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NGO will Deutschland klimaneutral machenIm Turbogang gegen die Krise

Die neue Organisation „German Zero“ hat große Pläne: Bis 2035 soll Deutschland komplett klimaneutral werden. Das finden nicht alle realistisch.

Sie müssten in einem klimaneutralen Deutschland seltener und mit erneuerbaren Treibstoffen abheben Foto: dpa

Es ist ein Plan, den man durchaus ambitioniert nennen kann: Bis 2035 soll Deutschland komplett klimaneutral werden; schon im Frühjahr 2022 werden die dafür notwendigen Gesetze inklusive Grundgesetzänderung verabschiedet. Und durchsetzen will das eine Organisation namens „German Zero“, die erst vor einigen Monaten gegründet wurde, seit letzter Woche als gemeinnütziger Verein anerkannt ist und die bislang gerade mal fünf bezahlte MitarbeiterInnen hat.

Trotzdem dürfte das Projekt nicht so chancenlos sein, wie es auf den ersten Blick erscheint. Initiiert wurde German Zero von Heinrich Strößenreuther, der neben Berufserfahrung bei der Deutschen Bahn, bei Greenpeace, im Bundestag und als Start-up-Unternehmer vor allem seine Erfahrung als Initiator des erfolgreichen Berliner Volksentscheids zum Radverkehr mitbringt. Und Strößenreuther hat mit seiner Idee einer bundesweiten Kampagne für ein klimaneutrales Deutschland in kurzer Zeit viele Unterstützer mobilisiert.

Nicht unbedingt bei den klassischen klimapolitischen Akteuren, die das neue Projekt – sofern sie es überhaupt kennen – bisher meist abwartend beobachten. Sondern vor allem aus verschiedenen Start-up-Unternehmen und Prominenten aus der Unterhaltungsbranche, darunter Joko Winterscheidt, Carolin Kebekus, Sven Regener, Eva Menasse und Jan Delay.

Als German Zero am Dienstag im Berliner Techno-Club Tresor seinen „1,5-Grad-Klimaplan für Deutschland“ vorstellte (hier als pdf), war von den Promis zwar niemand zu sehen. Doch zumindest haben sie mit dafür gesorgt, dass die Veranstaltung stattfinden konnte. Denn aus diesen Kreisen stammt auch die Anschubfinanzierung für die neue NGO: Allein an einem Abend im Oktober, als Strößenreuther sein Konzept vor etwa 30 Personen aus der Show- und Start-up-Szene vorstellte, kam fast eine halbe Million an Spenden zusammen.

Die wurden unter anderem dafür genutzt, im November eine zweitägige Zukunftswerkstatt mit 30 Umwelt- und PolitikexpertInnen zu veranstalten. Dort wurde ein Maßnahmenkatalog erstellt, mit dem Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden soll. Dazu gehören unter anderem ein deutlich ambitionierter CO2-Preis als der derzeit geplante, der Abbau sämtlicher klimaschädlicher Subventionen, ein sehr viel schnellerer Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie Speichern, die Umstellung von Industrieprozessen auf Wasserstoffbasis, ein massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein Tempolimit von 120 und die Einstellung des Verkaufs fossiler Brennstoffe ab 2030.

Gesetzespaket geplant

Nächstes Jahr soll auf dieser Grundlage ein Gesetzespaket erstellt werden, für das dann im Wahlkampf und bei den Koalitionsverhandlungen mit einer breiten Kampagne geworben werden soll. Die dafür benötigten 6 Millionen Euro sollen im Gegensatz zur Anschubfinanzierung vor allem durch Kleinspenden aufgebracht werden.

„Weil die Politik es offensichtlich nicht hinbekommt, haben wir jetzt selber einen Plan vorgelegt“, sagte Strößenreuther. Obwohl die Maßnahmen natürlich mit Kosten und Einschränkungen verbunden seien, hofft er auf breite Unterstützung. „Viele Menschen sagen, sie möchten sich später nicht von ihren Kindern fragen lassen müssen: ‚Was hast du denn damals eigentlich gegen die Klimakrise gemacht?‘“, sagte er.

Gemischte Reaktionen

Unterstützt wurde er am Dienstag bei der Vorstellung des Plans von der früheren BUND-Vorsitzenden Angelika Zahrnt, die auch am Maßnahmenplan mitgearbeitet hat. „Trotz der breiten Proteste passiert politisch viel zu wenig“, sagte sie. Darum sei es gut, wenn aus der Klimabewegung jetzt auch konkrete Forderungen erhoben würden. Bei großen Organisationen dauere es sehr lange, sich auf so einen Plan zu einigen, sagte Zahrnt. „Darum begrüße ich die Radikalität und den Mut von German Zero.“

Kritischer fällt die Einschätzung vom Co-Vorsitzenden der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, aus: „Den Gebäudesektor in 15 Jahren komplett klimaneutral zu bekommen, ist kaum realistisch“, sagte er der taz. „Die Aufgabe ist schon schwer genug, noch radikalere Ziele helfen da nicht.“

Christoph Bals, Geschäftsführer der Klima- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, setzt dagegen Hoffnung in das neue Projekt. „Es ist ein innovativer Impuls, der ein spannendes Konzept in die politische Debatte bringt“, sagte er der taz. Allerdings müssten die Vorschläge noch sozialpolitisch flankiert werden. Auch Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klimaallianz, sagt: „Wir finden das sehr spannend.“ Über eine mögliche Kooperation sei aber noch nicht entschieden worden.

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15 Kommentare

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  • Ideen sind zu begrüßen, da die Diskussion hilft das Bewusstsein für die Probleme zu schärfen.



    Aber die Vorschläge ähneln eher Aktionismus. Immer mehr drastischere Forderungen ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Menschen im hier und jetzt können wachsende Ablehnung verursachen.

  • Ein Handel mit Verschmutzungsrechten ist eine Fortsetzung der Verschmutzung. Kann die Erde nicht in Rechnung stellen.

  • Naja, mit Miesepetrigkeit und Hohn kommt man erst recht nicht weiter.



    Gut das es engagierte Menschen gibt, die mit Ideen und Elan frischen Wind in die müde Politik bringen.

    • @Traverso:

      Ich finde es ziemlich einfältig, bei den Beschlüssen zur vermeintlichen Klimarettung einfach nur einen drauf zu setzen, zumal eine CO2 Steuer den wohlhabenden Teil der Bevölkerung erst dann zur Reduzierung des CO2 Fußabdruckes ZWINGEN würde, wenn diese so hoch wäre, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung schon in die Knie gezwungen wäre.



      Das erscheint mir unwahrscheinlich.



      Eine wirksame CO2 Verminderung müsste bei den wirklich großen Emissionen ansetzen, stattdessen werden insbesondere die Geringverdienende gezwungen, den Gürtel enger zu schnallen.

      Sie sprechen von Hohn. Ja, da ist eine Menge Hohn mit im Spiel. Aber anders als Sie das sehen. Hier werden mal wieder die Ärmeren verhöhnt.

      • 8G
        80198 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Wieso sollen Ärmere ein Recht auf Klimaverschmutzung bekommen ? Das auf andere zeigen hilft nicht, sondern lenkt ab. Nur wenn jeder sich anstrengt erreichen wir schnell unser Ziel ohne Verzögerung

        • @80198 (Profil gelöscht):

          Es geht nicht darum Ärmeren ein Recht auf Verschmutzung und Zerstörung zu geben.

          Es geht Rolf B. eher darum den wohlhabenden, die ohnehin für den größten Teil der Umweltbelastungen verantwortlich sind, nicht weniger zu belasten als den kleinen Mann/Frau.



          Eine C02-Steuer wie sie aktuell angesetzt ist, wird dem leider nicht gerecht.

    • @Traverso:

      Sorry, sollte eigentlich eine Antwort auf Rolf.B. sein

  • Das ist der konkreteste Klimaplan, den ich bisher gesehen habe. Umfassend über alle Sektoren, durchgreifend bis zur 100%igen Klimaneutralität. Klar gibt es da noch konzeptionelle Unschärfen, das betonen die Autoren ja selbst. Wichtig ist jetzt, die Dimension der Herausforderung anzunehmen.

    Kein Verzetteln mehr über Kassenbonpflicht, Sitzplatzreservierungen oder GroKo-Selbstbespiegelung. All diese Themen haben wir doch nur deshalb befeuert, weil uns die Lösung der eigentlichen Menschheitsherausforderung unmöglich erschienen. Schluss mit der ängstlichen Verdrängung.

    German Zero zeigt, wie wir die Sache in Einzelpakete aufteilen können. In der Summe entsteht die große Transformation.

    • @Hans Hagedorn:

      Vielen Dank für Ihre positive Einschätzung !

  • Die Zunahme an NGOs mit Klimabezug ist erstaunlich. Ist das eine neue Geschäftsidee?



    Man sammelt Millionen, brüstet sich mit vermeintlicher Potenz, überflügelt alle marktradikalen Konzepte und behauptet, dass man sich irgendwann auch um die sozialen Probleme kümmern wird, die quasi als Kollateralschäden anfallen. Und eine kritische Beurteilung müssen solche NGOs auch nicht befürchten. Ist doch alles so schön systemkonform.

    • G
      Gast
      @Rolf B.:

      Eine Geschäftsidee? Das große Geld wird nach wie vor in Sektoren gemacht, die mit Klimaschutz nichts zu tun haben!

      Auch ansonsten fällt der Kommentar eher durch Pauschalisierungen und Sarkasmus auf, als durch durchdachte Kritik (was ja absolut gewünscht wäre)..



      Wenn Sie sich dazu herablassen einen Kommentar zu verfassen, der wenigstens etwas erkennbaren Bezug zu GermanZero und dem Artikel hat, wäre das ein guter Grund wirklich inhaltlich zu diskutieren.

    • @Rolf B.:

      die bürgerliche demokratie ist nach jqhrzehnten weltmarktorientierter neoliberaler politik schon zu tot um die soziale frage noch beantworten zu können und noch nicht tot genug um für den schnellen ausstieg aus dem fossilismus kein hindernis mehr sein zu können.



      was für eine rolle wird sie also spielen wenn sich an dem rahmen der die spielregeln diktiert nichts ändert?zweifelsohne eine reaktionäre!.



      wie könnte man das ändern!



      nur in dem man die systemfrage stellbar macht.wie macht man die systemfrage stellbar?:



      indem man den freihandel beendet und kapitalverkehrskontrollen einführt.was also ist zu tun?-man führe die europäische integration unter ausschluss oder auflösung und abschaffung aller staaten die am neoliberalismus festhalten wollen weiter !in einem protektionistischen europäischen bundesstaat kann der klassenkampf gegen die bourgeoisie gewonnen werden.ist er gewonnen so können die hohen kosten eines schnellen ausstiegs aus dem fossilismus den reichen aufgezwungen werden.dann und nur dann wenn dies möglich ist gibt es eine demokratische rettung für das klima.eine solche ist globalisierbar,denn aus einem europäischen bundesstaat durch die aufnahme aller staaten in denen es antineoliberale mehrheiten gibt einen globalen zu machen ist nicht schwer.

    • @Rolf B.:

      @Rolf B. Zu Ihrer Frage: Nein, ist es nicht. Das ist der Versuch, die Klimakrise konstruktiv zu lösen. Auch in Ihrem Interesse.

      Was ist Ihr Vorschlag zur konstruktiven Lösung der Klimakrise?

  • Das findet so gut wie niemand realistisch.

    • @gyakusou:

      Ich schon. Wobei "realistisch" nicht gleichbedeutend ist mit "bequem". Ja, wir müssen schon den Hintern hochkriegen, um das umzusetzen. Aber wenn wir das nicht tun, wird's bald noch viel, viel unbequemer.