Nazis finden Zuspruch in Irland: Die Grüne Insel wird brauner
In der Republik Irland profitieren Nazi-Gruppen von der horrenden Wohnungsnot. Mehr Flüchtlinge kommen an, das Mietrecht wurde ausgehöhlt.
Das liegt vor allem an den exorbitanten Mieten. Wer in Dublin eine Wohnung mit 50 Quadratmetern für 2.000 Euro im Monat ergattert, hat ein Schnäppchen gemacht. Mieterschutz gibt es nicht. Am 1. April wurde das Verbot der Zwangsräumungen, das im Zuge der Pandemie verhängt worden war, aufgehoben.
Mieter können nun auf die Straße gesetzt werden, auch wenn sie ihre Miete pünktlich bezahlt und auch sonst keinen Kündigungsgrund geliefert haben. Viele Vermieter machten gleich am ersten Tag Gebrauch davon, warfen ihre Mieter hinaus – und annoncierten die Wohnungen auf Airbnb.
Die Aufhebung des Räumungsverbots ist im Interesse zahlreicher Politiker: Fast ein Drittel aller Abgeordneter besitzt Immobilien.
Mehrheit der Iren gegen weitere Flüchtlingsaufnahme
Rechtsextremisten versuchen, das auszunutzen. Ihre früheren Eckpfeiler, der militante Katholizismus und die Kampagne für einen „Irexit“ analog zum Brexit, sind weggebröckelt. So muss nun die Wohnungsnot herhalten, an der angeblich die Flüchtlinge schuld sind.
Voriges Jahr kamen in die Republik Irland mit ihren fünf Millionen Einwohnern 13.300 Flüchtende, dazu mehr als 70.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Laut einer Umfrage von „Ireland Thinks“ findet mehr als die Hälfte der Befragten, dass Irland zu viele Menschen aufnehme. Viele verstehen nicht, dass rund ein Drittel der Asylbewerber aus Georgien und Albanien stammt, obwohl das ja „sichere Länder“ seien.
Reichsbürger und Abtreibungsgegner
Rechtsextreme Organisationen und Parteien, die lange Zeit vor sich hindümpelten, tauschen sich jetzt regelmäßig mit ausländischen Gleichgesinnten aus. Auf Veranstaltungen der Irish Freedom Party sprach zum Beispiel Birgit Malsack-Winkemann, die ehemalige AfD-Abgeordnete, die inzwischen wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem Umsturzversuch der Reichsbürgerszene in Untersuchungshaft sitzt. Die Partei hat auch Kontakte zur Nazi-Szene in England und in den USA.
Die neuesten Mitglieder im rechtsextremen Reigen sind Ireland First, die vor Kurzem die notwendigen 300 Unterschriften für die Registrierung als Partei zusammenbekam, sowie Síol na hÉireann, der „Stamm von Irland“. Deren Chef Niall McConnel zeigt sich häufig mit den britischen Nazis Jim Dowson and Nick Griffin, die bei der British National Party und ähnlichen Organisationen mitmischen.
Auch Justin Barrett, Chef der Irish National Party, tritt mit Nazis auf dem europäischen Festland auf und zitiert auf Telegram gerne Adolf Hitler.
Die Organisationen „tauschen Informationen aus und lernen voneinander, wie man Angst und Wut schürt“, sagt das „Hope and Courage Collective“, das die Aktivitäten solcher Gruppen seit 2019 verfolgt. Koordinatorin Niamh McDonald sagt, das Muster sei stets dasselbe: „Es sind immer Leute von außerhalb der Gemeinden, die sehr schnell über die sozialen Medien mobilisieren können.“
„Brennt ihre Unterkünfte nieder“
Das funktioniert offenbar. So zogen neulich junge Iren mit Hunden und Baseballschlägern zum Tolka-Fluss in Dublin und griffen acht Männer an, die dort in Zelten wohnten. Das waren keineswegs Flüchtlinge, schon gar nicht illegale Zuwanderer, sondern Männer aus den EU-Ländern Polen, Ungarn, Portugal, Kroatien, die sich die Mieten in der irischen Hauptstadt nicht mehr leisten konnten.
Ein paar Tage später ging eine ehemalige Schule in Dublin in Flammen auf, weil sie fälschlicherweise als Flüchtlingsunterkunft in den sozialen Medien identifiziert worden war. Auch auf dem Land wurden Asylbewerberunterkünfte und das Auto eines Politikers abgefackelt.
Die Reden auf den rechten Demos werden radikaler. Im Nord-Dubliner Stadtteil Finglas sagte ein Redner unter dem Jubel der Menge: „Es gibt nur eine Möglichkeit, um mit diesen verdammten Fotzen umzugehen: Brennt ihre Unterkünfte nieder und vertreibt sie.“
Es formiert sich auch Widerstand. Immer wieder demonstrieren Tausende gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sowie gegen die Untätigkeit der Regierung, die viel zu wenig gegen die sozialen Probleme unternimmt.
Die Lage wird nicht einfacher, denn nach wie vor kommen täglich fast 200 Menschen aus der Ukraine, die irgendwo untergebracht werden müssen.
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