Neuer Antrag im Bundestag: Gegen Judenhass im Bildungssystem
Nach der Antisemitismusresolution legt der Bundestag mit einem Antrag zu Judenhass an Unis nach. Neben Kritik gibt es dieses Mal auch deutliches Lob dafür.
Das Papier trägt den Titel „Antisemitismus und Israelfeindschaft an Schulen und Hochschulen entschieden entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“. Es kommt teils etwas vorsichtiger daher als die Antisemitismusresolution vergangene Woche.
So betont der Entwurf immer wieder: „Hochschulen sind offene Orte der Wissenschaft und des freien und kritischen Diskurses.“ Außerdem wird die positive Rolle herausgehoben, die Wissenschaft und Bildung im Kampf gegen Antisemitismus spielen können. Bund und Länder sollen demnach die Forschung zu Antisemitismus und jüdischer Gegenwart stärken. Alle Beamt*innen und insbesondere Lehrkräfte sollen sich zudem in ihrer Ausbildung mit diesen Themen auseinandersetzen. Und auch im Schulunterricht sollen die Themen öfter vorkommen.
Bei der Frage der staatlichen Förderung appelliert der Antrag an die Selbstkontrolle der Entscheidungsträger*innen in der Wissenschaft, denen eine „Schlüsselrolle“ zukomme. Es sei „Konsens, dass wissenschaftliche Exzellenz und Antisemitismus einander ausschließen“.
Mehr Härte gegen Antisemitismus an Unis
Allerdings lobt der Entwurf an anderer Stelle explizit den „Einsatz“ der inzwischen zurückgetretenen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gegen Antisemitismus. Stark-Watzinger war im Frühjahr fast darüber gestürzt, dass in ihrem Ministerium Pläne geprüft wurden, Wissenschaftler*innen die staatliche Finanzierung abzudrehen, weil sie propalästinensische Proteste verteidigt hatten.
Und der Antrag betont auch, Bund und Länder müssten dafür sorgen, dass die Unis gegen antisemitische Vorfälle hart vorgehen können. „Dazu gehören die konsequente Anwendung des Hausrechts, der temporäre Ausschluss vom Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen.“ Bund und Länder sollen zudem einen „strukturierten Dialog“ zwischen Unis und Sicherheitsbehörden anstoßen. Erst danach werden Informations- und Beratungsangebote für Betroffene gefordert.
Schließlich findet sich im Entwurf auch erneut eine Bekräftigung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Die ist umstritten, weil sie Antisemitismus sehr weit fasst. Kritiker*innen bemängeln, so werde auch eigentlich legitime Kritik an Israels Politik zu Antisemitismus erklärt.
„Problematische Eingriffe in Forschung“
Rund zwei Dutzend Professor*innen kritisieren den Antrag in einer Stellungnahme dann auch scharf. Sie begrüßen zwar das Ziel, antisemitische Diskriminierung und Gewalt an Unis und Schulen zu verhindern. Gleichzeitig warnen sie aber vor einer „Reihe von problematischen Eingriffen in Forschung, Lehre sowie universitäres und schulisches Leben.“ Kritisiert wird etwa, dass Antisemitismus im Antrag isoliert betrachtet werde und antimuslimischer Rassismus ignoriert werde. Dabei bestehe eine „komplexe Verschränkung“ zwischen beiden Entwicklungen.
Der Antrag erkenne zudem nicht an, dass die Grenze zwischen Antisemitismus und legitimer Kritik an Israel umstritten sei. Der Ansatz, Judenhass vor allem durch Repression zu bekämpfen, sei falsch. Und der zunehmend verengte Diskursraum drohe, Lerneffekte im Unterricht und Lehrveranstaltungen unmöglich zu machen. Auch müsse die Vergabe von Fördermitteln weiter von politischer Einflussnahme frei bleiben.
Auch Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien Potsdam, hat die Stellungnahme unterzeichnet. Sie sagte der taz: „Es wird die Chance verpasst, Minderheitenschutz integrativ anzugehen.“ Und beklagt: „Stattdessen stehen alle Signale auf Repression.“
Rürüp fürchtet, der Antrag könne wissenschaftlichen Ausstausch unmöglich zu machen, weil dann auch legitime Kritik an Israels Regierung zum Ausschlusskriterium würde. „Eventuell wäre es dann nicht einmal mehr möglich, Wissenschaftler wie meinen engen Kollegen Gadi Algazi von der Uni Tel Aviv einzuladen“, so Rürup, „nur weil er die besatzungskritische israelisch-palästinensische Gruppe Taayush gegründet hat und sich auch für andere von der Netanjahu-Regierung inkriminierte zivilgesellschaftliche Organisationen einsetzt.“
„Nachhaltige Strategie gegen Judenhass“
Hanna Veiler, Präsidentin der jüdischen Studierendenunion, nennt den Antrag im Gespräch mit der taz dagegen einen „wichtigen Schritt, um langfristig sachlichere Diskurse zu ermöglichen und antisemitischen Narrativen entgegenzutreten.“ Sie sagte weiter: „Gerade in Zeiten, in denen Desinformation immer einfacher zugänglich ist und weitläufig zirkuliert, ist die Beschäftigung mit der komplexen Geschichte Israels dringend notwendig.“
Auch die Grünen-Abgeordnete Marlene Schönberger betont im Gespräch mit der taz, dass der Antrag auf eine nachhaltige Strategie gegen Judenhass abziele. „Bildungsarbeit ist unabdingbar im Kampf gegen Antisemitismus“, sagt sie. Gesetze, die bei antisemitischen Vorfällen greifen könnten, würden oft nicht umgesetzt, deshalb müssten Polizist*innen und Jurist*innen besser über Antisemitismus informiert werden.
Schönberger sei es wichtig, sich an „die Seite der jüdischen Lernenden und Lehrenden“ zu stellen. Sie grenzt den Antrag auch gegen restriktivere Vorschläge ab. „Wer immer nur schärfere Gesetze fordert und Asyl- und Migrationsrechte einschränken will, instrumentalisiert die Aufmerksamkeit für den Antisemitismus zu anderen Zwecken.“
Nikolas Lelle von der Amadeo-Antonio-Stiftung sagt: „Den Impuls finde ich richtig.“ Die Lage an den deutschen Schulen und Unis sei „desaströs“: Juden*Jüdinnen seien Angriffen und Diskriminierung ausgesetzt, genauso wie diejnigen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen. Allerdings: Die Forderung nach mehr Koordination zwischen Universitäten und Sicherheitsbehörden bereite ihm ebenfalls „Unbehagen“, so Lelle. „Aber ich versteh, woher die Forderung kommt.“
Anstieg von Antisemitismus
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die Zahl antisemitischer Vorfälle auch in Deutschland dramatisch angestiegen. Auch an den Universitäten gab es immer wieder Angriffe. So verletzte etwa Anfang 2024 ein Student in Berlin einen jüdischen Kommilitonen schwer. Jüdische Studierende berichteten schon zuvor von einem Klima der Angst und Einschüchterung.
Bei propalästinensischen Protesten, die es an vielen Unis gab, tauchten Hamas-Symbole auf, teils skandierten die Demonstrierenden antisemitische Parolen. An manchen Orten gingen die Unileitungen gegen die Protestveranstaltungen vor und ließen sie räumen, andernorts durften die Demonstrant*innen gewähren.
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