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Neue Klima-SonderberauftragteEine exzellente Wahl

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Ex-Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan ist genau die Richtige: Sie weiß, wie dringend Klimaschutz ist. Und wie man dafür breite Bündnisse schafft.

Morgan und Baerbock während einer Pressekonferenz am Mittwoch Foto: John Macdougall/dpa

I st das jetzt ein Personal-Coup oder ein Fall von krassem Lobbyismus? Die neue deutsche Klimabeauftragte ­Jennifer Morgan, die von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock berufen wurde, hat die letzten Jahre als Chefin von Greenpeace International gearbeitet. Das führt zu Fragen: Darf die das? Und: Muss es ausgerechnet Greenpeace sein?

Greenpeace ist wie jede andere Umweltgruppe eine Interessengruppe. In jeder Regierung arbeiten Menschen, die ihre Expertise bei Interessengruppen erworben haben: in Wirtschafts- oder Sozialverbänden, bei Unternehmensberatungen und Konzernen, Umwelt- oder Menschenrechtsgruppen. Daran ist nichts verkehrt, wenn sie in der Politik die Interessen der Allgemeinheit im Auge haben und nicht nur ihrer Klientel – was übrigens genauso für ParteipolitikerInnen gilt. Und beim „Lobbyismus“ gibt es einen Unterschied zwischen Menschen, die sich für besseren sozialen Schutz, Menschenrechte oder die Umwelt einsetzen und denen, die nur das Bankkonto ihrer Auftraggeber im Auge haben.

Greenpeace ist dafür bekannt geworden, mit spektakulären Aktionen auch mal die Gesetze zu brechen. Wer das als Grund gegen Morgan anführt, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Greenpeace ist inzwischen ein internationaler Öko-Multi. Die Mitarbeitenden beraten informell Regierungen, schreiben exzellente Gutachten, arbeiten mit der Industrie an neuen Produkten. Die Rolle des kompromisslosen Widerstands hat die neue Generation, etwa Extinction Rebellion übernommen.

Jennifer Morgan ist eine exzellente Wahl. Sie weiß, wie dringend gehandelt werden muss, und steht gleichzeitig für die Suche nach gemeinsamen Lösungen. Sie kann die deutsche Klimapolitik wieder nach vorn bringen und wichtige Bündnisse anstoßen. Genau das ist es, was die Klimapolitik weltweit dringend braucht: ein breites Bündnis von Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, um die Kurve Richtung 1,5 Grad zu schaffen. Eine riesige Aufgabe. Man kann der neuen Klimabotschafterin – und uns allen – dabei nur viel Erfolg wünschen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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13 Kommentare

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  • Lobbyismus kann man nur anhand persönlicher Interessen in gut in schlecht unterteilen.



    Insofern hat jede Person, die aus einer Lobby in ein staatliches Amt wechselt, das Recht nur an der Leistung im Amt zum Nutzen der Gesellschaft bewertet zu werden.



    Gilt hier sowie in anderen Fällen.

  • Das erste mal, dass ich so eine Art Aufbruchsstimmung für die Klimapolitik spüre. Ich finde das war eine sehr gute Entscheidung.

  • Wider die deutsche Nörgelei: Chapeau zu dieser Entscheidung!

  • Die Einbeziehung einer Greenpeace-Aktivistin ändert ja auch nichts daran, dass sich die grüne Blase als Konsequenz der Mahnungen von Greenpeace, FFF und SFF eine goldene Nase verdient, indem sie experimentiert mit bürgerlicher, hochdotierter 'Politik' und dabei doch eher Greenwashing betreibt. Wenn man so schon die Menschen hierzulande enttäuscht, wie will jemand da glaubwürdig nach aussen und nicht hochnäsig Klimapolitik betreiben ? Wir haben auch deshalb die bisher schwächste Bundesregierung, weil diese Politiker die Sorgen und Nöte außerhalb der Blase nicht verstehen. Hartz 4 und lächerliche Grundrente, Überheblichkeit gegenmüber Menschen, die sich nur von LIDL-Fraß ernähren können. Den Leuten das Auto wegnehmen wollen, ohne einen einigermassen akzeptablen ÖPNV anzubieten (außer natürlich, wo es nicht anders geht, weil Autos keinen Plkatz mehr haben = reine Notlösungen).Und sich dann wundern, wenn sich -auch ehemalige Grün-Wähler- abwenden von solchen arroganten Schlauschnackern in gut bezahlten Jobs. Eigentlich ist Greenpeace ja dadurch aufgefallen, kreative Ideen zu entwickeln, die markante Nadelstiche setzen, ohne den erhobenen Zeigefinger. Mal sehen, wie lange das gut geht, Fridays for Future hat die grüne Blase ja auch schon aufgegeben.

    • @Dietmar Rauter:

      Wenn denn so viele so besorgt um die soziale Frage sind, warum wählten sie dann nicht Die Linke? Denn die hat zumindest Sozial- UND - Klimapolitik im Programm und doch kam sie nur auf 4,9 % und wäre ohne die drei Direktmandate eigentlich sogar draußen ...

    • @Dietmar Rauter:

      Wenn Sie ernsthaft glauben, dass man in dieser Branche "eine goldene Nase" verdienen kann, dann können Sie gern mal ein paar Tage mit mir arbeiten. Jetzt ist die Jahreszeit zum Entkusseln. Blasenpflaster und wetterfeste Kleidung bringen Sie bitte selber mit.

  • Naja, es stellt sich doch jetzt auch die Frage, warum haben wir eigentlich die Grünen gewählt?



    Wenn die einen Wachhund fürs eigene Programm einstellen.



    Oder müssen sie es?

  • Wenn CDU, Teile der FDP und viele andere mit den Hufen scharren und Giftpfeile verschicken, hat Annalena Bearbock vieles richtig gemacht. Frau Morgan ist zu wünschen, dass sie mit ihrer Kompetenz sehr viele überzeugt, und dass sie gleichwohl nicht im politischen Alltagsgeschäft verheizt wird. In diesem Sinne: alles Gute Frau Morgan.

  • Irgendwie spricht keiner darüber, dass sie für internationalen Klimaschutz zuständig sein soll.

    Wobei genau das die wirkliche Herausforderung ist, denn allein macht das Klima uns ein.

    Sie wäre aber klug, wenn sie sich aus allen innenpolitischen Fragen raushalten würde, oder sie zumindest nur im internationalen Kontext kommentieren würde. Aber dafür wird sie wahrscheinlich eh zu viel zu viel zu tun haben...

    Harte Arbeit das ist. Dicke Bretter langsam bohren.

  • "Und beim „Lobbyismus“ gibt es einen Unterschied zwischen Menschen, die sich für besseren sozialen Schutz, Menschenrechte oder die Umwelt einsetzen und denen, die nur das Bankkonto ihrer Auftraggeber im Auge haben" - nu, Arbeitsplätze, Stromversorgungssicherheit, Gesundheitsversorgung, Lebensmittelpreise, ... die Liste is lang, von Lobby-Themen, die sicher-auch-aber-eben-nicht-nur "das Bankkonto ihrer Auftraggeber" im Blick haben.

  • Liggers & das Fotto: auch ne feine Wahl! - 🙀 -



    Danke.

  • Die Personalie scheint durchaus streitbar zu sein. Zu behaupten, Greenpeace sei besser als andere Lobbygruppen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Gruppe scheint weniger fixiert zu sein auf Geld - wobei auch Greenpeace nicht von Luft und Liebe lebt. Sie ist aber fixiert auf Ideologie und scheint diesbezüglich auch Menschenleben zu gefährden.



    Hierzu gibt es einen interessanten Meinungsartikel von Herrn Bojanowski ("Die Kraft, die angeblich Gutes will, aber Böses schafft", Welt). Leider ist dieser Artikel hinter einer Paywall, sodass ich ein Beispiele hier (verkürzt) aufführen möchte.

    Herr Bojanowski spricht u.a. den "goldenen Reis" an, welcher durch seinen Vitamin A-Zusatz viele Menschenleben retten könnte - insb. Kinderleben. Auf Grund der Züchtung (Gentechnik), bekämpft Greenpeace die Einführung. Besonders interessant ist dies vor dem Hintergrund, dass in 2016 158 Nobelpreisträger/innen eine Aufforderung unterschrieben, dass Greenpeace ihren Widerstand aufgeben soll. Ich dachte immer: "Hört auf die Wissenschaft"?!



    Des Weiteren stört mich, dass die westliche Welt ihre Haltung bezüglich Gentechnik sehr flexibel auszulegen scheint. Wenn das eigene bisschen Leben auf dem Spiel steht, lassen wir uns gerne mit einem mRNA-Impfstoff spritzen, welcher innerhalb von wenigen Monaten entwickelt wurde?!

    • @Schildbürger:

      Tja, wer frei von Ideologie ist, der werfe den ersten Stein!



      Ein wichtiger Punkt gegen Gentechnik ist, dass diese noch mehr dazu führt, dass Bäuer*innen von Konzernen abhängig gemacht werden, da sie Saatgut nicht nach Verwendung von Gentechniksaat selbst gewinnen können sondern für jeden Anbau kaufen müssen.



      Vitamin A kommt auch in pflanzlichen Quellen vor - bei Karotten zum Beispiel.



      Problematischer ist der große Flächenverbrauch durch gigantische Tierproduktion, ausgelagerte Luxus/Nahrungsmittelproduktion in ärmere Länder und Umverteilung zum Nachtteil der Ärmeren. Ansonsten ist Nahrungsmittelverschwendung problematisch. Darauf weisen aktuell ja Klimaaktivist*innen hin ...