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NRW-Innenminister über LützerathFast alles tutti in Lützi?

Innenminister Reul lobt den Polizeieinsatz in Lützerath. Schwerverletzte habe es nicht gegeben, aber 480 Delikte. Protestierer sehen es anders.

Hier steht nichts mehr: Gelände des ehemaligen Dorfes Lützerath Foto: Henning Kaiser/dpa

Düsseldorf/Berlin taz | Wie gewalttätig war der Polizeieinsatz bei der Räumung von Lützerath? Darüber diskutierte am Donnerstag der Innenausschuss in Nordrhein-Westfalen. Innenminister Herbert Reul (CDU) lobte den Einsatz als „gut und professionell“, die Polizeiführung habe „äußerst besonnen“ agiert. Anders sehen es die Aktivist:innen: Sie kritisieren weiter Polizeigewalt und eine hohe Zahl an Verletzten.

Laut Reul waren in der Spitze bis zu 3.700 Polizeikräfte im Einsatz, aus fast dem gesamten Bundesgebiet. 372 Aktivist:innen, die zuvor den Weiler besetzt hatten, um dessen Abbaggerung durch RWE zu verhindern, hätten diesen freiwillig verlassen – was Reul lobte. 159 Be­set­ze­r:in­nen seien durch die Polizei geräumt worden. Anfangs sei es dabei zu Stein-, Flaschen und Molotowcocktailwürfen gekommen. Zehn Ak­ti­vis­t:in­nen hätten in längerfristigem Gewahrsam gesessen. Einer sitze bis heute in U-Haft wegen eines Brandsatzwurfs.

Reul äußerte sich auch zum Polizeieinsatz bei der Großdemonstration am Samstag – nach dem die Initiative „Lützi lebt“ massive Gewalt durch die Einsatzkräfte beklagt hatte. Po­li­zis­t:in­nen hätten Teilnehmende mit Schlagstöcken gezielt gegen Köpfe geschlagen und eine Vielzahl an Verletzten verursacht. Zunächst hatten Demo-Sanitäter:innen auch von mehreren lebensgefährlich Verletzten gesprochen. Das wurde später relativiert: Vor Ort sei dies eine erste Einschätzung gewesen. Im Krankenhaus hätte dies, mit den besseren Diagnosemöglichkeiten, anders eingeschätzt werden können.

Die Initiative beklagt gut 100 Verletzte

Dennoch lägen nach einer ersten Umfrage 45 Meldungen zu Kopfverletzungen durch Polizeischläge vor, betonte „Lützi lebt“. Mindestens 115 Menschen seien geschlagen worden, 65 davon mit Schlagstöcken. Mindestens zehn Menschen hätten Knochenbrüche erlitten. Dazu gebe es wohl eine hohe Dunkelziffer an Verletzten. Und, so die Initiative: Auch das Durchfließen von Polizeiketten rechtfertige „in keinster Weise ein pauschales und derartig brutales Vorgehen der Polizei“.

Reul widersprach den Zahlen. Der Polizei seien nur neun verletzte Ak­ti­vis­t:in­nen in Krankenhäusern bekannt – niemand davon lebensgefährlich, sondern mit Arm- und Beinverletzungen, im schwersten Fall eine Gehirnerschütterung. Auch rund 100 Beamte seien verletzt worden, die meisten auf der Demonstration am Samstag, sagte Reul. Zuvor hätten sich etliche aber auch ohne Fremdeinwirkung verletzt, indem sie etwa im Schlamm umknickten. Die meisten Beamten hätten im Dienst bleiben können. Fünf seien aber im Krankenhaus behandelt worden.

Reul verteidigte auch den Polizeinsatz bei der Demonstration. Er warf einigen der Teilnehmenden eine geplante Eskalation vor. So hätten etliche Vermummte Polizisten angegriffen, teils mit Steinen, Holzlatten oder Pyrotechnik. Einige hätten versucht, den Beamten Schlagstöcke oder Pistolen zu entwenden. Polizeipferde seien scheu gemacht worden. Erst darauf sei es zu den Schlagstockeinsätzen gegen Protestierende gekommen, so Reul.

Auch gegen fünf Polizisten wird ermittelt

Bei der Demonstration sei es zu 50 Straftaten gekommen, bei der Räumung insgesamt zu weiteren 430 Delikten, erklärte Reul. Darunter seien tätliche Angriffe, Widerstandshandlungen oder Sachbeschädigungen. Auch gegen fünf Beamte werde ermittelt, zumeist wegen Körperverletzung im Amt, in einem Fall auch wegen sexueller Belästigung.

Bei der Debatte im Land lobten alle Fraktionen den Polizeieinsatz als professionell. Grüne und SPD forderten aber weitere Aufklärung über Gewaltvorfälle auf beiden Seiten ein. Die Grünen-Fraktionsvize Julia Höller erklärte, sie verurteile Gewalt wie Steinwürfe von Protestierenden „ganz klar“. Genauso müsse aber auch Fehlverhalten der Polizei benannt und verfolgt werden. FDP und AfD warfen wiederum den Grünen vor, sich nicht ausreichend von gewalttätigen Protestierenden zu distanzieren – was sich Höller verbat.

Die Initiative „Lützi lebt“ forderte derweil weiter „Konsequenzen für die Verantwortlichen der massiven Gewalt“, auch für die schwarz-grüne Landesregierung. Zudem brauche es unabhängige Institutionen, damit Polizeigewalt „endlich“ Folgen habe und sich „Täter*innen nicht weiter gegenseitig decken können“.

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6 Kommentare

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  • taz: "Einige hätten versucht, den Beamten Schlagstöcke oder Pistolen zu entwenden. Polizeipferde seien scheu gemacht worden. Erst darauf sei es zu den Schlagstockeinsätzen gegen Protestierende gekommen, so Reul."

    Herbert Reul (CDU) hat anscheinend zu viele Science-Fiction-Filme gesehen, wo kampferprobte Aktivisten Polizisten entwaffnen. Nun ja, Herbert Reul hat es ja ohnehin noch nie so genau mit der Wahrheit genommen, wenn man sich den taz-Artikel von 2019 durchliest. Schon 2019 sagte Reul: *"Die Besetzerszene sei gewaltbereit", und legt eine Statistik vor. Nur: Die ist komplett zusammengebastelt.* [taz-2019] taz.de/Herbert-Reu...er-Forst/!5573869/

    Man darf auch nicht vergessen, dass Herbert Reul ein CDU-Politiker ist, und dass die CDU und RWE seit Jahren dicke Freunde sind. *Greenpeace Deutschland: "RWE sagt Danke CDU" (Parodie)* www.youtube.com/watch?v=cuwhKlqBx-Q

    Ob Greenpeace das jetzt unbedingt als Parodie bezeichnen muss, das weiß ich nicht, aber Greenpeace will sich damit natürlich rechtlich absichern. Auch Herbert Reul (CDU) wird sich jetzt wieder "rechtlich absichern", aber da muss er sich wohl keine großen Sorgen machen, dass er diesmal Schwierigkeiten bekommt, denn "Bei der Debatte im Land lobten alle Fraktionen den Polizeieinsatz als professionell." [taz]. Von Herbert Reul erwartet man ja nichts anderes, von den Grünen aber schon. Das Problem sind momentan wirklich die Grünen, die immer gerne über Umwelt- und Klimaschutz reden, aber sobald sie an den "Fleischtöpfen der Macht" sitzen, erzählen sie etwas von Realpolitik und das sie sich jetzt den politischen Gegebenheiten anpassen müssen. Mal sehen, wie lange sie damit noch durchkommen, denn Grünenwähler lassen sich nicht ständig zum Narren halten. Damals haben die Grünen bei Hartz IV mitgeholfen und jetzt beim "platt machen" von Dörfern, damit RWE weiterhin das Klima zerstören kann. Vielleicht brauchen wir im 21. Jahrhundert endlich mal eine echte grüne Umweltpartei.

    • @Ricky-13:

      Da stimme ich 100% zu! - Die Grünen werden jedenfalls nie wieder so einen Stimmenfang wie bei der letzten Wahl hinlegen. Das ist mal sicher. Und das ist auch gut so. So eine Umweltpartei kann man getrost in "der Pfeife rauchen"...

  • "Auch rund 100 Beamte seien verletzt worden, die meisten auf der Demonstration am Samstag, sagte Reul. Zuvor hätten sich etliche aber auch ohne Fremdeinwirkung verletzt, indem sie etwa im Schlamm umknickten. Die meisten Beamten hätten im Dienst bleiben können. Fünf seien aber im Krankenhaus behandelt worden."



    Gleich zwei Fragen? Die meisten am Samstag? Wann denn sonst noch? Aus dem letzten Jahr die Zahlen gleich noch dazu genommen? ;) Achso Polizisten die scheinbar nicht mal richtig laufen können, werden auch als Personen den Gewalt angewendet aufgezählt? Interessant. Aber Hauptsache den größeren Schniedel haben, selbst man scheinbar laufunfähige Polizisten dazu ranholen muss.LoL. Sorry kann da nicht anders.

  • Wenn ich das richtig lese ist kein Polizist durch gewollte Gewalt verletzt worden. Ein Molli wurde auf die Straße geworfen, also klar nicht gezielt auf Menschen, wobei das natürlich sehr gefährlich ist und zu Recht bestraft werden muss, da auch Polizisten, Demonstranten oder Pressevertreter versehentlich hätten verletzt werden können.

  • Es erinnert mich an Julia Glöckner, die eine Minister war, die eigentlich für die Lobbyindustrie arbeitete.

    Reul ist "auf der Seite" der Polizei und GEGEN Aufklärung (=gegen die "linken" Demonstranten).

    Typisch CDU, Ministern zu wählen, die nicht für die Mehrheit arbeiten.

    Das ist antidemokratisch.

  • Selbstdarstellung und Machterhalt



    Ist schon interessant:



    "Die Grünen" spielen Opposition in der eigenen Regierung.



    Allerdings nicht zu laut.



    Wer sich mit der CDU gemein macht, verändert sich.



    Die Proteste im Hambacher Forst haben "die Grünen" offiziell noch unterstützt und gegen den Polizeieinsatz geklagt.



    Für Lützerath stehen "die Grünen" genauso in der Verantwortung, wie die CDU.



    Es wäre schön, wenn es in Zukunft wieder eine grüne Partei gäbe, die sich an Inhalten und nicht an Pöstchen orientiert.



    Ich bin konservativ beim Erhalt meiner Grünen Werte.



    "Die Grünen" werden konservativ zum Machterhalt.