piwik no script img

Nach Teillegalisierung von CannabisAlkoholverbot für Kiffer am Steuer

Die Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on plädiert für höheren THC-Grenzwert im Straßenverkehr. Gleichzeitiger Alkoholkonsum ist tabu.

Nüchtern betrachtet ist eine möglichst nüchterne Teilnahme am Straßenverkehr wohl das beste Foto: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Berlin taz | Punkt null Uhr in der Nacht auf Ostermontag werden die Joints angezündet auf der Warschauer Brücke im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Der Berliner Cannabis Club High Ground, der demnächst Cannabis an seine Mitglieder ausgeben will, hat diesen Flashmob rund um das Berliner Hanf Museum gemeinsam mit Aktivisten organisiert. Seit diesem Montag, dem 1. April, ist die Teillegalisierung von Cannabis Gesetz. Zur gleichen Zeit treffen sich am Brandenburger Tor etwa 1.500 Menschen zum „Ankiffen“.

Doch einige Fragen sind nach wie vor ungeklärt – etwa das Verkehrsrecht betreffend. Als sich die Bundesregierung Ende Februar auf die Teillegalisierung von Cannabis einigte, warnten kritische Stimmen wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): „Mit dem Cannabis-Gesetz öffnen wir Tür und Tor für mehr Drogentote im Straßenverkehr.“ Die Grüne Swantje Michaelsen, Expertin für Verkehrssicherheit im Bundestag, hingegen freute sich: „Wir entkriminalisieren nicht nur Cannabiskonsum, sondern schaffen auch neue Regelungen für den Straßenverkehr.“ Natürlich dürfe aber auch weiterhin „niemand im Rausch Auto fahren“.

Eine Expertenkommission, eingesetzt vom Bundesverkehrsministerium, soll deshalb für den Straßenverkehr einen neuen Grenzwert für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut vorschlagen. Am vergangenen Donnerstag stellte die Kommission ihre Empfehlung vor: Ab 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sei nicht mehr gewährleistet, dass Menschen ihr Kraftfahrzeug sicher durch den Straßenverkehr manövrieren.

Dieser neue Grenzwert, bisher galt ein wesentlich schärferer Wert von einem Nanogramm, muss jetzt im Straßenverkehrsgesetz (StVG) festgeschrieben werden. Laut der Kommission können Alkohol und Cannabis zusammen besonders gefährlich sein. Deshalb, so die Empfehlung, solle das StVG in Zukunft ein absolutes Alkoholverbot für Can­na­bis­kon­su­men­t:in­nen am Steuer enthalten.

Kiffen im Blut lange nachweisbar

Ein THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm im Blut ist vergleichbar mit 0,2 Promille

Auch Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, begrüßt den Expertenvorschlag. Der bisher geltende strenge Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sei „nicht verhältnismäßig“. Das Straßenverkehrsgesetz müsse jetzt geändert werden, um den erhöhten THC-Wert gesetzlich zu verankern.

Kiffen ist im Blut lange nachweisbar. Von einem erhöhten THC-Limit verspricht sich das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP), dass Au­to­fah­re­r:in­nen nur dann belangt werden, wenn sie „in einem gewissen zeitlichen Bezug“ zum Fahren gekifft haben. 3,5 Nanogramm seien vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.

„Unseren Kolleginnen und Kollegen wird nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, wie sich der empfohlene Grenzwert auf die Fahrsicherheit auswirken wird“, sagt Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. Für vermehrte Kontrollen bräuchten Po­li­zis­t:in­nen aber moderne Instrumente. Das Bundesverkehrsministerium empfiehlt „Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening“.

Gesetzeskonform, aber auch ein wenig gaga

Wann ein Straßenverkehrsgesetz mit neuem THC-Grenzwert in Kraft tritt, ist noch nicht klar. Außerdem brauche es Regelungen für Fahr­rad­fah­re­r:in­nen und den öffentlichen Personenverkehr, schreibt die NRW-Landesgruppe des ökologischen Verkehrsclubs VCD in einem Beitrag auf der Onlineplattform Mastodon.

Auch auf der Warschauer Brücke in Berlin wollen die Organisatoren des österlichen Flashmobs einige Punkte des neuen Gesetzes kritisieren: etwa das Verbot der nichtkommerziellen Weitergabe von Cannabis, denn im öffentlichen Raum ist selbst das Kreisen eines Joints in geselliger Runde nicht erlaubt. Das sei sowieso nicht kontrollierbar, sagen die Aktivisten. Also legen sie ihre Joints auf den Boden der Brücke, die dann von anderen aufgenommen werden – gesetzeskonform, aber auch ein wenig gaga.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • ... da saufens ... da rauchens .. da kokens die heiligen Brüder der Canabis-Gegner

  • Zweimal in meinem Leben, vor ca. 50 Jahren, habe ich "geraucht". Beide Male war Alkohol dabei.



    Diese Erfahrung hat gereicht.



    Rauchen, auch das legale, mach' ich schon sehr lang nicht mehr :-)

    • @LeKikerikrit:

      Aber Alk konsumiert wird bis heute weiter?

      Wäre vermutlich Cannabis vor dem Alkohol ins Leben getreten und späterer Mischkonsum hätte eine ähnliche Erfahrung beschert, wäre wohl der Alkohol heute die Sache, die ein für alle Mal gereicht hätte.

  • Wer unter Drogen am Steuer erwischt wird, egal welche, gleich Lappen weg!



    Die ganz große Freiheit kann es nicht geben. Wenn sich jemand unter Drogen setzt, kann das doch nicht noch strafmildernd wirken. Es sei denn, er wurde dazu gezwungen. Dann liegt die Schuld bei den Tätern! Autofahren oder Drogen! Dazwischen gibt es nur faule Kompromisse.

  • Ich finde, dass die ganze Debatte auch von den Cannabis Befürwortern falsch geführt wird. Es geht doch darum, einen vernünftigen, verantwortungsbewußten Konsum zu entkriminiallisieren.



    Jetzt les ich überall "Kiffer", "Kiffer am Steuer". Bezeichnet sich jemand, der ab und zu nen Joint raucht wirklich als Kiffer? Macht man doch beim Alkohol auch nicht.



    Ich stell mir jetzt mal ne ähnliche Headline mit de Bezeichnung Trinker oder Alkoholiker vor. Da geht ich auch nicht von einem maßvollen Konsum aus, sondern von Jemandem, der einen gewissen Dauerpegel hat.



    Es braucht realistische und sinnvolle Beschränkungen für den Verkehr. Aber nicht für Dauerkonsumenten, die große Mengen, wie die legalen 50 Gramm im Monaten, wegballern. Die sollten besser auf nen Führerschein verzichten.



    Und deshalb find ich die Wortwahl "Kiffer" in dem Zusammenhang einfach nicht förderlich.

    • @Deep South:

      Vielleicht ist es aber auch falsch, Alkoholkonsumenten zu verharmlosen. Klar sind das Trinker, die jedes Wochenende Alkohol trinken oder sogar täglich unter der Woche.

      • @EDL:

        Nein. Natürlich gibts einen gewaltigen Unterschied, ob man am WE zwei, drei Bier oder Gläser Wein trinkt oder ob man täglich, auch unter Woche trinkt.



        Und das gilt sowohl für die Bewertung der Fahrtüchtigkeit, als auch für die Klassifizierung als Alkoholiker.

  • So stirbt DE-Lyrik an nicht zu Ende gedachten Gesetzen:-)



    ".. was ich noch zu sagen hätte dauert eine Zigarette & ein letztes Maas im stehen!" (c) Reinhard Mey.



    Nur ein Beispiel, was alles geschehen kann, wenn ohne "recht & links" zu schauen, gute alte Gewohnheiten einfach so ge(g)ändert werden!



    Ps Kann gut verstehen, das viele unsere Konservativen "not amused" sind, nach DIESEM 1. April! :-)

  • Es wird wie das Rauchverbot im Restaurant und die Gurtpflicht im Auto. Erst ein Riesengeschrei und nach Ner Weile ganz normal!

  • Alkoholverbot für Kiffer am Steuer!



    ---



    Das versteht sich doch von selbst! Wer "verdirbt" sich denn mit Alkohol ne "Tüte"?



    Doch was ist mit den "Alkis", die sich zusätzlich noch "WAS" reinziehen? Dürfen die das & wie ist das überprüfbar? :-)

  • Auch diesbezüglich sind sie in Kanada "statistisch" weiter:



    "Die Studienautoren resümieren, dass die Zahl der cannabisbedingten Autounfälle mit Verletzten im Vergleich zu jenen mit Alkohol-Einfluss zwar immer noch gering, aber nach der Legalisierung stark gestiegen ist. Diese zeitliche Korrelation bedeutet aber noch keine Kausalität, hier müssten nun noch weitere Untersuchungen ansetzen. Sinnvoll wären dennoch weitergehende Maßnahmen, die auf die Gefahren beim Autofahren unter Cannabis-Einfluss hinweisen."



    Quelle



    www.mdr.de/wissen/...lisierung-102.html

  • Das Problem ist doch ein anderes: anders als Alkohol wird THC eben nicht schnell abgebaut, sondern reichert sich im Blut an. D.h. ich kann bei einem THC Wert von X (der Grenzwert ist dabei relativ irrelevant egal ob 3,5 oder 7 Nanogramm) nicht sagen ob der Verdächtige gerade "drauf", sprich fahruntauglich ist, oder ob er eben einfach nur regelmäßiger Konsument ist aber zu dem Zeitpunkt der Kontrolle vollkommen klar im Kopf.



    Sicher, in geringerem Umfang kann das bei Alk auch passieren z.B. das ich am nächsten morgen 0,5Promille, weil der abend davor etwas wilder war, aber durch den schnelleren Abbau von Alk ist das Zeitfenster solcher Fehleinschätzungen wesentlich kleiner.

    Sprich je nachdem wie die Richter urteilen bekommen wir eine von 3 Situationen.



    a) Pech Grenzwert überschritten= Lappen weg. Entspricht faktisch nem Fahrverbot für regelmässige Konsumenten. Kann es nicht sein



    b) im Zweifel für den Angeklagten. Entspricht im Grunde ner Erlaubnis bekifft zu fahren. Kann es auch nicht sein.



    c) Willkür des jeweiligen Gerichts. Kann es IMO auch nicht sein.

    Scheiss Situation, Lösung hsb ich aber auch keine zur Hand.

    • @Alex24:

      Das ist so nicht richtig. Bei einem Menschen, der häufiger Cannabis konsumiert, sieht man im Blut vor allem eines: einen erhöhten Spiegel von Abbauprodukten. Diese Abbauprodukte haben keinen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit.

      Ausreichend Zeit (bspw. 24h, besser 48h) vorausgesetzt, wird (ähnlich Alkohol) kein aktives THC mehr im Blut vorhanden sein und eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit ist nicht mehr gegeben.

      Auch beim Alkoholabbau im Körper gibt es viele individuelle Faktoren. Die Promille-Rechnung pro Stunde ist auch nur ein Richtwert. Den kann es bei Cannabis gut und gerne auch geben ... wie gesagt erst nach 24h, besser 48h wieder ans Lenkrad. Damit kann man für sich selbst und andere wenig falsch machen.

    • @Alex24:

      "a) Pech Grenzwert überschritten= Lappen weg. Entspricht faktisch nem Fahrverbot für regelmässige Konsumenten. Kann es nicht sein"

      Gibt es auch für regelmäßige Konsumenten von Alkohol (auch Alkoholiker genannt), finde ich tatsächlich in Ordnung wenn die ihren Lappen verlieren.

  • man sollte nur nüchtern auto fahren dürfen. schaut euch mal die unschuldig verstümmelten in den unfallkliniken an, wie sie ohne gliedmaßen im sommer auf der veranda sitzen. menschen als opfer von drogekonsumenten am steuer. ein bedrückendes zeugnis der totalen unvernunft

  • Unkontrollierbar, damit wird die Exekutive zur Legislative gemacht, indem Verstöße nur bei denen kontrolliert und durchgesetzt werden, die die Polizei auf dem Kieker hat... Das ist immer der Haken bei solchen seltsamen Regelungen.

    "Das ist ein Joint, nicht wahr? Leider ist dort vorne in 99 Metern Abstand eine Kita, damit ist das illegal. Mitkommen. Du verstehen?".

    • @Mustardman:

      Und was bitte schlagen Sie vor?

  • Alkohol und Cannabis haben am Steuer nichts verloren, niedrige Grenzwerte sind richtig. Don't smoke and drive!

  • Wenn ich mich ans Steuer hinter eines LKWs setze, wird mir trotz Legalisierung der Führerschein entzogen.

    Weil nachgewiesen werden kann, dass ich zwei Wochen vorher gekifft habe.

    Noch nachweisbar = Unter Drogeneinfluss = Gefahr für andere Menschen.

    Leider nicht so linear wie Alkohol. Alkohol kann nach wenigen Stunden nicht mehr im Blut nachgewiesen werden. Freie Fahrt!

    • @Troll Eulenspiegel:

      Auch Alkohol ist noch Wochen später im Blut nachweisbar.

      Nachweisbarkeit heißt nicht automatisch, dass die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist.

      Viel mehr geht es ja darum, ab welchem Wert eine relevante Beeinträchtigung statt findet.

      • @Mukmuk:

        Sag das mal dem Polizisten. Natürlich weiß ich, dass die Nachweisbarkeit nicht die automatisch Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt.

        Bei Drogen am Steuer ist es egal, ob du fahrtüchtig bist oder nicht. Du verlierst den Führerschein trotzdem. Bei Alkohol verlierst du den erst ab einer gewissen Promillegrenze.

        Gib dem Alkohol etwas Zeit, und du darfst wieder sanktionslos ans Steuer. Mache dasselbe mit Cannabis, und du wirst trotzdem bestraft.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Genau - dann hätte man den ganzen Aufwand auch lassen können.