Omas gegen rechts: Übersehene Feministinnen
Die Omas gegen rechts sind derzeit die größte Frauenbewegung auf der Straße. Zeit wird es, sie auch in die politischen Diskussionsrunden einzuladen.
S ie tragen bunte Mützen oder Regenschirme. In den Händen halten sie schlichte Schilder, Schwarz auf Weiß steht dort, wer sie sind: Omas gegen rechts. Auf einem Transparent der Omas gegen rechts in Köln stand auch einmal: „Alerta, alerta, Omas sind härter.“ Und die Omas sind wirklich hart – im Sinne von präsent und ausdauernd. Ist irgendwo eine Demo gegen die AfD – die Omas gegen rechts sind da. Ist Klimastreiktag – die Omas gegen rechts sind da. Ist große Solidaritätskundgebung für die Frauen im Iran – die Omas gegen rechts sind da.
2017 wurden die Omas gegen rechts von Monika Salzer in Österreich ins Leben gerufen – als Reaktion auf die rechtspopulistische Regierungskoalition unter Sebastian Kurz in Österreich. Sie setzten sich bunte Mützen auf, zum Teil auch Pussyhats, jene pinken Strickmützen, die US-Amerikaner*innen Anfang 2017 zum Amtsantritt von Donald Trump auf Demonstrationen einführten.
Als gegen Trump hunderttausende Frauen in allen möglichen Städten auf die Straße gingen, wurde immer wieder darüber gesprochen, ob dies der Beginn einer Revitalisierung der Frauenbewegung sei. Tatsächlich folgte im Herbst desselben Jahres die #metoo-Bewegung, die sich aber nie auf der Straße manifestierte. Stattdessen kamen die Omas und lange hat sie niemand richtig ernst genommen.
Für viele sind die Omas gegen rechts nur ein paar süße alte Damen, die noch mal ein bisschen politisch aktiv sein wollen. Dabei sind sie eine hochgradig politische Gruppe, die eine sehr starke und belastbare Organisationsstruktur hat. 2018 meldete Anna Ohnweiler, Mitgründerin der Initiative Omas gegen rechts in Deutschland, eine Facebookgruppe der Omas an. Mittlerweile, schätzt Ohnweiler, gibt es über 150 Regionalgruppen und etwa 30.000 Mitglieder in Deutschland.
Zum Vergleich: Die deutsche Frauenorganisation Terre des Femmes hat etwa 2.000 Mitglieder.
Alles andere als gebrechliche alte Damen
Im Sommer 2024 findet das erste Bundestreffen der Omas statt. Denn mittlerweile sind die Omas überall und die Bewegung wächst weiter. In Neubrandenburg will sich eine an die Omas angelehnte Gruppe gründen. Gerade erst entstand in Duisburg eine Gruppe, beim ersten Treffen sind laut Westdeutscher Allgemeinen Zeitung schon 60 Personen dabei gewesen. Ortsgruppen entstehen permanent – in Neustadt, Düren, Geislingen, Döbeln und weiteren Orten.
Oft klingt in Medienberichten über sie die schiere Faszination durch, mit der die Omas ja auch bewusst spielen: Diese alten Damen sind alles andere als hilfsbedürftige und gebrechliche Omas – sie sind stark genug, um unserer Demokratie auf die Beine zu helfen.
Das politische Ziel der Omas gegen rechts ist die Stärkung der Demokratie und des Rechtsstaats. Sie stehen auf gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Verschwörungsideologien und ein für Toleranz, Vielfalt der Kulturen – und für die Rechte von Frauen. Die Omas gegen rechts sind de facto die stärkste Frauenbewegung, die wir gerade haben.
Oder fällt Ihnen eine andere Gruppe in Deutschland ein, in der tausende Frauen sich zusammenschließen und jede Woche gegen Antifeminismus auf die Straße gehen?
Rassismus und Sexismus der AfD zusammen erkennen
Die schlauen Omas wissen, was eine AfD mit zu viel Macht anrichten kann. Sie wissen noch, dass „die guten alten Zeiten“ für Frauen eine weniger selbstbestimmte Zeit waren, vor allem im Westen. Wenn Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, sagt, die Zukunft hänge daran, „dass echte, mutige und gesunde Männer und Frauen viele Kinder haben“, hören weise Frauen die Glocken der staatlichen Geburtenpolitik schrill läuten.
Dass rechtsextreme Politik auch antifeministische Politik ist, haben die Omas gegen rechts längst verstanden: Unter der Rubrik „Materialien“ findet sich auf der Webseite der Omas gegen rechts ein PDF mit dem Titel „Wie frauenverachtend ist die AfD?“ Dort listen die Omas Zitate von AfD-Politikern. Etwa von Johannes Normann: „Ein Land, das jeden rein lässt, wird genauso ‚geachtet‘ wie eine Frau, die jeden ran lässt.“ Besser könnte man die Verbindung von Rassismus und Sexismus gar nicht textlich verdichten. Die Omas schreiben am Ende des Infoblattes: „Wir Omas gegen rechts werden nicht zulassen, dass die AfD den über hundertjährigen Kampf um Gleichberechtigung und Gleichstellung zerstört und ihr reaktionäres, frauenverachtendes Weltbild in unserer Gesellschaft umsetzt. Wir werden uns für die Rechte der Frau einsetzen – unterstützen Sie uns dabei!“
Die Omas gegen rechts sind feministisch. Ihr Antrieb ist glasklar der Rechtsruck in Deutschland – als dessen Ergebnis sich „ein aggressiver Anti-Feminismus rechtspopulistischer Färbung ausbreitet“. So steht es auf der Seite der Omas gegen rechts in Berlin. Die Gruppe dort hat eine eigene AG Feminismus, in der die Frauen sich etwa mit der Frage beschäftigen, wie sie die Theorie des Feminismus in praktisches Handeln umsetzen können. Dabei sind die Omas aber sehr inklusiv. Es dürfen auch Opas mitmachen und natürlich muss niemand biologische Enkel nachweisen, um Mitstreiter*in zu werden.
Stabiler politischer Kompass
Vor unser aller Augen hat sich in den vergangenen sechs Jahren die wohl größte Frauenbewegung der deutschen Gegenwart zusammengetan. Auf jeder Demonstration für die Demokratie trifft man heute die Omas gegen rechts an, sie sind nahezu unumgänglich.
Warum also werden sie eigentlich nicht zu Markus Lanz und Co eingeladen? Dort sitzen schließlich auch Klimaaktivist*innen und Landwirt*innen – aber eben noch keine Omas. Zeit wird es.
Die Omas haben einen stabilen politischen Kompass. Sie haben Ausdauer, Erfahrung, Zeit und Kraft. Die Omas sind die feministische Antwort auf den Rechtsruck – ladet sie ein!
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