Nach Räumung von Lützerath: RWE fehlen noch Grundstücke
Der Ort Lützerath ist geräumt, aber RWE gehören noch nicht alle Grundstücke im geplanten Kohleabbaugebiet. Drohen weitere Enteignungen?

Laut Grothus wollen die Eigentümer:innen nicht an den Konzern verkaufen, sie habe direkten Kontakt zu ihnen gehabt. Die Grüne warnt, es würden „langwierige und juristisch unsichere Enteignungen“ drohen. „Um den sozialen Frieden der Region in den nächsten Jahren zu wahren, ist eine Neuplanung des Tagebaus notwendig“, sagt die Politikerin. „Er muss so geführt werden, dass RWE niemandem mehr seinen Acker wegnimmt.“ Seit vielen Jahren ist sie selbst Teil des lokalen Protests gegen RWE.
Sie ist eine der wenigen Grünen, die den Kompromiss zu Lützerath öffentlich kritisiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten mit RWE eine Vereinbarung zur weiteren Kohlenutzung getroffen: Der Konzern stellt sein letztes Kohlekraftwerk 2030 statt erst 2038 vom Netz. Dafür darf er in der Energiekrise manche der klimaschädlichen Anlagen länger laufen lassen und unter anderem unter Lützerath Kohle fördern.
Das ist lange geplant, die ursprünglichen knapp über 100 Einwohner:innen sind längst umgesiedelt. Stattdessen siedelten sich Klimaaktivist:innen an, um die Kohle unter dem Ort vor der klimaschädlichen Verbrennung zu bewahren. Der Ort selbst gehört RWE.
Das gilt nicht für alle Grundstücke in der Umgebung, die der Energiekonzern abbaggern möchte. „Im Geltungsbereich des jüngst zugelassenen Hauptbetriebsplans 2023–25 des Tagebaus Garzweiler haben wir in der Tat noch nicht alle Flächen unter Vertrag“, räumte ein RWE-Sprecher gegenüber der taz ein. „Das ist aber normale Praxis.“ Es sei üblich, dass der Bergbau „die Inanspruchnahme von Ackerflächen“ nach und nach regele.
Der „letzte Lützerather“
Zur Größe der fraglichen Flächen und der Anzahl der Eigentümer:innen machte RWE keine Angaben. Mit Enteignungen rechnet der Konzern nicht. „Grundabtretungsverfahren sind die absolute Ausnahme und enden in der Regel noch vor einem Urteil, doch mit der von RWE in allen Fällen angestrebten gütlichen Einigung“, sagte der RWE-Sprecher.
Das muss nicht so harmonisch ablaufen, wie es klingt: Der Landwirt Eckardt Heukamp etwa galt lange als letzter Lützerather, der seinen Hof nicht an RWE verkaufen wollte. Er war noch vor Ort, als Klimaaktivist:innen ihr Lager aufschlugen. Nach Jahren der Auseinandersetzung gab er im vergangenen Frühjahr auf und verkaufte – vor Erschöpfung.
David Dresen von der lokalen Initiative „Alle Dörfer bleiben“ sagt zur aktuellen Situation: „Der Konflikt um Lützerath ist wegen der gewaltvollen Räumung ohnehin stark aufgeladen.“ Komme es zu Enteignungen, verlören die Grünen „auch noch den letzten Rest Glaubwürdigkeit als Klimaschutzpartei“.
Sie hätten in ihrem Wahlprogramm vor der Bundestagswahl 2021 versprochen, keine Menschen mehr für Braunkohle zu enteignen, argumentiert Dresen. Im Wahlprogramm steht allerdings etwas anderes: „Den durch den Braunkohletagebau Garzweiler von Enteignung und Vertreibung bedrohten Menschen muss das Land Nordrhein-Westfalen endlich Planungs- und Rechtssicherheit für Erhalt und Zukunft ihrer Dörfer geben. Dies wollen wir im Bund mit den richtigen Rahmenbedingungen unterstützen.“
Man könnte mit Verweis auf den von vielen Klimaaktivist:innen ungeliebten RWE-Deal argumentieren, dass die Grünen ihr Versprechen schon erfüllt haben. Die Vereinbarung gab zwar Lützerath zur Abbaggerung frei, rettete aber fünf ursprünglich bedrohte Dörfer, die sogar noch bewohnt sind.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau