Neue SPD-Kampagne: Endlich Wahlkampf
Der Wahlkampf wirkt noch diffus und matt. CDU-Kandidat Armin Laschet lächelt Streit am liebsten weg. Gut, dass die SPD endlich klare Kante zeigt.
D er Wahlkampf ist bislang seltsam unscharf. Hitzig wurde es bislang nur bei Kleinigkeiten, Annalena Baerbocks Fehltritten und dem verunglückten Lacher des immer etwas tolpatschig wirkenden Armin Laschet. Ansonsten liegt alles im Nebel. Die Konfrontationslinien wirken diffus. Ein Lagerwahlkampf links gegen rechts ist mangels linkem Lager nicht in Sicht. Die Grünen sind geradezu auf die Idee fixiert, endlich mit der Union zu regieren. Und die Linkspartei sucht noch den Weg zur Bühne.
Dieser Wahlkampf ist schon deshalb anders, weil die Kanzlerin nicht mehr antritt. Das sorgt für eine Unübersichtlichkeit, die in unserer aufgeräumten Parteienlandschaft irritiert. So hätten die meisten WählerInnen gern Olaf Scholz als Kanzler, dessen Partei in Umfragen aber nur knapp vor der FDP liegt. Laschet, der die größte Chance hat, Merkel zu beerben, halten sie für eher ungeeignet.
So eine Konstellation gab es seit 1949 noch nie – nichts ist wie gewohnt. Sogar auf die Rollenverteilung von Opposition und Regierung ist kein Verlass. Die Grünen vermeiden schon seit Monaten Angriffe auf die Union. Die treue Regierungspartei SPD hingegen will nun im Wahlkampf aus allen Rohren auf die Union feuern. Wer Laschet wähle, mache „Reiche reicher und Arme ärmer“, so ein SPD-Clip. Wenn man SPD-Mann Lars Klingbeil zuhört, scheinen in der nächsten Unionsregierung Friedrich Merz, Hans-Georg Maaßen und Andreas Scheuer die Geschäfte zu führen.
Ist das glaubwürdig? Regiert die SPD nicht seit acht Jahren friedlich an der Seite der Union? Doch, durchaus. Deshalb ist dieser konfrontative Kurs auch riskant. Die SPD streift damit das negative campaigning, das in der gemütlichen, auf Konsens geeichten politischen Kultur hierzulande keinen guten Ruf hat. Solche Attacken werden hierzulande schnell zum Bumerang. Zudem versucht die SPD schon auf der Regierungsbank im Stil einer Oppositionspartei, Unions-Minister wie Jens Spahn aufs Korn zu nehmen. Erfolglos.
SPD jetzt fokussierter
Und doch muss man der SPD erst mal dankbar sein. Sie versucht in dem konturlosen Wahlkampf, zumindest Kontroversen zu markieren. Die SPD-Kampagne wirkt fokussierter als 2013, als die Partei ausgerechnet den Slogan einer Zeitarbeitsfirma („Das Wir entscheidet“) zu ihrem Motto machte. Und als 2017, als sie nicht wagte, Merkel anzugreifen.
Die Chance, dass nun doch über Mindestlohn und Klimaschutz, Rente und Coronaschulden gestritten wird, ist größer, wenn die SPD angreift. Denn Laschet will den Streit gerne weglächeln und aussitzen. Ob die aggressive Taktik der SPD am Ende hilft, ist schwer zu sagen. Dem Wahlkampf wird sie nutzen. Das ist gut so.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs