Nach dem Amoklauf in Texas: Recht des Stärkeren
Die US-Waffenlobby argumentiert mit der Freiheit der Bürger, sich zu verteidigen. Rechtsterroristen nehmen sich diese Freiheit und töten Menschen.
F reiheit – der Schlüsselbegriff der US-Waffenlobby. „Come Stand With Us – It's patriots like you that help us preserve our uniquely American freedom.“ So wirbt der „Ring of freedom“ der National Rifle Association (NRA) um Unterstützung. „Patrioten wie Ihr helfen uns dabei, unsere einzigartige amerikanische Freiheit zu bewahren.“ Die Freiheit, Waffen zu kaufen, Waffen zu tragen, sich mit Waffen zu verteidigen. Wogegen? Das liegt im Auge des freiheitlichen Betrachters.
Erst Mitte Mai erschoss ein weißer Rassist in Buffalo zehn schwarze Menschen, angetrieben vom Mythos über einen “Großen Austausch“, ausgestattet mit Waffen, die er frei kaufen konnte. Die üblichen Überprüfungen hinderten ihn nicht. Der Rechtsterrorist nahm sich diese einzigartige Freiheit – und seinen Opfern das Leben.
Wie frei kann aber eine Gesellschaft sein, in der Menschen Angst haben müssen, von Rassisten, Incels oder anderen Fanatikern erschossen zu werden? Strengere Waffengesetze verhindern nicht jeden Anschlag, wie rassistische und antisemitischen Attacken in Deutschland zeigen, aber erschweren sie deutlich. Die Freiheit ist keineswegs eingeschränkt, weil nicht jeder ein Sturmgewehr im Laden kaufen kann. Im Gegenteil, sie ist besser geschützt vor ihren Feinden.
Die NRA und andere Konservative haben es geschafft, ein Gleichheitszeichen zu setzen zwischen Freiheit auf der einen und Egoismus sowie Rücksichtslosigkeit auf der anderen Seite. Mit Freiheit für alle hat das aber wenig zu tun, denn beispielsweise mit der Zensur von Literatur über geschlechtliche Diversität haben die selbsternannten Freiheitshelden keine Probleme.
Die politische Linke hingegen hat den Begriff der Freiheit leichtfertig aufgegeben. Es ist ihr verlorener Diamant. Sie war für die Freiheit der Menschen eingetreten, um sie aus der Abhängigkeit zu holen und sie erst zu handlungsfähigen Individuen zu machen, die zwischen verschiedenen Optionen wählen können. Was die Waffenlobbyisten und ihre Verbündeten hingegen propagieren, ist das verantwortungslose Recht des Stärkeren – und somit die Pervertierung des Begriffs der Freiheit.
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