Nach rassistischem Anschlag in Hanau: Ton gegen die AfD wird schärfer
Waffenrecht einschränken, Krisenstab einrichten, AfDler raus aus dem Staatsdienst: Politiker reden über Folgen. Erneut demonstrieren Tausende gegen rechten Terror.
Insbesondere Bundesinnenminister Horst Seehofer ist gegenüber den Medien mit Überlegungen zu einer weiteren Einschränkung des Waffenrechts vorgeprescht. „Wenn die Ermittlungen hier ergeben, dass wir früher hätten eingreifen müssen, was den Waffenschein betrifft, dann müssen wir das ändern“, sagte der CSU-Politiker der Bild. „Wir brauchen dann ein medizinisches Gutachten oder eine ärztliche Bestätigung, dass da alles in Ordnung ist und die Verwirrung oder die Krankheit einer Person nicht zur Gefahr für die Allgemeinheit wird.“ Anderenfalls müsse die persönliche Eignung für eine Waffe zurückgezogen werden.
Erst im Dezember hatte der Bundestag eine Verschärfung des Waffenrechts beschlossen und damit eine EU-Richtlinie umgesetzt. Danach soll regelmäßig überprüft werden, warum jemand eine Waffe braucht. Zudem soll es immer eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben, wenn die Behörden die persönliche Eignung eines Antragstellers prüfen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will evaluieren, ob diese Verschärfungen im Waffenrecht auch konsequent umgesetzt werden. Es müsse festgestellt werden, ob die Behörden, die über die Zuverlässigkeit entscheiden, die nötigen Informationen auch bekommen.
Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter als Seehofer und fordern, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf – bisher sei es Sportschützen möglich, sowohl Waffen als auch Munition zu Hause zu lagern.
„Sofortmaßnahmen für eine sichere Gesellschaft“
Diese Forderung ist auch Teil eines schnellen Aktionsplans, auf den die Grünen-Fraktion im Bundestag drängt. „Der Rechtsextremismus in Deutschland ist völlig enthemmt“, schreiben die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie die Innen- und Integrationsexperten in einem Papier, in dem „Sofortmaßnahmen für eine sichere Gesellschaft“ formuliert werden.
Göring-Eckardt und Hofreiter wollen, dass die Bundesregierung einen Krisenstab mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft einrichtet. Notwendig sei aus ihrer Sicht zudem ein Beauftragter gegen Rassismus, eine „verlässliche und dauerhafte Demokratieförderung“ und finanzielle Unterstützung für den Schutz besonders gefährdeter Einrichtungen wie Moscheen und Synagogen.
Härter wird auch die Haltung der Grünen gegenüber der AfD. Co-Chef Robert Habeck sagte der Passauer Neuen Presse, die gesamte AfD solle als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Zuvor hatte das schon SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gefordert.
Habeck begründete den Wunsch nach Beobachtung der AfD damit, dass die Partei Rassismus schüre und Rechtsextremismus Vorschub leiste. Die Relativierungen und Verharmlosungen der Morde von Hanau durch AfD-Politiker seien unerträglich.
Auch der Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, Ralf Stegner, findet deutliche Worte: „AfD-Funktionäre haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, sagte er dem Handelsblatt. Wer der Partei angehöre, identifiziere sich mit einer völkischen, nationalistischen, rechtsextremen Politik, die mit ihrer rassistischen Hetze „maßgebliche Mitverantwortung für den Rechtsterrorismus in Deutschland“ trage. „Mit dieser demokratiefeindlichen Grundhaltung kann man nicht gleichzeitig im öffentlichen Dienst und damit in einem besonderen Treue- und Loyalitätsverhältnis für einen Staat tätig sein, zu dessen Grundwerten die Menschenwürde, Meinungs- und Religionsfreiheit, Pressefreiheit und das Gleichheitsgebot, Rechtsstaatsgebot und das Gewaltmonopol des Staates gehören.“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg sagte ebenfalls dem Handelsblatt, gerade vom öffentlichen Dienst erwarte man ein klares Bekenntnis zur Demokratie hierzulande. Ein Mitschwimmen bei der AfD gehe da seiner Meinung nach nicht.
Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. „Man kann nicht im Öffentlichen Dienst sein und gleichzeitig die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen.“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte gegenüber dem Blatt, in der AfD seien auch Menschen, die 30 Jahre in der CDU waren. Das seien nicht plötzlich alle Nazis. „Aber gerade diese Mitglieder sollten erkennen: Das Problem ist, dass die AfD keine Grenze zieht. Sie ist offen ins Rechtsextreme“, sagte er.
30.000 für die nächsten Angehörigen
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, sagte zu, dass die engsten Angehörigen der Opfer der Gewalttat von Hanau innerhalb von zwei Wochen eine Soforthilfe erhalten werden. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland äußerte Funke: „Für Ehepartner, Kinder und Eltern von Getöteten sind das 30.000 Euro, für Geschwister 15.000 Euro.“ Das könne das schreckliche Leid des Verlusts der eigenen Eltern oder Kinder nicht lindern. „Aber zumindest ist es eine Hilfe für die nötigsten Dinge, die in diesem Moment wichtig sind.“
In mehreren deutschen Städten wandten sich auch am Freitagabend wieder Demonstranten gegen rechte Gewalt und Intoleranz. Weitere Kundgebungen waren für das Wochenende geplant.
In Hannover versammelten sich am Freitagabend rund 3.000 Menschen zu einer Kundgebung, darunter waren Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Hannover gegen Rassismus – Hannover für Vielfalt“. In Köln kamen mehr als 2.000 Teilnehmer zu einer Demonstration gegen rechten Terror auf dem Roncalliplatz zusammen.
In Hanau gedachten Menschen erneut der Opfer des Anschlags. Etwa 200 Teilnehmer versammelten sich nach Veranstalter-Angaben auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, fassten sich an den Händen und bildeten eine kreisrunde Menschenkette. Am Samstag will ein Bündnis gegen Hetze und Menschenverachtung in Hanau demonstrieren. Am Nachmittag ist auf dem Marktplatz eine weitere Kundgebung geplant.
Ein 43 Jahre alter Deutscher hatte am Mittwochabend im hessischen Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Der Sportschütze tötete auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“