Ökonom zur Schuldenbremse: „Bundesregierung schränkt sich ein“
Christian Lindners Berater begründe die Schuldenbremse mit einer falschen Methode, sagt der Ökonom Leonard Mühlenweg. Folge ist ein Ausgabenverzicht.
taz: Herr Mühlenweg, die Ampel-Koalition hat sich nach zähen Verhandlungen auf den Haushalt 2025 geeinigt. Das Ziel von Finanzminister Christian Lindner (FDP) war dabei stets, gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten und in die Zukunft zu investieren. Ist das überhaupt möglich?
ist Junior Economist beim Dezernat Zukunft. Der Thinktank hat das Ziel, Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik neu zu denken.
Leonard Mühlenweg: Die Bundesregierung schränkt sich mit der Schuldenbremse sehr stark ein. Am Ende musste sie auf Ausgaben verzichten. Da besteht die Gefahr, dass dies auch notwendige Investitionen trifft.
Lindners wichtigster ökonomischer Berater, Lars Feld, hat jüngst im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung eine Studie erstellt, derzufolge die Schuldenbremse sich nicht negativ auf die öffentlichen Investitionen ausgewirkt habe…
Bei dieser Studie bewegt sich Lars Feld methodisch auf sehr dünnem Eis. Die genutzte Synthetische Kontrollmethode ist so nicht geeignet, um zu zeigen, dass die Schuldenbremse keine Investitionsbremse ist. Gleichzeitig legen andere Studien nahe, dass strenge Schuldenregeln durchaus zu weniger öffentlichen Investitionen führen können.
Klimawissenschaftler*innen wenden in Attributionsstudien ähnliche Methoden an. Was ist daran falsch?
In anderen Fragestellungen ist die Methode sicherlich gut anwendbar. Gerade, wenn man sich größere volkswirtschaftliche Zusammenhänge anschaut, sollte man allerdings vorsichtig sein. Bei der von Lars Feld angewendeten Methode vergleicht man das tatsächliche Deutschland mit einem hypothetischen Deutschland ohne Schuldenbremse, welches aus anderen Ländern zusammengesetzt wird. Dabei hat man, wie bei jeder empirischen Methode, Annahmen, die erfüllt sein müssen. Dies ist bei der Studie von Feld allerdings ziemlich sicher nicht der Fall.
Warum?
Die Methode nimmt beispielsweise an, dass es sogenannte Spill-Over-Effekte nicht gibt. Dass es also keinerlei Auswirkungen auf andere Länder gibt, wenn Deutschland aufgrund der Schuldenbremse spart. Zudem haben auch Länder in der Kontrollgruppe im Beobachtungszeitraum Schuldenregeln eingeführt, was die Ergebnisse verzerrt. Das ist so, als würden Sie zwei Patienten vergleichen, die ungefähr das gleiche Medikament bekommen haben und überrascht feststellen, dass ihr Krankheitsverlauf recht ähnlich war. Man kann auf Basis dieser Studie daher nur schlecht sagen, welchen Effekt die Schuldenbremse tatsächlich auf die deutsche Investitionstätigkeit hatte.
In der Kontrollgruppe, also den Ländern, aus denen das hypothetische Deutschland gebastelt wurde, sind auch Italien und Spanien. Zwei Länder, die im Vergleich zu Deutschland stark unter der Eurokrise gelitten haben. Ist das nicht auch ein Problem der Studie?
Dieses Problem kommt hinzu. Lars Feld hat in seiner Studie die Strukturbrüche aufgrund der Eurokrise komplett vernachlässigt. Insbesondere bei Italien, das teilweise ein großes Gewicht bei der Modellierung seines hypothetischen Deutschlands hatte, geht er implizit davon aus, dass es sowohl vor als auch nach der Einführung der Schuldenbremse Deutschland sehr ähnelte, was unplausibel ist, da die beiden Länder sehr unterschiedliche von der Eurokrise getroffen wurden.
Wenn also die positiven Auswirkungen der derzeitigen Schuldenbremse fraglich sind und die negativen offensichtlich, wie würden Sie dann die Schuldenbremse reformieren?
Es gibt bereits viele gute Ideen, von der Anpassung der Konjunkturkomponente, über Ausnahmen für Investitionen, bis hin zu einem im Grundgesetz festgelegten Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Transformation. Doch letztlich geht es bei einer Reform auch um das politisch Machbare. Und dafür sind SPD und Grüne auch auf die Stimmen der Union angewiesen. Am Ende sollte man pragmatisch sein, denn viele der Optionen sind eine Verbesserung zum Status Quo.
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