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Nach den Ausschreitungen in HeidenauGabriel will rechtes „Pack“ bestrafen

Deutschland dürfe den Rechten keinen Millimeter Raum geben, sagt Sigmar Gabriel. Auch die Kanzlerin lässt ausrichten, die Vorkommnisse seien „beschämend“.

Flüchtlinge in Heidenau nach dem Besuch Gabriels. Foto: reuters

HEIDENAU dpa | Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat nach den rechten Krawallen vor einem Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau eine harte Bestrafung der Täter verlangt. “Bei uns zuhause würde man sagen, das ist Pack, was sich hier rumgetrieben hat“, sagte der SPD-Chef am Montag in der sächsischen Kleinstadt bei Dresden.

Dort schaute sich Gabriel etwa eine halbe Stunde die Unterkunft in einem ehemaligen Baumarkt an und sprach mit Flüchtlingen. Außerdem hörte er sich die Ängste zahlreicher Anwohner an, die sich vor dem Eingang der von Polizei und einem Sicherheitsdienst geschützten Notunterkunft versammelt hatten.

Unterdessen verurteilte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die rassistischen Ausschreitungen in Heidenau, wo Rechte und Rassisten zwei Nächte lang Polizisten angegriffen und Flüchtlinge bedroht hatten. Merkel war von Grünen und SPD kritisiert worden, dass sie unmittelbar nach den Krawallen zunächst geschwiegen hatte.

Nun ließ die Regierungschefin in Berlin über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären: „Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten. Und es ist beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen.“ Es gebe keinerlei Rechtfertigung für Gewalt.

Die „undeutschesten Typen“

Gabriel betonte, der Rechtsstaat müsse die Täter rasch ermitteln: “Für die gibt‘s nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis.“ Deutschland dürfe diesem “rechtsradikalen Mob“ keinen Millimeter Raum geben.

Daneben sei die ganze Gesellschaft gefordert, weil die Rechtsextremen sich für die Vertreter des „wahren Deutschlands“ hielten: „In Wahrheit sind es die undeutschesten Typen, die ich mir vorstellen kann“, meinte der Wirtschaftsminister, der als erstes Mitglied der Bundesregierung in Heidenau war.

Kein Bürger, weder in Heidenau noch im Rest der Republik, dürfe wegschauen, wenn im Freundeskreis, Betrieb oder Sportverein rechtes Gedankengut geäußert werde: “Wer hierherkommt und hier Parolen brüllt, Brandsätze schmeißt, Steine schmeißt, im Internet dazu aufruft, Leute umzubringen oder körperlich zu verletzen, diejenigen haben nur eine einzige Antwort von jedem von uns verdient: Ihr gehört nicht zu uns, euch wollen wir nicht“, sagte Gabriel. Zugleich müsse man jedoch auch die Sorgen der Bürger ernst nehmen, die durch die hohe Zahl an Flüchtlingen verunsichert seien.

Hunderttausende, die bleiben werden

Nach Einschätzung des SPD-Chefs werden von den bis zu 800.000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr erwartet werden, 500.000 bis 600.000 Menschen dauerhaft in Deutschland bleiben. “Denen müssen wir eine neue Heimat geben.“ Bei der Unterbringung von Flüchtlingen könne der Bund Ländern und Kommunen helfen, indem Liegenschaften des Bundes schnell und unkompliziert geöffnet würden.

Der Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz erklärte, die Stimmung in der Stadt sei sehr angespannt. Heidenau mit 16 500 Einwohnern sei anders als die jüngsten Bilder vermittelt hätten. Mit Blick auf den Gabriel-Besuch meinte Opitz: “Er wäre sicherlich nicht in ein Nazi-Nest gekommen, sondern er kommt in eine Stadt, die überwiegend mit ganz friedlichen Menschen besiedelt ist.“ Der CDU-Kommunalpolitiker lud auch Kanzlerin Merkel ein, sich in Heidenau selbst ein Bild zu machen.

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10 Kommentare

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  • Wo waren denn die offenbar so notwendigen gutbezahlten V-Männer des deutschen "Verfassung"sschutzes, als die braunen Kader diesen bewusst, nicht spontan, inszenierten Angriff auf Verfassung, Staat und auch Polizei planten ?

     

    Gibt es einen besseren Beweis für die Nutzlosigkeit der gescheiterten Praxis der Regierung(en), Nazis anzuheuern, die gegen Geld versprechen, Infos aus ihren Reihen zu liefern ? Die liefern gar nichts, was irgendwie ihren Vorhaben abträglich wäre. Vielmehr lachen sie sich kaputt darüber, dass dieser Staat glaubt, auf diese Weise kurzfristige Planungen oder an Strategien heranzukommen.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Gut gemacht, Herr Gabriel! Bei der Linken können Sie damit keinen Blumentopf gewinnen (vgl. die anderen Kommentare hier), stattdessen heizen Sie die Stimmung immer weiter an. Resultat: Eine Bombenstimmung in der SPD-Zentrale. Wie will Gabriel darauf reagieren? Noch härtere Kraftausdrücke? Wenigstens die Kanzlerin bleibt rhetorisch auf dem Teppich.

  • P asst

    E igentlich

    G abriel

    I n

    D eutschlands

    A rbeiterpartei ?

  • "…Spuk…"

     

    Vorgetragen von einem in die

    Jahre gekommenen Fähnleinführeraspiranten -

     

    Muß frauman mehr sagen¿!

  • Stichwort "Anerkennung des Anderen":

     

    Mit dem Anerkennungsbegriff können die Pathologien der Pflegepraxis unter den Bedingungen neoliberaler Gouvernementalität erfasst werden. In der sozialen Anerkennung, die sich in den drei Formen der Fürsorge, der Gerechtigkeit und der Solidarität realisiert, kann die normative Vorraussetzung allen kommunikativen Handelns gesehen werden.

     

    Das liest man in einem Buch über die Theorie und Praxis pflegerischen Handelns. Man kann sich fragen, wie unsere Krankenhäuser aussehen, die die Gesellschaft wie unter einem Brennglas spiegeln. Und die Bedingungen neoliberaler Gouvernementalität gelten nicht nur für das Krankenhaus. Fürsorge, Gerechtigkeit, Solidarität. Hier, an den brennenden Häusern, fällt es leichter, eine Diagnose zu stellen...

     

    Man kann es sich einfach machen, und das Böse in der personalen Struktur suchen ("rechtes Pack"), also ob wir da nur einige faule Äpfel haben, oder die frage stellen, ob es nicht auch die Umstände sind, ob der faule Apfel nicht vielleicht auch in einem Feld mit faulem Stroh gelegen hat.

  • Nebelkerzen, Phrasendrescher, Wendehälse - die mangelnde Integrität unserer Damen-und Herren Parlamentarier ist unerträglich. Sie geben sich schon gar keine Mühe mehr, diesem Eindruck entgegen zu wirken.

    Das Einlassen der SPD auf die GroKo ist Indiz für die Unfähigkeit der Parteispitze und bewarheitet sich immer wieder. SPD - 2017

    Es würde mich freuen zu beobachten, dass die SPD 2017 um ein 2stelliges Ergebnis kämpfen muss - leider vergessen die Schafe zu schnell bzw. freuen sich über eine gratis BZ am Wahltag in ihrem Briefkasten.

  • Noch ist es überschaubares Pack - wenn der Mob dann erst einmal zu relevanter Größe heranmutiert ist, sind es dann wieder Alltagssorgen ganz normaler Bürger, die die deutsche Sozialdemokratie beim hoffnungslosen Versuch, auf 26% zu kommen, nicht den Rechten überlassen darf.

  • Schlimm ist, dass sich dieser moppelige TTIP-Minister dank dieser Unruhen der Rechten profilieren kann...

  • Die lächerlichen Kraftausdrücke Gabriels wie auch das sattsam bekannte Herumgedruckse Merkels verdeutlichen nur die Hilflosigkeit der politischen Klasse. Mit diesem verbalen Herumgeeiere werden die Probleme nicht zu lösen sein. Die gut bezahlten Herr- und Damenschaften sollten sich einmal Gedanken darüber machen wie es auf den Hauptfeldern weitergehen soll: Beschäftigungspolitik, Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und Zusammenleben. Solange eine hiesige HartzIV-Bezieherin noch vor Gericht gehen muß um einen 2ten Satz Babybettwäsche bezahlt zu bekommen - weil es doch eben nicht angeht den Schmutz auf der ersten mit einem darübergelegten Teppich zu kaschieren - solange ist hier noch kein einziges Problem gelöst.

  • Wie wäre es mit der Aufhebung der Immunität einiger Abgeordneter die gegen gegen Asylsuchende hetzen? Würde auch nur CDU/CSU und ein paar SPDler betreffen.