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NPD-Kundgebung in BraunschweigPolizei toleriert Reichsflaggen

Niedersachsen hat das Zeigen von Reichsflaggen per Erlass verboten. Bei einer NPD-Kundgebung in Braunschweig schreitet die Polizei trotzdem nicht ein.

Seit Jahren bei rechtsextremen Aufmärschen im Einsatz: Reichs(kriegs)flaggen, hier 2011 in Peine Foto: dpa

Hamburg taz | Einen für den vergangenen Samstag geplanten Aufmarsch für das Tragen der schwarz-weiß-roten Reichsflagge sagte „Die Rechte“ Bremerhaven kurzfristig ab. Dafür mobilisierte sie für den gleichen Tag zu einer Kundgebung der NPD in Braunschweig. Das dortige Thema war ebenfalls der Ärger über Bestrebungen mehrerer Bundesländer, das Zeigen der Reichsflagge zu untersagen. Niedersachsen hat kürzlich einen Erlass gegen die schwarz-weiß-rote Flagge beschlossen.

Nach der Kundgebung provozierten die Rechten, es kam auch zu Übergriffen. Die Polizei ermittelt gegen drei Beschuldigte aus dem rechten Spektrum wegen Körperverletzung.

Am Vormittag waren unter dem Motto „Ja zur Tradition – Kein Verbot stoppt Schwarz-weiß-rot“ rund 30 Rechte auf dem Herzogin-Anna-Amalia-Platz in der Innenstadt zusammengekommen. Über 100 Menschen waren gegen die NPD-Kundgebung auf der Straße.

Mit Verwunderung musste das „Bündnis gegen Rechts Braunschweig“ feststellen, das die Polizei bei den NPD- und „Die Rechte“-Anhänger*innen trotz des Mitführens der Reichsfahne nicht einschritt. „Ist der Erlass nur ein Papiertiger?“, fragte der Journalist und Sprecher des Bündnisses, David Janzen, via Twitter. Die Polizei erklärte, nicht eingeschritten zu sein, da das „Zeigen der Reichsflagge (...) nicht friedensstörend oder provozierend erfolgt“ sei.

Nach 21 Uhr, die NPD-Kundgebung war schon lange zu Ende, randalierten Rechtsextreme auf dem Frankfurter Platz im westlichen Ringgebiet und griffen Personen an. Als die Polizei eintraf, war die Randale bereits vorbei. Die Polizeisprecherin sagte, die Beamt*innen hätten zwar noch Tatverdächtige und Zeug*innen angetroffen, zu den Opfern der Übergriffe könne sie aber nichts sagen – die Vernehmungen liefen noch.

Militantes Auftreten

Vor dem Angriff waren die NPD- und „Die Rechte“-Anhänger an einem Kiosk zusammengekommen. Von dort postet die Gruppe von acht Männern ein Selfie und zog dann durchs Ringgebiet, überklebte Stolpersteine, klingelte an Häusern, in denen sie Antifaschist*innen vermutete, bedrohte Anwohner*innen und posierte vor Geschäften von Migrant*innen.

Seit Jahren trete die Szene in Braunschweig bewusst militant auf, sagt Janzen, der selbst immer wieder bedroht wird. Zuletzt fand er am 16. Oktober einen Zettel mit einem aufgemalten Strick in seinem Briefkasten. Der letzte bekannt gewordene Übergriff erfolgte in der Nacht zum 4. Oktober auf den Ratsherrn von „Die Partei“, Maximilian Hahn. Sechs Anhänger von „Die Rechte“ schlugen und traten ihn.

„Die Rechtsextremen wollen ihre Zone markieren“, sagte Janzen. Am Sonntag liefen allerdings 300 Personen unter dem Motto „Westliches Ringgebiet bleibt Antifa!“ durch das Gebiet. Es begleitete sie der Applaus von Anwohner*innen.

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10 Kommentare

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  • Was auch noch interessant ist, dass die 30 Nazis nach ihrer Kundgebung von der Polizei durch die Innenstadt zu der Wohnung einer der Nazis eskortiert wurden. An diesem Tag lag die 7-Tage-Inzidenz bei 34 - also waren max. 25 Leute in einer Wohnung erlaubt.

  • Polizei braucht uns...

    Nach jeder Demo und Durchsuchung und Räumung und was sonst zum Berufsbild gehört,



    wird der Polizei erklärt, was sie falsch gemacht hat, also zu hart hier, zu lasch dort, zu viel Polizei hier, zu wenig dort...



    da muss man sich über deren Verwirrtheit nicht wundern.

    Helfen wir ihnen und damit uns allen:



    Ein Gremium oder Bündnis der Gutwilligen legt eine Liste auf, wo genau Augenmaß und Deeskalation in Ordnung sind, und wo eben nicht; das sollte nicht schwer fallen.



    Dann ist allen Rechten, Linken, der Antifa, der PKK... geholfen und die Polizei hat wieder Orientierung und kann‘s richtig machen.

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Allesheuchler:

      Das erinnert mich an den Morgenkreis in der Grundschule meiner Tochter.

      "Und jetzt waschen wir alle uns noch einmal die Hände und sind heute ALLE sehr nett zu einander."

  • Bei "Kumpels" kann man ja mal das rechte Auge zu drücken.

  • Die Idee das Reichskriegsflaggen verboten sein sollen nur weil die Nazis die jetzt auch benutzen ist meiner Meinung nach nicht durchdacht.

    Die NSU hat in ihren Videos den rosaroten Panther verwendet, soll der nun auch verboten werden?

  • Der Erlass besagt, dass das Zeigen der Flagge untersagt werden kann, nicht muss. Das heißt, wenn's die Polizei nicht stört, geht's. Mit einer solchen "Polizei" wie im vorliegenden Fall verkehrt sich dieser Erlass im Ergebnis in die höchst offizielle Legitimation faschistischer Symbole. Da ist er wieder, dein Freund und Helfershelfer.

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Karl Kraus:

      Bei Polizeieinsätzen (und aktuell bei Abwehrmaßnahmen gegen Corona) wird hinterher oft deren "Verhältnismäßigkeit" bezweifelt.

      Könnte es nicht sein, dass die Polizei nicht gegen diesen lächerlichen Stofffetzen vorgegangen ist, um größeren - vielleicht sogar medienwirksameren - Stress zu vermeiden?

      • @06360 (Profil gelöscht):

        Diese lächerlichen Stofffetzen werden geschwenkt von Leuten, die andere terrorisieren, mit Gewalt und Tod bedrohen. Siehe Text. Den Erlass hätte eine Polizei, die einer wehrhaften Demokratie würdig wäre, zur sofortigen Beschlagnahmung und zur Auflösung der Kundgebung genutzt. Bei Gegenwehr kann man durchaus auf die sehr gut eingeübte Praxis des Prügelns und Einkesselns zurückgreifen. Gibt ja bei Leuten, die weit weniger gefährlich sind, ausreichend Erfahrung. Nazis sind Mörder, wenn man sie lässt. In diesem Fall wurde wieder mal gezeigt, wie außerordentlich freundlich und "abwägend" man dem größten innerdeutschen Terrorsumpf gern begegnet. Fast ein Coup für die Freunde des Menschenhasses diesseits und jenseits der Demo.

      • 9G
        90564 (Profil gelöscht)
        @06360 (Profil gelöscht):

        einfach antwort, nein und die jetzt zu erwartende kritik wird tapfer ausgessen, gibt schliesslich immernoch gutgläubige, die unbedingt glauben wollen, dass die polizei gegen rechts einschreiten würde, gegen rechts betreibt die polizei arbeitsverweigerung

      • @06360 (Profil gelöscht):

        Klar, deshalb war die Polizei am letzten Wochenende am Berliner Alex "zufällig" auch mit viel zu wenigen Beamten vor Ort.



        Kann ja mal passieren.



        Und "mal" ist zufällig immer bei "rechten" Demos.



        Antifa: Knüppel, Wasserwerfer, Pfefferspray.



        Rechte: Sonderfahrten mit S- und U-Bahn.