Nach Angriff auf Rechtsextreme: Autonome in Leipzig festgenommen
Die Bundesanwaltschaft durchsucht drei Leipziger Linksradikale und nimmt eine Frau fest. Sie sollen eine rechte Kneipe überfallen haben.
Die Bundesanwaltschaft verkündete am Freitag die Durchsuchung dreier Personen in Leipzig und die Festnahme einer Frau, Lina E. Die Vorwürfe gegen die 25-Jährige wiegen schwer: Sie soll Anführerin einer kriminellen Vereinigung sein, die sie mit anderen Autonomen bildete, und sich gleich an mehreren Straftaten beteiligt haben.
Ermittelt hatte zunächst die vor einem Jahr gegründete Soko LinX des sächsischen Landeskriminalamts, später stieg die Bundesanwaltschaft ein. Laut deren Vorwürfen soll sich Lina E. spätestens im September 2019 einer Gruppe militanter Linksextremisten in Leipzig angeschlossen haben, die Angriffe auf Rechtsextreme planten und ausführten. Lina E. habe dabei eine „herausgehobene Stellung“ eingenommen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Sie soll bei Anschlägen das Kommando übernommen, diese vorbereiten und ihr Auto dafür zur Verfügung gestellt haben.
Angriff mit Schlagstöcken und Reizstoff
Es ist vor allem ein Angriff auf die Eisenacher Gaststätte „Bulls Eye“, welche die Ermittler der Frau vorwerfen. Das Lokal gilt als rechter Treffpunkt, auch der Thüringer Verfassungsschutz nennt den Betreiber einen Rechtsextremisten. In den frühen Morgenstunden des 19. Oktober 2019 hatten 10 bis 15 Vermummte, Lina E. soll dazu gehört haben, das „Bulls Eye“ angegriffen und auf Anwesende eingeschlagen. Eingesetzt wurden auch Schlagstöcke und Reizsprühgeräte, Mobiliar und Fensterscheiben gingen zu Bruch. Laut Bundesanwaltschaft wurden die Angegriffenen „erheblich“ verletzt, Thüringer Sicherheitsbehörden sprachen dagegen von sechs leicht Verletzten.
Die 25-Jährige soll mit ihrer Gruppe danach einen weiteren Anschlag auf die Gaststätte geplant haben. Dafür habe sie tags zuvor zwei Hämmer in einem Leipziger Baumarkt geklaut, wurde dabei aber von einem Sicherheitsbediensteten erwischt. Sie riss sich los und versuchte zu entkommen, wurde kurze Zeit später aber gestellt.
Laut Bundesanwaltschaft setzten Lina E. und die Gruppe dennoch die Observation der Gaststätte fort. Am 14. Dezember 2019 sei der Betreiber schließlich in der Nähe seiner Wohnung überfallen worden, wieder unter Einsatz von Schlagstöcken, einem Hammer, einem Radschlüssel und Stangen. Auch seine Begleiter wurden attackiert, ebenso wie deren Auton. Auch hier sei es zu Verletzungen gekommen. Die Angreifer wiederum sollen im Auto von Lina E. geflüchtet sein, das mit zuvor gestohlenen Kennzeichen präpariert war.
Vernetzung mit Berliner Autonomen
Es war dieser Angriff, bei dem die Ermittler Lina E. offenbar auf die Spur kamen. Denn die Polizei konnte damals zwei Autos der Flüchtenden stoppen, beide mit gestohlenen Kennzeichen. Ein VW Golf hatte dabei ein Leipziger Nummernschild, dort wurden ein Mann und eine Frau vorläufig festgenommen. Aus einem Skoda Octavia mit Eisenacher Kennzeichen flohen zunächst die fünf Insassen, zwei konnten aber kurz darauf festgenommen werden. Die Polizei teilte damals mit, dass die Festgesetzten aus dem Raum Weimar, Kassel, Berlin und Braunschweig gekommen seien.
Die Gruppe um Lina E. soll dennoch weiter aktiv geblieben sein. Noch im Juni diesen Jahres habe die Frau die Wohnung eines Mannes in Leipzig ausgespäht, um einen Angriff zu begehen, erklärte die Bundesanwaltschaft. Nach taz-Informationen geht es dabei um einen stadtbekannten Rechtsextremen. Für den Angriff soll sich die Gruppe auch mit Berliner Autonomen vernetzt haben. Die Tat sei aber „durch polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen“ verhindert werden, so die Ermittlungsbehörde.
Bereits am Donnerstagabend waren die PolizistInnen nun bei Lina E. angerückt. Noch am Freitag sollte sie einem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Die Vorwürfe lauten auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlich gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedensbruch, räuberischer Diebstahl, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung.
Die anderen zwei Durchsuchten wurden nicht festgenommen. Ihnen wird Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Linke Abgeordnete fordert faires Verfahren
Erst am Dienstag hatten Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) und Verfassungsschutzchef Dirk-Martin Christian vor einer Radikalisierung der linksextremen Szene im Freistaat gewarnt. Leipzig sei ein bundesweiter „Brennpunkt“ der Gewalt. Auch Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, warnte zuletzt vor einer „Enthemmung“ der linksextremen Szene. Deren Gewalttaten würden immer brutaler, anders als früher seien direkte Angriffe auf Personen in der Szene kein Tabu mehr, Teile der Szene schotteten sich ab.
Die Leipziger Linken-Abgeordnete Jule Nagel betonte dagegen, dass im Fall Lina E. zunächst die Unschuldsvermutung gelte. „Ich erwarte ein rechtsstaatlich faires Verfahren, ohne Vorverurteilungen, wie wir es von Verfahren gegen Linke leider zur Genüge kennen“, sagte sie der taz. Werde der Vorwurf der Bildung krimineller Vereinigungen bei Neonazis nur „behutsam“ eingesetzt, sei er auf der anderen Seite ein Instrument zur „Kriminalisierung ganzer Teile der politischen Linken“. Nagel geht davon aus, dass das Verfahren gegen Lina E. „bundesweit kritisch beobachtet wird“.
Für die Ermittler ist die Festnahme der Leipzigerin dennoch ein seltener Erfolg. Erst im September waren nach Ermittlungen der Soko Linx zwei Männer festgenommen worden, denen Brandanschläge auf den Neubau der JVA Zwickau und eine daran beteiligte Baufirma vorgeworfen wird. Die Beweislage ist hier indes wacklig: Die Ermittler wollen die Männer mithilfe von Polizeihunden überführt haben, die Gerüche an einem nichtgezündeten Brandsatz auch in der Wohnung der Beschuldigten gewittert hätten.
Zu den Brandanschlägen in Leipzig oder den Angriffen auf Polizisten in der Connewitzer Silvesternacht gibt es dagegen bis heute keine Festnahmen. Auch Lina E. soll damit nichts zu tun gehabt haben.
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