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Nach dem Amoklauf in TexasRecht des Stärkeren

Kommentar von Patrick Gensing

Die US-Waffenlobby argumentiert mit der Freiheit der Bürger, sich zu verteidigen. Rechtsterroristen nehmen sich diese Freiheit und töten Menschen.

Tröstende Umarmung. Vor dem Gemeindezentrum von Uvalde reagieren Menschen auf das Attentat Foto: Dario Lopez-Mills/dpa

F reiheit – der Schlüsselbegriff der US-Waffenlobby. „Come Stand With Us – It's patriots like you that help us preserve our uniquely American freedom.“ So wirbt der „Ring of freedom“ der National Rifle Association (NRA) um Unterstützung. „Patrioten wie Ihr helfen uns dabei, unsere einzigartige amerikanische Freiheit zu bewahren.“ Die Freiheit, Waffen zu kaufen, Waffen zu tragen, sich mit Waffen zu verteidigen. Wogegen? Das liegt im Auge des freiheitlichen Betrachters.

Erst Mitte Mai erschoss ein weißer Rassist in Buffalo zehn schwarze Menschen, angetrieben vom Mythos über einen “Großen Austausch“, ausgestattet mit Waffen, die er frei kaufen konnte. Die üblichen Überprüfungen hinderten ihn nicht. Der Rechtsterrorist nahm sich diese einzigartige Freiheit – und seinen Opfern das Leben.

Wie frei kann aber eine Gesellschaft sein, in der Menschen Angst haben müssen, von Rassisten, Incels oder anderen Fanatikern erschossen zu werden? Strengere Waffengesetze verhindern nicht jeden Anschlag, wie rassistische und antisemitischen Attacken in Deutschland zeigen, aber erschweren sie deutlich. Die Freiheit ist keineswegs eingeschränkt, weil nicht jeder ein Sturmgewehr im Laden kaufen kann. Im Gegenteil, sie ist besser geschützt vor ihren Feinden.

Die NRA und andere Konservative haben es geschafft, ein Gleichheitszeichen zu setzen zwischen Freiheit auf der einen und Egoismus sowie Rücksichtslosigkeit auf der anderen Seite. Mit Freiheit für alle hat das aber wenig zu tun, denn beispielsweise mit der Zensur von Literatur über geschlechtliche Diversität haben die selbsternannten Freiheitshelden keine Probleme.

Die politische Linke hingegen hat den Begriff der Freiheit leichtfertig aufgegeben. Es ist ihr verlorener Diamant. Sie war für die Freiheit der Menschen eingetreten, um sie aus der Abhängigkeit zu holen und sie erst zu handlungsfähigen Individuen zu machen, die zwischen verschiedenen Optionen wählen können. Was die Waffenlobbyisten und ihre Verbündeten hingegen propagieren, ist das verantwortungslose Recht des Stärkeren – und somit die Pervertierung des Begriffs der Freiheit.

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27 Kommentare

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  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Die US-Waffenlobby ...



    ...ist mit "Wild-West" und dem "Lied vom Tod" liiert, die sollten ihre kleinen Grauen Zellen endlich mit Legosteinen tauschen.



    Sowas hinterwäldlerisches ist zudem nun wirklich keine Frage der "Ehre", vielmehr eine des polit-amerikanischen "Marionetten-Theaters".

    Apropos "Marionettentheater" – kommt mir (irgendwie) bekannt vor...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    USA lebt von und mit Gewalt -



    Wer sich davon nicht trennt,



    lebt Amok als Event..



    de.statista.com/st...waffen-in-den-usa/

  • wenigstens in einer amerikanischen ...

    apotheken kann man keine waffen erwerben.

    dafür aber psychopharmaka, die einen erst so richtig abschalten und das böse freisetzen.

  • Konservative, Waffenlobby, Neoliberalismus, - für mich rhetorische Strohmänner/-frauen, die die grundlegende Sitte des ‚Recht des Stärkeren‘ nur ankratzen. Wenn in einem Land das Recht des Stärkeren zur Sitte wird, ist das eine akzeptierte moralische Qualität, die einfach da ist. Wahrscheinlich muss man daher die Waffenaffinität in den USA auch als Teil einer dort gültigen Moral sehen, um sie zu verstehen.



    Die Anwendung der genannten Stellschrauben wie zB Waffenkontrolle, -reduzierung und Gesetze halte ich für Symptomtherapie, indes weiß ich kein Zaubermittel, mit dem ein wahrscheinlich aus alter Zeit erhaltenes und funktionelles sittliches Grundmotiv geheilt werden kann. Erst recht nicht für diese US-Gesellschaft.



    Das kollektive Bewusstsein einer Gesellschaft, ob in Russland, Deutschland-West (Nachkriegszeit), Deutschland-Ost (nach der Wiedervereinigung), China, Kuba, Serbien, Ukraine, etc. etc., ist nichts, was man durch Ethikkommissionen ändern kann. Und man kann es auch nicht begreifbar machen durch die Lieblingserklärungen, die man sowieso immer für alle Misstände parat hat.

  • "Was die Waffenlobbyisten und ihre Verbündeten hingegen propagieren, ist das verantwortungslose Recht des Stärkeren – und somit die Pervertierung des Begriffs der Freiheit."



    - Jetzt bringt doch bitte die FDP nicht auf noch dümmere Ideen...!!!

  • "Die Freiheit ist keineswegs eingeschränkt, weil nicht jeder ein Sturmgewehr im Laden kaufen kann."



    Auch in den USA kann nicht jeder einfach so Waffen im Laden kaufen. Der Erwerb wird registriert ,es gibt einen "Hintergrundcheck" - quasi wie das Führungszeugnis. Und wer Vorstrafen hat, insbesondere mit Haft verbunden, scheidet da meist aus. Oft lebenslänglich.



    Das "Sturmgewehr" ist übrigens auch nur eine ganz normales Gewehr ,mit einem Schuß pro Betätigung des Abzuges,das nur optisch wie eine Militärgewehr aussieht. Der Besitz vollautomatischer Waffen (Maschinengewehre) unterliegt seit 1934 nochmal strengeren Bestimmungen und Einschränkungen. Siehe auch de.wikipedia.org/w...nigte_Staaten)#NFA

    • @Mustardmaster:

      Es handelt sich um Selbstlader mit Magazin.Das heißt die Ballergeschwindigkeit ist mehrfach höher als bei einem Jagtgewehr, wo nach jedem Schuss eine neue Patrone einzulegen ist.



      Sturmgewehre können auf Einzelfeuer gestellt werden. Ich hatte meine FAMAS nie auf Dauerfeuer gestellt. Dauerfeuer ist Munitionsverschwendung. Die Amiknarren sind reine Mordwerkzeuge zum Menschen auf Distanz keulen. Wer einen Selbstlader zum Jagen braucht, weil er sonst das Karnickel nicht erwischt, sollte sein Gulasch bei Deliverando bestellen.

  • Der Waffenfanatismus ist das wie eine Heilige Kuh verehrte Krebsgeschwür der US-Gesellschaft, das durch Profitgier gefüttert und protegiert wird. Dabei wäre zu beachten, dass über das unendliche menschliche Elend hinaus, die Mordrate in den USA beispiellos für ein zivilisiertes Land ist, das sich damit permanent riesige Verluste selbst beibringt: Wo sie dort doch sonst so profitgeil ! sind, ignorieren sie die Verluste durch die täglichen Massaker: ca. 11- 12.000 Menschen sterben jährlich durch Waffengewalt und für die Waffenindustrie: Mit AK-15 kann man eben keine Tomaten pflanzen ..., Außerdem: über 100000 sterben durch Medikamentensucht.

  • Wo es weniger Waffen gibt, da wird auch weniger getötet. Die massive Präsenz von Waffen und der damit einhergehende Waffenfetischismus senken die Hemmschwelle zur Anwendung des Tötungsinstrumentes drastisch (allerdings, das ist offenkundig, fast immer in Verbindung mit ‚gestörten‘ Männern in akuten persönlichen Krisensituationen).

    • @guzman:

      Die These ist nur begrenzt stimmig.Bspw. ist in Kanada ,aus Deutscher Sicht zumindest ,deas Waffengesetz auch "großzügiger",trotzdem gibt es dort vergleichsweise weniger Probleme mit Schußwaffen als in den USA. Die jeweiligen gesellschaftlichen Zustände -materielle und immaterielle- sind ein viel wichtigerer Faktor.

  • Statt einem ewigen Dakapo von aussichtslosen Kämpfen gegen die Knochenmühlen der NRA um schärfere Waffengesetze sollte einfach eine Versicherungspflicht analog zur KFZ-Haftpflicht eingeführt werden, die alle direkten und indirekten Folgen der Ballerei abdeckt. Von ´illegitimen´ Ballermännern (es gibt fast keine Ballerfrauen) kann ja dann das vorgestreckte Geld eingetrieben werden, falls nicht verschieden.



    Bisher zahlt die US-Gesamtgesellschaft, müssten die, die denn 2. Wurmfortsatz der Verfassung im Holster tragen, selbst blechen, würden sich schnell Kostenreduktionsmassnahmen durchsetzen. Schließlich dürfen bei Uncle Sam auch keine besoffenen Minderjährigen autofahren. Und die Versicherungslobby wäre der passende Belzebub, um den NRA-Teufel auszutreiben.

    • @Euromeyer:

      Oh, es gibt jede Menge „Ballerfrauen“ in den USA, dem Waffenfetisch erliegt auch die weibliche Hälfte der Bevölkerung! Nur Amokläuferinnen sind zum Glück sehr selten.

      • @Saile:

        Auch in den USA sind die Täter aller Schusswaffenvergehen fast ausschließlich männlich. Daher ist Ihr Einwand kein Argument - eher im Gegenteil. Wenn Frauen ebenso häufig beknarrt wäeren (was sie nicht sind) aber signifikant selterner rumballern (dem ist so) ist dies ein Indiz dafür, dass Mordballerei ein Männlichkeitsproblem ist.

        • @Euromeyer:

          Nun, mein gestriger Post war weder als Einwand noch als Argument gedacht…sicherlich sind in den USA weniger Frauen als Männer bewaffnet, dennoch gibt’s da die obskursten Gruppen, „Moms with Guns“ usw.

          Interessant ist ja dass in unserem Nachbarland Schweiz auch eine relativ große Anzahl von Schusswaffen in Privatbesitz gibt, aber zum Glück dennoch nur äußerst selten solcherart Gewaltexzesse.

  • Ich denke auch in die Richtung des im Kommentar Gesagten.



    Waffenverbote sind effektiv: Die Angriffe und Attentats-Versuche in Deutschland - Halle und Essen - wurden ja versucht mit selbstgebauten Waffen - und waren DESHALB weniger erfolgreich, also weniger tödlich.



    Und es ist eine Problematik der USA, dass in ihrer Kultur die eigentumsbasierte Freiheit der erste Wert ist, der traditionell von vielen Verschwörungsgerüchten umgeben ist.



    Die Nachahmungstat direkt eine Woche nach Buffalo war erfolgreich durch die leichte Erhältlichkeit halbautomatischer Waffen.



    Es ist nur gut, wenn ein Innenminister wie Mäurer in Bremen, vor der IMK (demonstrativ, nach Hanau) bei den Landesbekannten Faschisten die Waffen einsammeln lässt, für die sie legal einen Waffenschein haben - Ermessensspielraum.



    In Dt also Schützenvereine abbauen, Bitchute-uploads löschen und Erwachsenen-Seminare zu Verschwörungsgerüchten finanzieren.

  • Analog wird hierzulande jedweder „Angriff“ auf die „mobile Freiheit“ aka Tempolimit abgewehrt.



    Die politischen Flügel entsprechen sich…

    • @brettvormkopf:

      Das ist ein Irrtum. Die USA mit ihren scharfen Tempolitimits und wahrscheinlich größerer Kontrolldichte weisen mehr Verkehrstote pro Einwohner:in auf als die BRD. Zudem haben dort die Autofahrer:innen auch in diesem Bereich erheblich aufgerüstet: nirgendwo sonst sind wohnzimmergroße SUVs oder Pickups dermaßen verbreitet; und das, weil die Straße eben auch ein Schlachtfeld ist und man meint, in großen Fahrzeugen weniger vulnerabel zu sein. Der Vergleich hinkt also schwer.

  • "das verantwortungslose Recht des Stärkeren" = Neoliberalismus auf die Spitze getrieben

  • The freedom to buy a gun, to carry a gun and to kill my neighbor's noisy children. The American dream.

    • @MeineMeinungX:

      Will will man von einem Land erwarten, das sich genauso bully-haft in der Welt verhält?

  • Ist der Zug “Strengere Waffengesetze zur Vermeidung von Amokläufen/Terroranschlägen” in den USA nicht schon längst abgefahren? Dort sind doch so unglaublich viele Waffen im Umlauf, dass eine Beschränkung des Verkaufs jetzt und auch langfristig kaum Auswirkungen zeigen wird.

    • @Bussard:

      Es wird sich jedenfalls so lange nichts ändern, wie der Scotus seine Rechtsprechung hierzu nicht ändert. Das ist die Grundvoraussetzung, denn sonst sind alle Bemühungen des Congress für die Katze.

      Politisch müsste man m.E. anfangen die Waffenlobby zu reglementieren, das wird schon nicht gelingen, weil ganze Karrieren von US Politikern auf NRA Geld aufgebaut sind.

      Von daher wird es wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen, wenn Überhaupt.

      Trauriges Amerika.

    • @Bussard:

      Ganz genau ist das die Realität. Beim Wahlsieg von Obama zum Beispiel, wurden die Waffengeschäfte regelrecht gestürmt. Waffenbefürworter:innen besitzen ganze Arsenale davon - die man auch dann den Kindern weitergeben kann.

  • Nicht die Waffe ist der Grund für den Amoklauf. Niemand begeht einen Amoklauf, um die neue AR-15 zu testen, da liegen schon tiefere Gründe dahinter. Immerhin opfert man sein Leben für seine Überzeugung. Mir ist die Forderung nach einem Waffenverbot zu einfach. Abgesehen davon kann man ein Sturmgewehr in fast jeder deutschen Großstadt kaufen. Kostet rund €2500. Ganz so restriktiv ist Deutschland ja nun nicht.

    • @Dirk Osygus:

      Es wäre mal interessant zu erleben, wie die Waffenlobbyisten reden würden, sobald bei ihrem anstehenden Kongress ein Amokläufer sich im Sitzungssaal umtun würde ...



      Ted Cruz, Trump, Abbot & Co haben ja schon ihre Sprüche zum Cuvalde-Massaker abgesondert ...

    • @Dirk Osygus:

      Wie bitte? Wo können Sie ein "Sturmgewehre kaufen"?

      • @denkmalmeckermalmensch:

        Na, auf dem Schwarzmarkt halt…2500€ ist ja auch ein recht stolzer Preis.