Nach Massaker in Butscha: AfD verbreitet Desinformation

Einige AfD-Politiker bleiben auch nach den Gräueltaten in der Ukraine auf Kreml-Kurs. Die Russlandfrage sorgt in der Partei weiter für Streit.

Zerstörte Hüser, Trümmer auf einer Straße und ein Schäferhund

Das zerstörte Butscha, Aufnahme vom 4. April 2022 Foto: Efrem Lukatsky/ap

BERLIN taz | Teile der AfD säen Zweifel an der Authentizität der Bilder von ermordeten Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha. Und das, obwohl unabhängige Journalisten vor Ort über die Gräueltaten berichten sowie mittlerweile Abgleiche von Satellitenbildern belegen, dass Tote wochenlang auf den Straßen der Stadt lagen.

Russland spricht dabei von einer „Inszenierung“ durch die Ukraine – und AfD-Politiker greifen die Erzählung auf. So verbreitete der sächsische EU-Abgeordnete Maximilian Krah am Montag Desinformationen, die verdächtig nach Kreml klangen und rief mit einer ähnlichen Argumentation wie die russische Regierung zur Vorsicht auf.

Während die Bundesregierung nach dem Massaker von Butscha 40 russische Diplomaten auswies, dienen sich also einige AfD-Politiker weiter dem russischen Regime an. Krah war nicht der einzige. Auch der bayerische AfD-Politiker Johannes Normann verbreitete Desinformationen. Und das Berliner Abgeordnetenhausmitglied Gunnar Lindemann relativierte die Verbrechen, indem er auf Kriegsverbrechen der USA im Irak verwies. Lindemann hatte bereits vor ein paar Wochen russisch gefärbte Desinformationen nach der Bombardierung eines Kinderkrankenhauses in Mariupol verbreitet und trat in der Vergangenheit bei Reisen in Separatisten-Gebiete des Donbass als Pseudo-Wahlbeobachter auf.

Ungeheuerlichkeiten wie diese sorgen auch innerhalb der AfD auf allen Ebenen für Konflikte. So beschäftigt sich die heutige Fraktionssitzung auch mit der Bundestagsrede des AfD-Abgeordneten Steffen Kotré von Ende März, in der dieser das unbelegte Propagandamärchen von amerikanischen Biowaffenlaboren in der Ukraine nachplapperte und sein Fraktions-Vize Norbert Kleinwächter das wiederum „widerliche Putin-Propaganda“ nannte und Ordnungsmaßnahmen forderte.

Eine klare Verurteilung Kotrés durch den Fraktionsvorstand blieb bisher aus. Vielmehr fordern 17 Mitglieder der AfD-Fraktion nun in einer Beschlussvorlage Ordnungsmaßnahmen ausgerechnet gegen Kleinwächter, weil der seine Kritik an der Putin-Propaganda öffentlich geäußert hatte. Nun drohen diesem drei Monate Redeverbot und eine Rüge.

Auf der Pressekonferenz geht das Chaos weiter

Die Beschlussvorlage gegen Kleinwächter stammt wiederum zum Teil von Abgeordneten, die sich in der Vergangenheit als Pseudo-Wahlbeobachter Russland andienten: Also etwa Steffen Kotré und Marcus Frohnmaier. Aber auch der offizielle außenpolitische Sprecher der Fraktion, Petr Bystron, der vom Militärgeheimdienst als rechtsextrem eingestufte Hannes Gnauck sowie die AfD-Politiker Jürgen Pohl, Stephan Protschka und Karsten Hilse brachten die Beschlussvorlage ein. Die Gruppe bezeichnete Kleinwächters Kritik als „grob partei- und fraktionsschädigend“ und kritisierte, dass Kleinwächter in einer Rede den Ausschluss Russlands aus dem Europarat gefordert hatte.

Die AfD erlebt derzeit aufgrund des russischen Angriffskrieges und traditionell eher enger Verbindungen nach Russland viele Austritte – vor allem in westdeutschen Landesverbänden wird die Putin-Nähe nicht zuletzt des Parteichefs Tino Chrupalla und Co-Fraktionschefin Alice Weidel in Teilen äußerst kritisch bewertet –, aber auch in der Parteispitze ist Chrupalla nicht unumstritten.

Der Konflikt war auch Thema bei der wöchentlichen Fraktionspressekonferenz am Dienstagvormittag. Hier sagte der Parlamentarische Geschäftsführer, Bernd Baumann: „Beide Seiten sind unklug vorgegangen und müssen zurückrudern.“ Die Behauptung, in der Ukraine gebe es Biowaffenlabore, scheine ihm „nicht erhärtet“, aber auch die öffentliche Reaktion sei „eine Form, die wir nicht weiter pflegen wollen“. Man wolle das nun intern klären.

Mit einer scharfen Verurteilung Russlands wegen der Verbrechen in Butscha tat sich auch Baumann schwer. Auf die Frage, ob Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung nicht ein Grund wären, beim eher zurückhaltenden Positionspapier der Fraktion nachzuschärfen, sagte er, dass es zunächst einer lückenlosen Aufklärung bedürfe – „und dann sieht man, wer schuldig ist für was.“ Dann werde man reagieren.

Es bleibt also beim Fraktionskonsens, von wirtschaftlichen Sanktionen abzusehen und Waffenlieferungen an die Ukraine abzulehnen. Vor diesem Hintergrund zynisch: In dem Papier betrauert die AfD die „zivilen Opfer beider Seiten“.

Um Kopf und Kragen redete sich zudem der sächsische AfD-Abgeordnete Karsten Hilse. Angesprochen auf den desinformierenden Tweet seines sächsischen Kollegen Krah forderte er eine unabhängige Aufklärung der „schrecklichen Vorgänge“ durch eine Untersuchungskommission, äußerte aber mit Blick auf Krahs Äußerungen auch vage Zweifel an bisherigen Darstellungen zu Butscha: „Da gibt es ein paar Dinge, die sich nicht so nachvollziehbar darstellen“, sagte Hilse. Absurd: Ein paar Minuten später stritt er seine eigene Aussage ab, obwohl die Pressekonferenz live gestreamt wurde und mehrere Jour­na­lis­t*in­nen die Aussagen mitgeschrieben hatten.

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