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Palästina-Proteste von StudisFrom the Job to the Sofa

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Sind Studierende dazu berufen, gegen das Unrecht in der Welt ihre Stimme zu erheben? Mag sein. Die meisten Menschen kommen aber auch gut allein klar.

Pro-Palästina-Proteste an der FU Berlin am 7. Mai 2024 Foto: Ben Kriemann/imagebroker/imago

D ie in Berlin lehrende ­Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan, die taz-Community hat sie noch in freundlicher Erinnerung, als sie jüngst auf dem taz lab zu Gast war, ist Mitinitiatorin einer Unterschriftenliste, die die – auch in ihren – akademischen Kontexten aufwühlenden propalästinensischen Proteste nicht diskreditiert sehen will, schon gar nicht kriminalisiert. Hier geht es nicht im Detail um die Bewertung dieses universitären Engagements, eben auch seitens Lehrender. Sondern um einen Satz, der landläufig verstanden wird, also als unhinterfragbar weggelesen wird, aber dennoch fragwürdig ist.

Foroutan schreibt in einem ihre Haltung erläuternden Text im Tagesspiegel: „Dass Studierende auf Unrecht aufmerksam machen, hat Tradition. Wer, wenn nicht sie – wo, wenn nicht an Universitäten?“ Mit Unrecht ist Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas gemeint – und der Hinweis auf traditionell Übliches ist auf die Bewegung der Achtundsechziger gemünzt.

Der entscheidende Befund lautet also: Die Studierenden seien qua Status als angehende Akademikerinnen*, durchaus geschichtsbewusst, gehalten, in den Protest zu gehen. Dabei spricht nichts dafür, dass an Universitäten besonders emanzipatorische und freiheitliche Potenziale stimuliert oder gar besonders geboten werden: Die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland, die völkischen oder nationalistischen Moves sind historisch gesehen innerhalb akademischer Kontexte, Giftküchen gleich, hervorgebracht worden – und davon abgesehen hat auch das, was wir als Achtundsechzig verstehen, gerade diskursiv viel Quatsch hervorgebracht.

Was die Sozialwissenschaftlerin aber sagen möchte: Hören wir einander zu, auch in den Seminaren. Außen vor bleibt bei ihrer Analyse, dass nicht nur von rechts Gefahren für Juden und Jüdinnen drohen, vielmehr von dem, was sich als links in postkolonialer Hinsicht begreift. Und ausgespart bleibt nicht minder, dass von den Protestcamps gerade für israelgewogene Studierende ein erhebliches Risiko ausgeht: Die Drohkulissen reichen aus, dass etwa Juden und Jüdinnen ihre Halsketten mit dem Davidstern zu Hause lassen.

Ohnehin privilegierte Schicht

Das gewichtigste Missverständnis ist aber klassistisch zu verstehen: Warum fühlen sich abiturielle Menschen besonders berufen zu protestieren? Warum glaubt diese ohnehin privilegierte Schicht, qua Academia auf dem Weg in die gesellschaftliche und staatliche Elite, dass sie die Topchecker des Lebens sind? Warum kommt auch einer demokratisch orientierten Sprecherin wie Naika Foroutan nicht in den Sinn, dass in nichtakademischen Bereichen, etwa in Industrie- und Handwerksbetrieben, im schlecht bezahlten Dienstleistungs- und Care-Bereich nicht weniger, sondern ebenso viel Kraft zur volksintellektuellen Arbeit steckt? Dass also (formale) Bildung nicht moralischer macht, sondern womöglich oft auch herzensdümmer und politisch dünnsinnig?

Der Fehler, wenn man so will, der Bewegung Fridays for Future war, einschließlich der inzwischen zwielichtig agierenden Greta Thunberg, die Klimastreiks buchstäblich exklusiv aus Gymnasien rekrutiert zu haben, nicht jedoch aus Berufsschulen – sie signalisierten: Ihr seid zu blöd, um unser hehres Anliegen zu begreifen. Dabei lernen Jugendliche exakt dort, die Welt nicht nur dramatisch zu interpretieren, sondern auch fachmenschlich mit Wärmepumpen umgehen zu können.

Und wahr ist ja, dass die propalästinensischen Protestcamps weltweit exklusiv in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern beheimatet sind. In naturwissenschaftlichen, mathematischen und ökonomischen Disziplinen ist politische Performance nicht untersagt – aber dort laufen mehr Studierende, die oft sehr klare Karriere- und Lebenswünsche haben: nach „Normalität“, nach Kooperation.

Aus dem gleichen Grund – ankommen, durchsetzen und aufsteigen in der (oft noch fremden) Gesellschaft – wird an Berufsschulen nicht protestiert, wenig in der gewöhnlichen arabischen Bevölkerung in Deutschland, gar nicht so viel auch bei den jungen Menschen, die etwa in Neukölln aufwachsen: lernen, lernen, lernen – und keine Zeit für Aufstände, die zu nichts führen.

Wer dort hingegen umherzieht, sind sogenannte antiimperalistische Gruppen ohne Kontakt zur, nun ja, Zivilbevölkerung, linke Kader, die glauben, im Aufstandsland zu sein. Ein Missverständnis ums Ganze, wie der Zwist um die Hamburger Rote Flora nahelegt: Pro-Pali-Kräfte wollen dort das Ruder übernehmen – und verkennen, dass die Rotfloristen im alternativ-bürgerlichen Schanzenviertel inzwischen sehr populär sind: Die tun was fürs Viertel – die anderen wollen nur Radau!

Last but noch least: Der Aufschrei nach dem Versuch des Berliner Kultursenators Joe Chialo, weil der von Kulturiniativen eine gängige, jedenfalls nicht antiisraelische Anti­semitismusformel signiert haben wollte, hatte schlicht existenzielle Gründe. Die da rebellierten – wie lächerlich war das denn, mit Kunstboykott zu drohen! –, sind fast durchweg Fördermittelempfänger. Sie fürchten um ihre Apanagen.

Die Mehrheit aller Migrantinnen* in Deutschland hat mit alldem nichts zu tun. Sie wollen das, was sie bei ihrer Flucht oder, neutraler gesagt, Ankunft in Deutschland ersehnten: ein ruhiges Leben ohne Politzwänge und Bekenntnisorgeleien, ein Leben in Respekt und mit Arbeit, die Kinder versorgen, abends ein bisschen gemütlich, gern beim Fernsehen oder mit dem Computer auf dem Sofa, Katzenbilder angucken, so in etwa. Was wir an den Universitäten mit ihren Protestcamps sehen, ist das intellektuell und lebensweltlich insuffiziente Gebölk um alles, nur nicht um die konkrete Verbesserung palästinensischer Lebenslagen. Leider!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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24 Kommentare

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  • Mir atmet dieser Kommentar zuviel Ressentiment und eine doch recht einfache Weltsicht des Autors.

    Hier die Studierenden, privilegiert und keine Ahnung vom 'richtigen' Leben, dort die arbeitende, gerne auch migrantische 'normale'Bevölkerung, die sich nur für ihr Privatleben interessiert und kein Verständnis für die Spiegelfechtereien der privilegierten Muttersöhnchen und -Töchter interessiert.



    So einfach ist es nicht und leider auch nah am sehr konservativen bis rechten Denken von einer vermeintlichen 'Elite', die das 'Volk' nicht versteht und eine Meinungsdiktatur ausruft.

    Bei aller Kritik an der postkolonialen Lehre, die ich durchaus teile: Ein bisschen mehr Differenzierung wäre schön, Herr Feddersen! Aber vielleicht musste da auch einfach mal was raus...

  • Die Argumentation geht sehr in Richtung "Geht erstmal richtig arbeiten (leistet mal was)!". Leicht auf korrekt linke Linie getrimmt mit dem Klassismus- Vorwurf.



    Die Beschreibung der migrantischen Lebenswünsche klingt anmaßend, trifft aber grundsätzlich auf die Mehrheit der Gesellschaft zu (migriert oder nicht). Man muss diese Wünsche, dumm konsumierend und satt auf dem Sofa zu hocken und sich um den Rest der Welt inklusive ihrer Zerstörung durch ebendiesen kapitalistischen Konsum nicht zu scheren, aber auch nicht unkritisch als erfüllenswert und allen zustehend betrachten.

  • Nachtrag: das ist übrigens der unterschwellige Rassismus der einem erst auf dem zweiten Blick auffällt. Menschen mit Migrationshintergrund Pauschal als nicht politisch interessiert abzustempeln. Gerade die eigene Fluchtgeschichte sensibilisiert Menschen für politische Themen. Wenn man dann so ein Artikel liest wird man wieder dadran erinnert, eine Integration inkl. einer eigenständige politische Meinung das wird einem hier gar nicht zugetraut.

  • Meine Güte seit Tagen beschäftigt sich die TAZ mit den Studentendemos anstatt sich wirklich mal ernsthaft zu fragen was den gerade in Gaza passiert. Hier schreibt eine mit Migrationshintergrund und einem vernünftigen Job. Die Mehrheit der Migranten ist einfach nur verängstigt und traut sich nicht den Mund aufzumachen , weil man Angst hat als Antisemit abgestempelt zu werden. der Author scheint nicht viele mit Migrationshintergrund zu kennen, ansonsten würde man nicht sowas schreiben.

  • Gewaltfreie Proteste und Empörung sind Säulen einer lebendigen Demokratie und Universitäten waren in dieser Hinsicht schon immer am Puls der Zeit. Das die "Pro Palis" oder wie es treffend auf der Homepage der Flora benannt ist, die autoritäre Linke neben der Spur ist, ist gute Linke Tradition, erinnert sei hier nur an die Raf, Chomeini, Mao. Und das die Linke sich schon immer gerne völkischer Narrative bedient hat, wurde schon an anderer Stelle in den Kommentaren treffend bemerkt.

    Ein zu laut ist mir lieber als ein zu leise und beunruhigen tun mich eher die auch im Artikel erwähnten Studierenden "die oft sehr klare Karriere- und Lebenswünsche haben". Was der Autor in diesem Zusammenhang mit "Normalität" beschreibt würde ich eher "Konformität" nennen.

  • Jan Feddersen at it's best. Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Pier Paolo Pasolini meinte dazu schon 1968 im Nachgang einer Straßenschlacht (wahrscheinlich etwas schöner formuliert, als ich es jetzt aus dem Gedächtnis zitiere): Die Universitäten zu besetzen ist höchstens eine Übung, die Hauptdisziplin ist die Fabrikbesetzung.



    Vielem von dem was Jan Fedderson schreibt, stimme ich zu, aber zum Schluss sich anzumaßen, in zwei Sätzen der Welt mitzuteilen, was ''die Mehrheit aller MigrantInnen*'' will - wow...

    • @Gast3456:

      Pasolini stellt sich in seinem Gedicht

      "Die KP an die Jugend"

      auf die Seite der Polizisten, die von Studenten während einer Straßenschlacht mit Steinen beworfen wurden. Weil diese die Kinder von armen Leuten, von Proletariern waren und die Studenten Kinder der Elite.

      Er hatte eben Klassenbewusstsein.

      Ich gehe mal davon aus, dass die heutigen Campusbesetzer gar nicht wissen, was das ist.

      Die denken ja eher in völkischen Dimensionen.

      "Ihr habt Gesichter von Vätersöhnchen.

      Die rechte Art schlägt immer noch durch.

      Ihr habt denselben bösen Blick.

      Ihr seid furchtsam, unsicher, verzweifelt

      (ausgezeichnet!), aber ihr wißt auch,

      wie man arrogant, erpresserisch und sicher ist:

      kleinbürgerliche Vorrechte, Freunde.

      Als ihr euch gestern in der Valle Giulia geprügelt habt

      mit den Polizisten,

      hielt ich es mit den Polizisten!

      Weil die Polizisten Söhne von armen Leuten sind.

      Sie kommen aus Randzonen, ländlichen und städtischen.

      [...]

      Die jungen Polizisten,

      die ihr aus heiligem Bandentum (in vornehmer Tradition

      des Risorgimento)

      als Vätersöhnchen geprügelt habt,

      gehören zu einer anderen Gesellschaftsklasse.

      In der Valle Giulia hat es gestern also ein Stück

      Klassenkampf gegeben: und ihr, Freunde (obwohl im

      Recht), wart die Reichen,

      während die Polizisten (im

      Unrecht) die Armen waren."

  • Guter Artikel, gute Punkte.

  • Danke Jan Feddersen für diesen Kommentar. Sie sprechen mir aus dem Herzen, formulieren es aber viel besser!

  • Ich würde sagen, dass weltweit jene Student:innen für Menschenrechte und gegen Kriegsverbrechen demonstrieren, die keine Fachidioten sind, sondern gelernt haben, über den Tellerrand zu blicken.

    Das sollten auch alle nichtstudentischen Bevölkerungsgruppen als Vorbild ansehen und tun dies ja zum großen Teil auch, wenn man sich die Umfragen zu den derzeitigen beiden Kriegen ansieht, in denen die Bundesrepublik Deutschland ganz besonders involviert ist.

    Mit einem Motto "Halt's Maul und studiere!" ist jedenfalls der Befreiung der Menschheit nicht geholfen, werter Autor.

    • @Uns Uwe:

      Vllt sind ja zum Teil die Menschen die demonstrieren, die Menschen die nicht über den Tellerrand schauen. Die Sicht von Demonstraten ist gelegentlich schon äußerst einseitig.



      Ob man mit Einseitigkeit seine Ziele durchsetzen kann ist auch fraglich.

      • @Hitchhiker:

        Die Demonstrant:innen zeigen ihre Fähigkeit, über den (fachlichen) Tellerrand zu blicken dadurch, indem sie die Einseitigkeit der deutschen Regierung kritisieren, welche sich offenbar nur an bestimmten Orten für Menschenrechte zu interessieren vorgibt.

        Das heißt aber nicht, dass Deutschland mit seiner Einseitigkeit nichts erreicht, denn es setzt sich in just bestimmten Weltregionen fest und seine Interessen durch.

        Meine Sorge besteht darin, dass die studentischen Demonstrationen sich gerade aufgrund ihres universalistischen Ansatzes nicht durchsetzen.

        Einseitigkeit und Unfairness sind oft siegreich in der Weltgschichte, man blicke nur auf die deutsche Geschichte, in der sich zahlreiche rückständige Sachen durchgesetzt haben.

        Doch immerhin sind viele Unis international und nicht strunzdeutsch aufgestellt.

    • @Uns Uwe:

      Welchen Tellerrand meinen sie?



      Fast 20 Jahre hat die Hamas die Palästinenser als Geiseln genommen.



      Proteste?



      Wo sind FFF, Klimakleber angesichts der Zerstörungen der Ukraine durch Putin?



      Proteste?



      Wieso sehen die Studierenden die Kriegsverbrechen und damit Menschenrechtsverletzungen Putins nicht?



      Proteste?



      Habe 20 Jahre in einer jüdischen KiTa die Brand- und Einbruchanlage erstellt und gewatet. 20 Jahre stand immer die Polizei vor der Einrichtung, aber nie Studierende. Wo bleiben die Menschenrechte hier lebender Juden?



      Proteste?



      Irrer Tellerrand.

      Vielleicht weil es die gleichen Empörten sind, die mich vor 45 Jahren entsetzt und verständnislos anguckten, weil ich ihre Mao-Bibel ablehnte, mit dem Hinweis darauf, dass, dass ein Buch von einem millionenfachen Mörder an seinem eigenen Volk sei.

      • @2Cents more :

        FFF und Kriegsgegner:innen haben vieles gemeinsam, da Ökologie und Menschenrechte nicht voneinander unabhängig sind.

        Denn jeder Mensch braucht nicht nur einen Ort, sondern eine heile Welt zum Leben, sich fortzupflanzen und im Einklang mit der Natur zu gedeihen.

        Deutschland lädt durch gezielte Waffenlieferungen in geostrategisch ausgewählte Gebiete (Israel, Ukraine) neue Schuld auf sich.

        Nach meinem Verständnis richten sich die Proteste der Student:innen in erster Linie gegen die eigene Regierung. Das ist das, was sie beeinflussen können. Die Hamas oder Mao können sie nicht beeinflussen.

    • @Uns Uwe:

      "für Menschenrechte und gegen Kriegsverbrechen"

      Würden diese Studierenden tatsächlich dafür demonstrieren, hätte ja niemand etwas dagegen. Mir scheint aber eher, die sind FÜR Kriege - werden doch militärische Gewaltaktionen der Huthis, wenn nicht gar der Hamas, ala legitimer Befreiungskampf stilisiert und jüdische Mitstudierende eingeschüchtert und gar verprügelt.

  • In den sogenannten Postcolonial Studies scheint jedenfalls akademisch auch einiges falsch zu laufen...

    Ist vielleicht auch tatsächlich ein Problem, dass so viele junge Leute an die Unis strömen, obwohl sie weder zu komplexen Gedankengängen noch zu (eigenverantwortlicher) geschichtlicher Weiterbildung in der Lage sind.

    Da wäre es tatsächlich besser gewesen, sie hätten erst mal gelernt, wie man eine Wärmepumpe installiert. Sowas hilft sicherlich gegen den Dunning-Kruger-Effekt, der vorzuliegen scheint.

    Und dann noch dieses autoritäre Gehabe. Ich könnte kotzen...

    • @Edgar:

      In vielen der Gedankennetze in die da tausende und abertausende gefallen sind formt sich jetzt aus "Globalisierung Kritik" und den post-Colonial-Studies eine neue Wiege des Völkischen und Nationalistischen und Narzisstischen. Sowie aller anderen die Menschen beherrschen Kategorien. ("Rasse", Religion etc.)



      Nur wird der Sack jetzt mal wieder von Links aufgemacht. Aber auch das ist nicht neu. Besonders der existierende "Realsozialismus" hat sich immer gern völkischer Narrative bedient. Von der DDR, Cuba über Vietnam bis nach China. (Das ist ja auch einer der wichtigsten historischen Gründe für den (bis heute vorhaltenden) Bruch der Internationalen aus Kommunist*innen und Anarchist*innen.)







      Ich betrachte das hier jetzt kaum mehr als etwas anderes als einen reaktionären Gegenentwurf zum Universalismus und der universellen Menschenrechte. An deren Stelle hier das völkische Selbstverständnis gesetzt wird.

      Das Kotzen ist nachvollziehbar.



      Vor allem weil sich viele Beteiligte auf allen Seiten konsequent so verhalten als bräuchten sie dringend einen "Erwachsenen im Raum".



      Wenn das handeln der "Linken" als Resultat bei den Menschen den Wunsch nach einem starken und brutal durchgreifenden Staat oder einfach "Recht und Ordnung" weckt, nun, dann ist etwas gehörig schief gelaufen ...

  • Ich habe durchaus auch meine Probleme mit den gewählten Protestformen bzw. deren Abgleiten in Antisemitismus. Es ist untragbar, dass sich jüdische Studierende an deutschen Universitäten bedroht fühlen und selbstverständlich muss hier eingegriffen werden.



    Mit dem Kommentar und dessen Ausrichtung habe ich trotzdem meine Probleme, die grundsätzlicher bzw. allgemeiner Art sind:



    - Eine scharfe Trennung zwischen "privilegierten" Studierenden mit zu viel Zeit und der normalen arbeitenden Bevölkerung sehe ich nicht - die meisten haben neben dem Studium einen Job, gerade im schlecht bezahlten Servicebereich.



    - Ich sehe die Universitäten auch als den Raum, an dem nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern v.a. auch bestehende Regeln, Denkmuster etc. kritisch hinterfragt werden. Dies muss natürlich immer im Diskurs erfolgen und Rassismus, Antisemitismus sind nicht tolerierbar.



    - Viele Dinge, die früher hitzig an den Universitäten debattiert wurden (Konzepte der Gleichberechtigung, Umweltschutz etc.) sind heute Konsens bzw. im Mainstream angekommen.



    - Daran anschließend: Will der Verfasser denn wirklich eine stromlinienförmig orientierte Gesellschaft, in der alle "lernen, lernen, lernen – und keine Zeit für Aufstände, die zu nichts führen" haben.



    Wie gesagt - dies bezieht sich nicht auf den aktuellen Konflikt sondern auf die grundsätzliche Argumentationslinie des Kommentars.

  • Wieder mal ein Kommentar von Jan Feddersen, dem ich nahezu uneingeschränkt zustimmen kann. Das Gefühl, dass praktisch, handwerklich, technisch, naturwissenschaftlich orientierte Menschen sehr viel pragmatischer (und ideologiefreier) ticken, als jene, die sich im geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich heimisch fühlen, habe ich schon lange.

    Aber dieser Satz hätte nicht sein müssen:

    "Mit Unrecht ist Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas gemeint"

    Würde man den Krieg, in den die Ukraine verwickelt ist, als Krieg der Ukraine gegen Russland bezeichnen? Eher nicht. Die Ukraine verteidigt sich in einem Krieg, den Russland gegen sie führt. Und genau so verteidigt sich Israel in einem Krieg, den die Terrororganisation Hamas gegen Israel führt. Die Hamas hat Israel angegriffen und die Waffen bislang nicht niedergelegt. Der Unterschied zwischen beiden Kriegen ist lediglich, dass Israel der Hamas militärisch überlegen ist und sich darum hauptsächlich auf dem Territorium der Angreifer verteidigen kann. Das Vorgehen Israels in dieser Situation kann man kritisieren. Aber man sollte vermeiden, Israel dabei zum Angreifer zu machen.

  • Guten Tag Jan Feddersen,



    ihre Analyse über protestierende Studierende und dass sie sich für zu wichtig halten bzw. Klassismus ausblenden finde ich sehr spannend.

    Ihre Analyse über die Mehrheit aller Migrant*innen, die laut Ihnen nichts anderes wollen als abends ruhig auf der Couch sitzen, verärgert mich jedoch. Woher nehmen sie diese Aussage?

    Die Migrant*innen die ich in Deutschland kenne, mich als zweite Generation mit eingeschlossen, wünschen sich weitaus mehr als das: wir wünschen uns ein Leben ohne Diskriminierung, Rassismus, Vorurteile. Und auch dass wir in Deutschland unsere demokratische Meinung frei äußern dürfen, ohne Verfolgung zu befürchten zu müssen. Dass israelische Freund*innen Anzeigen bekommen haben wegen das zeigen eines Schildes mit "stop the genocide" schockiert mich genauso wie die Schließung zweier Mädchenzentren in Berlin, weil eine Mitarbeiterin sich in ihrer Freizeit politisch betätigte.



    Da lässt es sich leider nicht ruhig auf der Couch sitzen, und jede Form demokratischer, menschenfreundlicher Solidarität wird gebraucht. Von mir aus auch von Studierenden.

    • @soya:

      Hätten ihre israelischen Freund*innen das Schild bei einer Demo gegen die Hamas verwendet, hätte es sogar gestimmt.



      Was mir zu denken gibt, dass es kaum Proteste von Migranten gegen eine Organisation, die einen Genozid explizit in ihrer Agenda hat, gibt.



      Dass Israel die Hamas hart bekämpft und viele Zivilisten Opfer werden stimmt, ist aber kein Genozid an den Palästinensern, oder?



      Apropos Diskriminierung, mir fehlten mehr Menschen mit Migrationshintergrund auf den Demos gegen die AFD.



      ps. Ich mag die Demokratie, die Vielfalt, die Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit in Deutschland und werde sie gegen jeden verteidigen, der sie meinen Mitbewohnern und mir nehmen möchte, aus welchen Gründen auch immer. Nie wieder!

  • "Warum fühlen sich abiturielle Menschen besonders berufen zu protestieren? Warum glaubt diese ohnehin privilegierte Schicht, qua Academia auf dem Weg in die gesellschaftliche und staatliche Elite, dass sie die Topchecker des Lebens sind? "

    Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die einfach zu viel Zeit haben.

    Oder dass die ehemals wissenschaftlichen Studiengänge zu Ausbildungen in Sachen Aktivismus umfunktioniert wurden. So gesehen ist der propalästinensische Mummenschanz vielleicht auch eine Art Praxissemester.

    Bedeutend erscheint mir aber auch, dass der Furor dann losbricht, wenn Israel im Spiel ist. Ich kann mich nicht an ein munteres Zeltlager erinnern, dass aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine aufgebaut worden wäre.

    Oder gegen die Schlächtereien im Sudan oder sonst wo.

    "No Jews, no News."

  • 'Der Fehler, wenn man so will, der Bewegung Fridays for Future war, einschließlich der inzwischen zwielichtig agierenden Greta Thunberg, die Klimastreiks buchstäblich exklusiv aus Gymnasien rekrutiert zu haben, nicht jedoch aus Berufsschulen – sie signalisierten: Ihr seid zu blöd, um unser hehres Anliegen zu begreifen.'

    Ja, ich erinnere mich genau, wie "die Bewegung Fridays for Future" damals an unser Gymnasium kam und dort Leute rekrutiert hat :). Wären sie doch auch mal zu Berufsschulen gegangen. Schade, wirklich.



    /i