Nahost-Konflikt: Gaza nur im Nebensatz
Die Entwicklungen im Gazastreifen bieten Grund für immer größere Sorge. Trotzdem bleibt die Kritik oft zu zaghaft und bislang ohne konkrete Folgen.

K arim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), dürfte mit Blick auf Deutschlands Regierung nur den Kopf schütteln. Erst versichert Bundeskanzler Friedrich Merz, dass der israelische Präsident Benjamin Netanjahu nichts zu befürchten habe, wenn er zu einem Abstecher nach Berlin kommen wolle. Dann fährt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Jerusalem, um Netanjahu, gegen den der IStGH auf Khans Antrag hin im November einen Haftbefehl verhängt hatte, die Hand zu reichen.
Während Deutschland und Israel dieser Tage freudig die seit 60 Jahren bestehenden diplomatischen Beziehungen feiern und während Steinmeier lediglich behutsam zu bedenken gibt, dass „das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben vertieft“, findet US-Präsident Donald Trump deutlichere Worte: „Macht mit diesem brutalen Krieg Schluss.“ Auch der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, sieht keinen Sinn mehr darin, die israelischen Kämpfe im Gazastreifen fortzusetzen.
Unfassbar, dass Netanjahu seinen Krieg trotzdem fortsetzt, dass er ihn fortsetzen kann. Noch im Januar gelang es Trump unmittelbar vor seinem Amtsantritt, einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu erzwingen. Auch wenn die Ruhe nicht lange anhielt, so schien der künftige US-Präsident doch erheblich größeren Einfluss auf Benjamin Netanjahu zu genießen als sein Vorgänger Joe Biden oder gar kritische Stimmen aus Europa.

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Dass Trump bei seiner aktuellen Nahost-Reise Jerusalem demonstrativ ausspart, lässt auf den Unmut des US-Präsidenten gegenüber Israels Regierungschef schließen. Vorerst treibt Trump seine eigenen Interessen voran: einen Waffenstillstand mit den jemenitischen Huthis, die Befreiung der letzten US-amerikanischen Geisel aus den Händen der Hamas und natürlich das ein oder andere lukrative Geschäft mit dem ein oder anderen Golfstaat. Den Menschen im Gazastreifen kann man nur wünschen, dass der Krieg im Nahen Osten bei den Treffen Trumps nicht gänzlich unter den Tisch fällt.
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