Nach dem Fall Elnas Rekabi: Sportlerinnen unter Druck
Die iranische Kletterin Elnaz Rekabi sei sicher, sagt der Iran – und das IOC glaubt's. Warum sich Athletinnen nie auf den Verband verlassen sollten.
G ive Peace a chance!“ Na, wer hat das gesagt? Richtig, Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Am Mittwoch war das in Seoul. Es wurde über den Satz auch abgestimmt. Bei der Versammlung der Nationalen Olympischen Komitees in Seoul nahmen die Sportführer der Welt den von Bach vorgestellten „Bericht zur Lage der Olympischen Bewegung“ an.
Einer dieser Sportführer ist Mahmoud Khosravi Vafa. Er ist Präsident des Nationalen Olympischen Komitees des Iran. Er nutzte die Versammlung von Seoul, um der Weltöffentlichkeit zu versichern, dass die iranische Kletterin Elnas Rekabi in Sicherheit sei.
Die war ein paar Tage zuvor bei einem Kletterwettbewerb in Seoul zur Ikone der iranischen Protestbewegung geworden, als sie ohne Hidschab in die Wand gestiegen ist. Kurz daruf landete sie am Teheraner Flughafen, gab ein Statement ab, nachdem das Ganze ein Versehen war, wurde zum Sportminister gekarrt, ohne sich vorher umziehen zu können und musste für ein paar Fotos posieren. Derweil wurde sie von der Basis im Iran weiter gefeiert. Weil es dort zum Alltag gehört, Statements, von denen man annehmen mus, sie seien unter Druck zustande gekommen, keinen Glauben zu schenken.
Natürlich gibt es auch Menschen, die offiziellen Verlautbarungen aus dem Iran trauen. Thomas Bach ist so einer. Rekabi sei in Sicherheit und bei ihrer Familie, ließ das IOC mitteilen. Woher das IOC das weiß? Von Mahmoud Khosravi Vafa natürlich, dem Oberolympier aus dem Iran, von dem Bilder im Netz kursieren, die nahelegen, der Mann sei früher Bodyguard des heutigen Obersten Führers der Islamischen Republik Ali Chamenei gewesen.
Nach dem Drehbuch der Unterdrücker
Unvergessen sind die Bilder von Bach, die im vergangenen Winter von Peking aus um die Welt geschickt worden sind. Da spazierte er mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai durch ein paar olympische Sportstätten, um der Weltöffentlichkeit die Sportlerin wie eine Trophäe zu zeigen. Er glaubte, was ihm chinesische Offizielle versichert hatten: Peng Shuai sei sicher. Daran gab und gibt es ehebliche Zweifel.
Peng Shuai hatte ein paar Monate zuvor via Social Media einen hohen Funktionär der Kommunistischen Partei der Vergewaltigung bezichtigt und war umgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Anstatt Zweifel zu äußern, immer wieder nachzuhaken, spielte Bach brav eine Rolle im Drehbuch der Kommunistischen Partei.
Jetzt stand er in Seoul vor den Vertetern der Nationalen Olympischen Komitees und forderte die Wiedereingliederung von Sportlern aus Russland und Belarus in den Wettkampfbetrieb. Sie sollten nicht unter den Entscheidungen ihrer Regierungen leiden. Wenn ihm das wirklich wichtig wäre, hätte er seinem Auftritt ja Brittney Griner widmen können, der US-Basketballerin, die seit Februar in Russland inhaftiert ist.
Nachdem bei ihr ein paar Milligramm Haschischöl gefunden wurden, ist sie festgenommen worden. Später wurde sie zu einer absurd hohen Haftstrafe von neun Jahren verurteilt. Der russische Sport hat sich nie für das Schicksal der Frau interessiert, die dazu beigetragen hat, dass das russische Team UMGK Jekaterinnenburg vier Mal die Euroleague gewonnen hat.
Bach hätte seine Rede auch der belarussischen Sprinterin Kristina Timanowskaja widmen können, die von ihrem Verband aus dem Olympiateam geworfen wurde, nur weil sie nicht mit der Zusammensetzung der Sprintstaffel einverstanden war. Sie lebt heute als politischer Flüchtling in Polen.
Es gibt viele Sportlerinnen, die starke Anwälte brauchen können. In den internationalen Sportverbänden finden sie solche nicht. Auch das hat diese Woche gezeigt.
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