Nationale Sicherheitsstrategie: Einigkeit nach zähen Verhandlungen
Ein Bekenntnis zu klaren Verteidigungsausgaben und "Außenpolitik aus einem Guss". Das Kabinett stellt die Nationale Sicherheitsstrategie vor.
Eigentlich hätte das Papier bereits zur Münchner Sicherheitskonferenz im Februar präsentiert werden sollen, dann war rund um Ostern der angepeilte Termin, jetzt ist es Frühsommer geworden. Aber die ressortübergreifende Formulierung, noch dazu erstmals in dieser Koalition, hat offenbar gedauert. „Sicherheit ist Teamaufgabe“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid. „Dass Außenpolitik aus einem Guss kommt“, nennt er einen „enormen Erfolg.“
Im Kern geht es um einen sogenannten vernetzten Sicherheitsbegriff. Darum, Sicherheit nicht nur als militärische Verteidigung zu begreifen, sondern Sicherheitsfragen größer zu betrachten. Bedrohungen für die Versorgungslage, für die globale Gesundheit, die Folgen der Klimakrise gehören dazu, Entwicklungszusammenarbeit oder der Schutz kritischer Infrastruktur soll mitgedacht werden. Und es geht um die außenpolitische Haltung der Bundesregierung zu den USA oder Israel, zu Russland und China. All das soll nun auf rund 50 Seiten aufgeschrieben sein.
Zäh war aber offenbar auch die Diskussion um einen ständigen Nationalen Sicherheitsrat. Wohin gehört ein solches Gremium? Und braucht es überhaupt einen weiteren Apparat, um die Außen- und Sicherheitpolitik zu koordinieren? Ein solches Gremium wird es nun nicht geben, da insbesondere wohl das Außenministerium nicht hinnehmen wollte, dass ein solcher Rat dann im Kanzleramt angesiedelt worden wäre.
Auch die Länder sollten recht früh in die Absprachen zu Sicherheitsstrategie eingebunden werden. Schließlich fallen Katastrophenschutz, Cyberabwehr und der Schutz kritischer Infrastruktur hauptsächlich in ihren Bereich. Dass die Länder sich nicht immer einbezogen fühlten, wird auf der bis Freitag andauernden Innenministerkonferenz sicher zur Sprache kommen. Auch dort soll die Nationale Sicherheitsstrategie präsentiert werden. Schon jetzt ist aber klar, dass vom Bund finanzielle Zusagen eingefordert werden, um die Aufgaben, die sich aus der Strategie ergeben, überhaupt nur annähernd zu bewerkstelligen.
Traute Einigkeit in Sicherheitsfragen?
An diesem Mittwoch hat aber zunächst Bundeskanzler Olaf Scholz das Wort. Er wird gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner das Papier vorstellen. Mit dabei sind zudem Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verteidigungsminister Boris Pistorius. Das soll traute Einigkeit in Sicherheitsfragen zeigen, aber auch demonstrieren, wo eines der wichtigsten Themen dieser Tage angesiedelt ist: im Kanzleramt. Im Koalitionsvertrag war bereits verankert, dass es erstmals eine solche Nationale Sicherheitsstrategie geben soll.
Zu dem Zeitpunkt war allerdings noch nicht klar, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine Sicherheitsfragen auch in Deutschland in ganz anderem Licht erscheinen lassen wird. Und so soll die „Zeitenwende“ bei allen Aspekten durchscheinen. Einige Textpassagen werden insbesondere im Ausland wohl sehr aufmerksam gelesen werden. Hat der Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 doch vor allem bei SPD und Grünen dafür gesorgt, ihre Haltung zu Russland oder zum Thema Waffenlieferungen und Verteidigung zu überdenken.
„Der russische Angriffskrieg und autokratische Tendenzen in anderen Teilen der Welt erfordern, dass wir uns nach außen robuster aufstellen“, sagt SPD-Außenpolitiker Schmid. Gemeint ist damit nicht nur Russland, sondern vor allem auch China. Viel beschworen wird hier der Dreiklang aus Partnerschaft, Wettbewerb und Rivalität. Allzu detailiert wird das Kapitel zu China in der Sicherheitsstrategie aber nicht werden, sondern allenfalls eine Richtung vorgeben. Denn noch in diesem Jahr soll es seitens der Bundesregierung eine eigene China-Strategie geben.
Deutschland ist derzeit zweitgrößter Waffenlieferant an die Ukraine – nach den USA. In Europa will die Bundesregierung in der Sicherheitspolitik eine zentrale Rolle einnehmen. Um bei diesem Vorhaben glaubwürdig zu bleiben, soll es ein starkes Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel der Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben geben.
Zu wenig Geld für Entwicklungszusammenarbeit
Entwicklungsorganisationen sehen diesen Fokus enorm kritisch. Vergeblich suche man nach einem Bekenntnis zu dem internationalen Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, sagt Stephan Exo-Kreischer, Direktor und Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation ONE Deutschland. „Klimawandel, Staatsverschuldung und Hunger beeinträchtigen die Stabilität vieler Länder im Globalen Süden. Die Klimakatastrophe wütet in den Ländern Afrikas mit bereits jetzt verheerenden Folgen für tausende Menschen. Gleichzeitig wird eine nachhaltige menschliche Sicherheit wie Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung vernachlässigt.“
So könne man weder diese komplexen Probleme angehen oder gar lösen noch die notwendige Stabilität herstellen.
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