Nach Teillegalisierung von Cannabis: Alkoholverbot für Kiffer am Steuer
Die Expert:innenkommission plädiert für höheren THC-Grenzwert im Straßenverkehr. Gleichzeitiger Alkoholkonsum ist tabu.
Doch einige Fragen sind nach wie vor ungeklärt – etwa das Verkehrsrecht betreffend. Als sich die Bundesregierung Ende Februar auf die Teillegalisierung von Cannabis einigte, warnten kritische Stimmen wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): „Mit dem Cannabis-Gesetz öffnen wir Tür und Tor für mehr Drogentote im Straßenverkehr.“ Die Grüne Swantje Michaelsen, Expertin für Verkehrssicherheit im Bundestag, hingegen freute sich: „Wir entkriminalisieren nicht nur Cannabiskonsum, sondern schaffen auch neue Regelungen für den Straßenverkehr.“ Natürlich dürfe aber auch weiterhin „niemand im Rausch Auto fahren“.
Eine Expertenkommission, eingesetzt vom Bundesverkehrsministerium, soll deshalb für den Straßenverkehr einen neuen Grenzwert für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut vorschlagen. Am vergangenen Donnerstag stellte die Kommission ihre Empfehlung vor: Ab 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sei nicht mehr gewährleistet, dass Menschen ihr Kraftfahrzeug sicher durch den Straßenverkehr manövrieren.
Dieser neue Grenzwert, bisher galt ein wesentlich schärferer Wert von einem Nanogramm, muss jetzt im Straßenverkehrsgesetz (StVG) festgeschrieben werden. Laut der Kommission können Alkohol und Cannabis zusammen besonders gefährlich sein. Deshalb, so die Empfehlung, solle das StVG in Zukunft ein absolutes Alkoholverbot für Cannabiskonsument:innen am Steuer enthalten.
Kiffen im Blut lange nachweisbar
Auch Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, begrüßt den Expertenvorschlag. Der bisher geltende strenge Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sei „nicht verhältnismäßig“. Das Straßenverkehrsgesetz müsse jetzt geändert werden, um den erhöhten THC-Wert gesetzlich zu verankern.
Kiffen ist im Blut lange nachweisbar. Von einem erhöhten THC-Limit verspricht sich das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP), dass Autofahrer:innen nur dann belangt werden, wenn sie „in einem gewissen zeitlichen Bezug“ zum Fahren gekifft haben. 3,5 Nanogramm seien vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
„Unseren Kolleginnen und Kollegen wird nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, wie sich der empfohlene Grenzwert auf die Fahrsicherheit auswirken wird“, sagt Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. Für vermehrte Kontrollen bräuchten Polizist:innen aber moderne Instrumente. Das Bundesverkehrsministerium empfiehlt „Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening“.
Gesetzeskonform, aber auch ein wenig gaga
Wann ein Straßenverkehrsgesetz mit neuem THC-Grenzwert in Kraft tritt, ist noch nicht klar. Außerdem brauche es Regelungen für Fahrradfahrer:innen und den öffentlichen Personenverkehr, schreibt die NRW-Landesgruppe des ökologischen Verkehrsclubs VCD in einem Beitrag auf der Onlineplattform Mastodon.
Auch auf der Warschauer Brücke in Berlin wollen die Organisatoren des österlichen Flashmobs einige Punkte des neuen Gesetzes kritisieren: etwa das Verbot der nichtkommerziellen Weitergabe von Cannabis, denn im öffentlichen Raum ist selbst das Kreisen eines Joints in geselliger Runde nicht erlaubt. Das sei sowieso nicht kontrollierbar, sagen die Aktivisten. Also legen sie ihre Joints auf den Boden der Brücke, die dann von anderen aufgenommen werden – gesetzeskonform, aber auch ein wenig gaga.
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