einfordern. "

        Das war auch meine spontane Reaktion, aber der Vergleich stimmt nicht. Die Vertreibung der Ostdeutschen war eine Entscheidung der Siegermächte (Jalta/Potsdam) nach einem totalen Krieg, für den mehr oder minder allein Deutschland verantwortlich war. Der Teilungsplan Palästinas war eine Entscheidung der UN, die nichts mit den Palästinensern zu tun hatte und die für sie ein Unrecht war und geblieben ist, damit man dem jüdischen Volk, großes Opfer der Shoah, ein Staatsgebiet geben konnte. Das Unrecht an den Palästinensern abzumildern, dafür wurde die UNWRA geschaffen.

        Zweimal ging es darum, das schlechte Gewissen vornehmlich des Westens, d.h. vor allem der ehemaligen Kolonialmächte, zu beruhigen.

        • @Deutschfranzose:

          Der Teilungsplan Palästinas - eigentlich Restpalästinas, denn zum britischen Mandatsgebiet gehörte auch das heutige Jordanien: www.mena-watch.com...a-jordanien-wurde/ - der UN war ein Plan der eine Teilung und somit einen Frieden ermöglichen sollte. Daraus ein "Unrecht" zu konstruierenund die Palästinenser zu eigenen Zwecken zu instrumentalisieren, war von Anfang an ein zielstrebig verfolgtes Projekt von größtenteils christlichen, vom guten alten Judenhass getriebenen Mitgliedern der Vereinten Nationen. Genau zu diesem Zweck wurde - sehr erfolgreich - die UNWRA geschaffen. Das Ergebnis war der 7. Oktober. Ohne Mithilfe der UNWRA wäre er nicht möglich gewesen.

  • Alleine die Textbücher hätten Grund sein müssen die ganze Agentur abzuwickeln, das widerspricht dem Geist der Völkerverständigung und geht damit gegen die grundlegenden Ziele der UN. Sowieso diese ganzen UN Organisationen sind unglaublich inefficient und mehr Job-Beschaffungsmaßnahmen für reiche Kids aus der dritten Welt. Kann man abschaffen, gibt da deutlich effizientere Organisationen.

  • Was weder im Artikel auftaucht, noch in den (bisher veröffentlichten) Leserbriefen:



    Was genau sind denn die vorgelegten Beweise für die Vorwürfe? Wenn die UNRWA die Beschuldigten sofort entlässt, muss es doch was sehr überzeugendes sein, ansonsten wäre der korrekte Weg doch erstmal eine Suspendierung, dann die Untersuchung, und danach erst eine Entlassung, nicht wahr?



    Daß sich Israel und die Hamas gegenseitig hassen, ist ja bekannt - und daß Israel die UNRWA auch hasst, sollte genauso bekannt sein - von daher ist ein sofortiges Eingehen der UNRWA auf israelische Beschwerden schon etwas irritierend!

  • "Denn Gaza ist seit 2007 abgeriegelt, eine gesunde Wirtschaft konnte sich nicht entwickeln, sodass privatwirtschaftliche Unternehmen nur eingeschränkt aktiv sein können."

    Wenn Gaza das ganze Geld nicht in sinnlose Tunnel, Primitivraketen und alte (und teure nehme ich mal an) Waffen gesteckt hätte, hätte man eine Wirtschaft aufbauen künnen. Solarzellen zur Stromversorgung, solarthermische Entsalzung von Wasser als Grundlage usw. Aber nein, es musste ja diese ewig-gestrige Rache an Israel sein. Dn Palästinesern und ihren derzeitigen Unterstützern ist wirklich nicht zu helfen. Und UNRWA (und dessen Geldgeber) zementiert die Situation noch durch die indirekte und zum Teil wohl auch direkte Finanzierung der Hamas.

  • Die UNWRA ist ein Aspekt der seit 1948 ungelösten Frage der Palästinenser. Sie wurde von der UNO geschaffen, um ihr mulmiges Gefühl nach der Nakba zu beruhigen, war sie es doch, welche die Vertreibung durch den Teilungsplan legitimert hatte.

    Natürlich kann man diverse Aspekte dieser Organisation infrage stellen. Auch glaube ich, daß es keinem Menschen einen Dienst erweist, mit dem "Flüchtlingsstatus" geboren zu werden.

    Aber die Besatzung seit 1967 hat eine Normalisierung des Lebens der Palästinenser unmöglich gemacht.

    Wenn schon, dann sollten alle Aspekte gleichzeitig auf den Tisch, wie die Frage eines künftigen, palästinensischen Staates. Sind sie gelöst, braucht es auch keine UNRWA mehr.

    • @Deutschfranzose:

      Dann braucht es keinen Netanjahu und keinen Sinwar mehr, und auch deren Unterstützer und Mentoren haben dann ausgedient. Das scheint das Haupotproblem.

  • Der Vorwurf Terroristen passiv und aktiv unterstützt zu haben, wiegt schwer.



    Ich hoffe, dass die Taten rasch untersucht werden und es sich bewahrheitet, dass nur eine kleine Minderheit aktiv war. Terroristen sind zur Verantwortung zu ziehen.



    Leider wirft diese Entdeckung ein schlechtes Licht auf die UN.



    Statt Appellen an Geldgeber ist allerdings Handeln erste Guterres Pflicht: Aufklärung!



    Dann muss die Organisation ihre Arbeit weiter machen dürfen, denn ein Ersatz fällt nicht vom Himmel.



    Nach Ende der Kämpfe werden die Karten neu gemischt.



    Da glaube ich auch, dass ein Ersatz für die derzeitige israelische Regierung gefunden werden wird.



    Interessant fand ich übrigens in diesem Zusammenhang den Umstand, dass Deutschland nach den USA zweitgrößter Geldgeber der regelmäßigen humanitären Hilfe für Palästina ist. Das fiel bei der deutlichen Kritik von links gegen die deutsche Außenpolitik in Nahost irgendwie unter den Teppich...

  • Ja, Deutschland ist ja so vorbildlich bei seinen Organisationen. Da wird nie irgendwas gemauschelt oder geht schief.



    Ich kenne keine einzige Organisation dieser Grösse, in der es nicht zu Problemen mit einzelnen Mitarbeitern kommt.



    Ab einer gewissen Grösse ist es schlicht nicht möglich, totale Kontrolle auszuüben, ohne alle Strukturen zu lähmen.



    Deshalb ist es ja so wichtig, Vorfälle akkurat aufzuarbeiten und Massnahmen zu ergreifen, die möglichst eindämmend wirken.



    Was in diesem Fall vorbildlich gemacht wird.



    Sieht man sich im Vergleich an, wie Deutschland seine Fehler aufarbeitet, muss man sich schon Fragen, ob es angemessen ist, dass ausgerechnet Deutsche Politiker Moralaposteln.

    Mein Eindruck ist, dass bei NGOs im Allgemeinen der Eindruck zurück bleibt, zukünftig analog zu Regierungen, Vorfälle zu vertuschen.

    • @Stubi:

      Wow, welch schöne Gegenüberstellung und was für ein Whataboutism...

      So wie sie es darstellen, könnte man meinen, dass Sie die Beteiligung am schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust vom 07.10.2023 als "Gemauschel" und "dass mal etwas schief gegangen sei" oder "kleines Problemchen" verstehen.

      Die UNRWA ist seit Jahrzehnten in der Kritik auf verschiedenste Weise Antisemitismus zu fördern (Stichwort: Schulbücher) und mit Terrorbanden wie der Hamas zu paktieren. Das jetzt die UNRWA einräumen musste, dass sich Mitarbeiter an dem Terrorangriff vom 7. Oktober beteiligt haben, sollte wohl jedem die Augen öffnen mit was für einer Organisation man es zu tun hat.

  • UNRWA ist eine korrupte Organisation zur Beschaffung von Jobs und Privilegien für einige wenige Palästinenser und Palästinenserinnen auf Kosten der restlichen Bevölkerung. Das will und wollte aber niemand hören. Nach 70 Jahren immer noch von Flüchtlingslagern zu sprechen ist ausserdem völlig absurd. Neben 600.000 Palästinensern wurden während der sogenannten großen Katastrophe ebensoviele Juden aus arabischen Ländern vertrieben. Für die gibt es auch kein Flüchtlingshilfswerk, ebensowenig für meine aus Schlesien vertriebene Großmutter und deren Kinder, die auch nicht mehr in einem Flüchtlingslager für Schlesier in Süddeutschland leben und auf Geld warten, das eine korrupte Schlesierelite verwendet, um damit Raketen zu basteln und auf Polen zu schiessen.

    • @Fünfpluseins:

      Die vertriebenen Juden und Deutschen haben einen funktionierenden Staat der sie unterstützt, die Palästinenser nicht. Welchen Status haben denn ihrer Meinung nach die Palästinenser? Beschreiben sie das mal.

    • @Fünfpluseins:

      Danke für den Kommentar. Der ist wirklich on point!

  • Dann sollte die UNWRA von meiner Seite aus nicht kurzerhand, sondern nach und nach in die UNHCR überführt werden. Die bekannt gewordenen Beteiligungen an den Terrortaten sind auch nur die Spitze der Spitze des Eisberges. Das ist auch der Grund dafür, warum die bisher gefundenen neun der zwölf beschuldigten UNWRA-Mitarbeiter auch schon entlassen wurden, Herr Lazzarini weiß genau, dass die Vorwürfe zutreffen und nur ein Teil des Problems sind. Eine Neuorganisation ist dringend nötig.

  • Nur weil ein System "über Jahrzehnte gewachsen" ist, muss es deswegen weder gut noch richtig noch erhaltenswert sein.

    Das ggw. System steht in Gaza seit 2007 unter dem Einfluss von Hamas, und die werden diesen Einfluss nicht aufgeben, sondern höchstens ihre Methoden verfeinern und besser verschleiern.

    Warum muss es überhaupt für die Palästinenser eine eigene UN-Organisation geben? Für sämtliche andere Flüchtlinge auf dieser Welt, und das sind etliche Millionen mehr, als es überhaupt Palästinenser gibt, ist das UN-Flüchtlingshilfswerk zuständig, die könnten die paar Palästinenser doch auch noch übernehmen, bei wechselnden Sacbearbeitern, damit Hamas und Konsorten der Einfluss entzogen wird.

    • @Olli P.:

      "Warum muss es überhaupt für die Palästinenser eine eigene UN-Organisation geben?"

      Wahrscheinlich, weil die UNRWA 1949 gegründet wurde, das UNHCR erst 1950. Beide hatten ursprünglich nur ein Mandat für 3 Jahre.

  • Der Moment, Zahlungen in Frage zu stellen und Hilfslieferungen zu bedrohen, ist wahrlich schlecht gewählt und könnte dramatische Konsequenzen haben. Liegt mir wie ein Stein im Magen.

  • Rund 11.000 Mitarbeiter hat die Organisation UNRWA. Davon kollaborierten vermeintlich 12 mit der Hamas. Das sind rund 0,11 Prozent. Und wegen diesen ideologisch verwirrten Mittätern stoppen wir die Auszahlung von Hilfsgeldern für die Versorgung von hunderttausenden Flüchtlingen und Hilfsbedürftigen?



    Noch doppelmoraliger geht es kaum.

    • @Trabantus:

      @Trabantus: Bislang hat man 12 UNRWA-Mitarbeitern ihre Kollaboration mit Hamas NACHWEISEN können, als nix mit "mutmaßlich."



      Wie viele Sympathisanten und Unterstützer es noch gibt, ist noch gar nicht aufgedeckt worden.



      Man sollte die Aufgaben der UNRWA dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR übertragen und die für die sogenannten Palästinenser zuständigen Sachbearbeiter turnusmäßig austauschen, damit sich keine festen Seilschaften zu Hamas und anderen Terrornetzwerken etablieren können.



      Bis dahin sollte sich Deutschland mit Zahlungen an eine mutmaßlich Terroristen unterstützende Organisation zurückhalten und statt dessen andere Wege einschlagen, um den Betroffenen zu helfen.

    • @Trabantus:

      Danke, sie fassen in konstruktiven Worten zusammen, was mir mit deutlich hässlicheren Worten durch den Kopf geht.

    • @Trabantus:

      Glauben Sie ernsthaft, dass es nur 12 waren?

      Zudem ist anzunehmen, dass unter anderen 10.988 nicht wenige mit der Hamas und der Aktion sympathisieren.

      Ich habe im Letzten Jahr Artikel gelesen, deren Autoren die UNRWA als irgendwie neutrale Institution betrachteten.

      Das scheint ja nun überhaupt nicht so zu sein.

      Doppelmoral ist es aus meiner Sicht, die UNRWA langfristig weiter zu unterstützen.

      Dann könnte man das Geld auch direkt der Hamas geben.

      Wäre weniger Doppelmoral.