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NGO über den Machtwechsel in Syrien„Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt“

Viele Sy­re­r*in­nen wollen abwarten, wie es nun weitergeht, sagt Svenja Borgschulte von Adopt a Revolution. Abschiebungen seien daher kein Thema.

Glücksmomente: Menschen in Damaskus feiern am Sonntag den Sturz des syrischen Regimes Foto: Ugur Yildirim/DIA Photo/AP/dpa
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Frau Borgschulte, was für ein Tag.

Svenja Borgschulte: Was für ein Tag und was für eine Woche. Unser ganzes Team hat in den letzten Nächten kaum geschlafen. Wir waren 24 Stunden am Tag mit unseren Part­ne­r*in­nen in allen Teilen Syriens in Kontakt. Jetzt ist die Freude riesig.

taz: Was hören Sie aus Syrien?

Borgschulte: Viele unserer Part­ne­r*in­nen waren vom Assad-Regime aus ihren Landesteilen vertrieben worden. Manche konnten jetzt schon zurückkehren. Andere haben sehnsüchtig darauf gewartet, dass auch Damaskus endlich fällt und sie dorthin können. Alle wollen los. Es breitet sich gerade eine Explosion von Gefühlen aus, auch bei uns selber. Wir arbeiten seit 2011 sehr eng mit unseren Part­ne­r*in­nen in Syrien zusammen, haben viele Bombardements und viel Leid erlebt. Jetzt sehen wir diese Erleichterung, hören von geöffneten Gefängnissen und Menschen, die ihre Familien wieder in den Arm nehmen können. Das ist sehr, sehr, sehr bewegend.

Im Interview: Svenja Borgschulte

ist Mitglied der Geschäftsführung bei Adopt a Revolution. Die deutsch-syrische Organisation wurde nach Beginn der Oppositionsproteste im Jahr 2011 gegründet und unterstützt seitdem Projekte der syrischen Zivilgesellschaft.

taz: Hätte vor zwei Wochen irgendjemand bei Ihnen das alles für möglich gehalten?

Borgschulte: Nein, ganz ehrlich nein. Als die Offensive startete, gingen wir davon aus, dass im Nordwesten die Grenzen von 2020 zurückgeholt werden – also ein relativ kleiner Bereich. Wenn mir vor zehn Tagen jemand gesagt hätte, dass das Regime noch vor Weihnachten fällt, hätte ich gelacht.

taz: Was macht Adopt a Revolution jetzt, da die Revolution nach 14 Jahren ihr größtes Ziel erreicht hat?

Borgschulte: Unsere Arbeit ist nicht getan, sondern geht erst richtig los. Als Korrektiv für die Islamisten, die erst mal die Kontrolle übernommen haben, braucht es gerade jetzt eine starke syrische Zivilgesellschaft. Es ist auch wichtig, dass alle Minderheiten inkludiert werden und die Frauenrechte nicht wieder hinten runterfallen. Im Kleinen haben sich unsere Part­ne­r*in­nen schon in den letzten Jahren genau darum gekümmert. Sie haben Frauenzentren betrieben, Minderheiten zusammengebracht und gegen Extremismus gearbeitet. Wir unterstützen das weiterhin, damit am Ende wirklich das herauskommt, was die Revolution von Tag eins an wollte: ein demokratisches, liberales und säkulares Syrien.

taz: Was heißt das konkret für Ihre Arbeit der nächsten Wochen?

Borgschulte: Das findet sich jetzt erst. Wir unterstützen zum Beispiel ein Frauenzentrum, das ursprünglich in Damaskus betrieben wurde und später nach Idlib verlegt werden musste. Jetzt ist die Frage, ob sie in Damaskus weitermachen oder ob sie künftig zwei Standorte haben, an denen sie für Frauenrechte streiten und sich in die Politik einmischen. Aber auch an der Nothilfe werden wir dranbleiben. Es sind sehr viele Binnenvertriebene im Land und nicht alle können zurückkehren. Viele Orte sind zerstört – gar nicht mal nur durch Kriegshandlungen, sondern auch, weil Assads Soldaten so schlecht bezahlt wurden, dass sie aus den Häusern alles herausgerissen und verkauft haben: die Rohre, die Kabel und sogar die Stahlträger.

taz: Was erwarten Sie nun von der Bundesregierung und der europäischen Politik?

Borgschulte: Erstens muss sofort Druck auf die Türkei ausgeübt werden, dass keine Angriffe auf die Kurden im Nordosten oder sonst wo im Land stattfinden. Syrien muss für alle sicher werden. Zweitens müssen wir bei der innersyrischen Aufarbeitung helfen. Man muss den Leuten zuhören, die in den Folterknästen saßen, und versuchen, die Verbrechen aufzuklären. Falls Assad tatsächlich in Russland ist, wird man ihn selbst zwar nicht so leicht vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen können, aber es gibt ja noch viele andere Akteure. Punkt drei ist eben der Aufbau eines neuen Staates. Es ist total klar, dass das syrische Volk das Sagen hat. Trotzdem kann man die zivilen, säkularen Kräfte unterstützen.

taz: Sie haben die Politik des Westens immer dafür kritisiert, die syrische Bevölkerung alleingelassen zu haben. Aber geht der Sturz des Regimes jetzt nicht auch auf den Westen zurück, weil er Assad nicht rehabilitierte und Sanktionen aufrechterhielt?

Borgschulte: Bei aller Freude über den Sturz des Regimes: Das Leid hätte viel früher beendet werden müssen. Einen Diktator zu sanktionieren und den Botschafter des Landes zu verweisen, ist keine großartige Tat, die irgendwem in Syrien geholfen hätte. Und tatsächlich wurde in den letzten Monaten eher darauf hingearbeitet, das Regime zu normalisieren. Es wurden Abschiebungen forciert und es wurde von sicheren Gebieten gesprochen. Der Westen hat viel Blut an seinen Händen. Den Sturz des Re­gimes hat das syrische Volk jetzt selber geschafft.

taz: Innenpolitisch wird nach Assads Ende wohl eine neue Abschiebe-Debatte starten.

Borgschulte: Sie ist ja schon lange im Gange. Aber ganz ehrlich: Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt. Deshalb können Abschiebungen jetzt einfach kein Thema sein.

taz: Von wie vielen Sy­re­r*in­nen hören Sie, dass sie gerne aus Deutschland zurückkehren würden?

Borgschulte: Es ist geteilt. Viele wollen hinreisen, ihre Familie und ihre Heimat wiedersehen. Die große Fluchtbewegung von 2014 und 2015 ist jetzt aber auch schon neun Jahre her. Die Menschen sind in Deutschland angekommen, haben sich ein neues Leben aufgebaut und Familien gegründet. Natürlich gibt es einige, die zurückwollen. Aber auch da gilt: Ganz konkret machen sich die Menschen erst Gedanken darüber, wenn klar ist, wo in Syrien alles hinführt.

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51 Kommentare

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  • Mir scheint, dass manchen Kommentierenden nicht klar ist, wie gut sich die Mehrheit der syrischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt integriert hat. Sie arbeiten im Handwerk, als Pfleger*innen und Ärzt*innen an Krankenhäusern, im Dienstleistungssektor. Andere studieren oder machen eine Ausbildung und die Kinder gehen in die Schule. Deutschland hat in ihre Ausbildung investiert und profitiert jetzt davon. Es wird Zeit, diese Erfolgsgeschichte einmal zur Kenntnis zu nehmen.

    Allein im Jahr 2023 wurden 75 500 Syrer*innen eingebürgert, im Jahr davor waren es fast 50 000.

    Quelle: www.destatis.de/DE.../PD24_209_125.html

  • Andrea Lindholz (CSU) war gestern schneller als die AfD:



    taz.de/-Nachrichte...-Syrien-/!6055172/



    (@12:18 h)

  • Ein Sturz infolge von Demonstrationen hätte mir für Syriens Zukunft mehr Hoffnung gegeben. Ob sich für die weltweit syrischen Flüchtlinge tatsächlich eine Rückkehroption ergibt, wird sich noch zeigen.

    Leider haben sich die Entwicklungen in den Ländern des Nahen Ostens in letzter Zeit selten zum Besseren entwickelt.

  • Das BAMF müsste ein klares Bild zur Situation in Syrien haben, das ist momentan nicht möglich. Dann ist die Versorgungslage in Syrien sehr schlecht. Kurz: Rückführung ist erstmal nicht das Thema.

  • Erst die USA und Deutschland in Afghanistan, jetzt Russland und Iran in Syrien. Vielleicht sollten sich die Militärmächte doch nicht immer in andere Staaten einmischen.

  • Eigentlich weiß es doch jeder: Für einen dauerhaften Frieden müssen sich die aktuellen lokalen Herrschaftsstrukturen im gemeinsamen Staat wiederspiegeln, ein Bundesstaat eben. Die Armeen aber müssen zusammengelegt werden und Einnahmen generiert und zum Nutzen der Gesamtbevölkerung ausgegeben werden. Ansonsten geht der Bürgerkrieg unvermittelt weiter.

  • Zu Optimismus gibt es leider noch keinen Grund. Die Allianz der Aufständischen von HTS war früher bekannt als al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger der Terrororganisation al-Qaida. Irritierend finde ich es auch, wenn in Deutschland fast ausschließlich junger Männer mit „Allahu Akbar“-Rufen durch die Innenstädte ziehen. Wie darf ich das interpretieren?

  • Rückkehr ist eine besonders schwere Entscheidung, wenn die Kinder hier in Deutschland zur Schule gehen. Da wäre es vernünftig zu warten, bis die Kinder die Schule abgeschlossen haben und selbst mitentscheiden können. Das deutsche Ausbildungssystem scheint relativ einzigartig zu sein, studieren können die Kinder weltweit.

    Andererseits wird in Syrien, wenn es zu Wahlen kommt, vielleicht auch jede Stimme für ein demokratisches, säkulares Syrien (und politische Aufbauarbeit?) gebraucht. Ich weiß nicht, wie stark die potenziell islamistischen Wähler vertreten sind, aber die Millionen geflüchteten Syrier:innen könnten einen Unterschied machen.

    Am einfachsten wäre es, wenn die geflüchteten Syrer:innen die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, dann haben sie für die Zukunft alle Möglichkeiten.

    • @*Sabine*:

      "Kinder in der Schule" ist ein breites Feld. 16-jährige, die 2015 mit 7 Jahren hier eingeschult worden sind, sollten sicherlich die Schule hier abschließen, und werden auch wenig Lust verspüren, in ein ihnen fremd gewordenes Land mit einer seltsamen Schrift zu ziehen. Und dann gibt es auch gute Gründe, dass die Eltern hier bleiben, wenn sie für den Unterhat der Familie sorgen. Bei 8-jährigen Schulkindern mag die Abwägung anders aussehen. Daher sollten Entscheidungen zu Rückkehrprogrammen bei dieser Gruppe priorisiert werden.

    • @*Sabine*:

      Islamisten lehnen Wahlen ab. Warum sollten sie in Syrien wählen? Was würde das THS bringen? Die Macht haben sie und Ankündigungen werden in der Moschee gemacht.

    • @*Sabine*:

      Das würde Syrien sicher wenig helfen.

  • Für den rechtsextremen Zeitgeist, wie er die mutmaßlich nächste Bundesregierung unter Merz dominieren wird, sind die Einschätzungen von NGOs oder gar Betroffenen zum Thema Abschiebung leider „kein Thema“.



    Wir werden einen Überbietungswettbewerb der Widerlichkeiten erleben.

    • @Rolf Mach:

      Wenn die Union rechtsextrem ist was ist dann die AfD ??

  • Verständnisfrage: Verstehe ich es richtig? Abschiebungen sind deswegen kein Thema, weil viele Syrer erst einmal überlegen möchten, ob sie nach Hause gehen?



    Ich beobachte, daß etliche Syrer in Feierlaune sind ob der islamistischen Machtübernahme...

    • @Der Erwin:

      Ich sehe in den Medien Menschen, die feiern, weil eine Diktatur, ein Unrechtregime, vor dem sie flüchten mussten, endlich gestürzt wurde.

      Wenn ein Regime gestürzt wird, entsteht ein Machtvakuum, das bei ausreichender Unterstützung die Chance auf ein besseres politisches System bietet. Es besteht, wie oft in der Welt geschehen auch die Gefahr, dass andere Kräfte sich durchsetzen. Zunächst bestehen Unsicherheit und fehlen Strukturen - da kehrt man nicht eben mal mit seiner Familie hin zurück. Würden Sie wahrscheinlich auch nicht!

      Statt die Frage nach Abschiebungen, sollte die Frage jetzt sein: Was ist die passende Unterstützung aus Europa für demokratische Kräfte in Syrien?

      • @J. H.:

        Ich pflichte Ihnen unumwunden bei!



        Säße ich als Bürgergeldempfänger in einer Berliner Vier-Zimmerwohnung mit Frau und drei Kindern, würde ich keinesfalls freiwillig nach Syrien zurückkehren.

    • @Der Erwin:

      Wie wäre es damit, den Feiernden nicht voreilig etwas zu unterstellen? Ich denke nach dem Sturz eines Diktators kann man sich erst einmal mitfreuen und der Bevölkerung gratulieren, - wenn eine Schreckensherrschaft endet, vor der etliche Menschen geflohen sind, ist es ja wohl allzu verständlich, dass gefeiert und gehofft wird. Ein bisschen Empathie find ich da schon angebracht, bevor man suggeriert, dass eine "islamistische Machtübernahme" gefeiert wird - was jetzt kommt, weiß ja noch niemand.

    • @Der Erwin:

      Das haben sie richtig verstanden. Die meisten Syrer sind mit der ersten Fluchtwelle 2015/16 nach Deutschland gekommen und dürften, sofern als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt, schon längst in Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sein. Daran ändert dann die neue politische Situation in ihrem Herkunftsland wenig.

      • @Sam Spade:

        Soweit ich weiß sind die meisten Syrer nicht als Asylbewerber anerkannt (laut Tagesschau 5090 von 974.136 hier lebenden Menschen). Der Rest hat Flüchtlingssatus oder geniesst subsidären Schutz. Von denen wiederum haben - Quelle hier: Der Mediendienst Integration - gerademal 48060 Syrer eine unbefristete Niederlassungserlaubsnis. Heißt: Rund 920 000 Syrer könnten aufgefordert werden, dass Land zu verlassen, wenn sich die Lage in Syrien entsprechend darstellt. P.S. Der Kommentar von Erwin, auf den Sie antworten, hatte mit all diesen Zahlen und Überlegungen überhaupt nichts zu tun, da ging es - durchaus polemisch - um die Frage, ob es allein an den Syrern liegt zu entscheiden, ob sie D wieder verlassen und nach Syrien ziehen oder ob die Bundesrepublik (ob Staat oder Gesellschaft) da nicht auch ein Wort mitzureden haben...

      • @Sam Spade:

        Die meisten werden aber nicht wegen politischem Asyl, sondern wegen subsidiärem Schutz (Krieg) "anerkannt" sein. Ein "unbefristeter" Status bedeutet auch nur, dass er fortgilt, solange er nicht aktiv beendigt wird, vgl. die Kündigung eines unbefristeten Mietverhältnisses.

  • Die Diskussion um eine freiwillige oder unfreiwillige Rückkehr der Syrier ist verständlich aber noch zu früh. Während sich eine neue Regierung bildet und zeigt wohin es gehen sollten könnten wir, bzw besser gleich die EU ein attraktives Paket für das neue Syrien schnüren, Erleichterungen um die Sanktionen der letzten 13 Jahre auszugleichen, für die Menschen die Chance auf eine sichere Rückkehr erhöhen, und das verbunden mit Bedingungen die ein demokratisches Syrien fördern.

    Man sollte hier ruhig das was eine Million Syrer in Deutschland die nächsten fünf Jahre kosten umschichten in einen Wiederaufbauplan in Syrien. Es darf sich kein Desaster wie die erneute Machergreifung der Taliban in Afghanistan wiederholen.

    • @Thomas Koll:

      Warum kosten die Syrer?



      Vielleicht ist es umgekehrt? Ich würde sagen, dass die meistens arbeiten und deren Kinder sind in Kindergärten und Schulen.

  • "Die Menschen sind in Deutschland angekommen, haben sich ein neues Leben aufgebaut und Familien gegründet. Natürlich gibt es einige, die zurückwollen."



    Stimmen die "überall" kolportierten 50% der Syrer als Sozialhilfeempfänger? Dann kann man über die aus dem Artikel kopierten Worte nur Mühsam das Fluchen zurückhalten.

    Aber es war nicht anders zu erwarten. Für den einzelnen kann ich es sogar verstehen. Generell, für unser Land und für Syrien, wäre eine massenhafte Rückkehr sinnvoll. Die Entlastung unserer Schulen, Ärzte, Wohnhäuser und Sozialkassen ist wünschenswert. Ich wäre für eine Rückkehrprämie, die dann in Syrien genutzt werden kann um etwas aufzubauen. Aber so eine Prämie käme vermutlich nicht durch den Bundestag. Zuviel Neid auf jeder Seite.

    • @Dr. Idiotas:

      "überall" kolportiert



      klingt bereits nach einer wahrhaft fundierten Informationsgrundlage, auf der Sie Ihr wenn-dann aufbauen . .

    • @Dr. Idiotas:

      "Stimmen die "überall" kolportierten 50% der Syrer als Sozialhilfeempfänger? "

      Die überall kolportierten? Ich trage gerne zur Aufklärung bei, indem ich aus einer seriösen Quelle zitiere.

      Laut Aussage des Bundesbeauftragten für die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Daniel Terzenbach, befanden sich Stand April 2024, 70% der syrischen Männer in Arbeit.

      • @Sam Spade:

        Also dürften die 50% insgesamt ungefähr hinkommen.

      • @Sam Spade:

        70% der syrischen Männer. Das klingt ja super.



        Wen das Gesamtbild interessiert, bitte hier entlang:



        www.n-tv.de/politi...ticle25420179.html



        "...als erwerbsfähig gelten alle Menschen zwischen 15 und 65 Jahren. In dieser Altersgruppe der syrischen Bevölkerung liegt die Beschäftigungsquote bei 39,8 Prozent."



        Und weiter:



        "52 Prozent der männlichen und 59,3 Prozent der weiblichen Syrer bezogen Leistungen nach SGB 2."



        Und noch weiter:



        "Syrerinnen und Syrer (bezogen) zwischen September 2022 und August 2023 acht Prozent des gezahlten Bürgergelds - rund 3,3 Milliarden Euro."



        Das trübt das Gesamtbild doch massiv ein gegenüber ihrer Teilstatistik.

      • @Sam Spade:

        Die 70% gelten für die 2015/2016 eingereisten syrischen Männer.

      • @Sam Spade:

        70% der Männer sind aber nicht 70% der Syrer*innen, bei Frauen (zugegebenermaßen weniger) ist die Erwerbsquote niedriger. Und Menschen in Arbeit können, falls im Mehrpersonenhaushalt, durchaus noch Bürgergeld als Aufstockung beziehen. Wenigverdiener, die wenig Beiträge und Steuern zum Sozialstaat leisten, belasten diesen zudem auf lange Sicht.

  • "Erstens muss sofort Druck auf die Türkei ausgeübt werden, dass keine Angriffe auf die Kurden im Nordosten oder sonst wo im Land stattfinden."

    Klar sollte man das. Nur hat Europa kaum Einfluss auf den zweitmächtigsten NATO-Staat. Kurdische Staatsbildung im Keim zu ersticken, ist Erdogan wichtiger als gute Beziehungen zur EU zu haben. Letztlich braucht die EU die Türkei mehr als andersherum.

    "Die Menschen sind in Deutschland angekommen, haben sich ein neues Leben aufgebaut und Familien gegründet."

    Ich denke nicht mal das BSW wird fordern, dass die Menschen jetzt sofort zurückgeschickt werden, zumal gar nicht klar ist, wie es dort politisch weitergeht.



    ABER: dass überhaupt nicht über die Perspektive Rückkehr nach Syrien gesprochen werden darf, halte ich für falsch und wahltaktisch für grob fahrlässig. Wenn die Fluchtursache beseitigt ist, erlischt das Aufenthaltsrecht. Ansonsten wären die Menschen nicht als Flüchtlinge sondern als Einwanderer hier.

    Und wie will man eigentlich ernsthaft für ein Rückkehrrecht von Flüchtlingen/Vertriebenen (z.B. Palästinenser) argumentieren, wenn es für Syrer nach 9 Jahr Abwesenheit unzumutbar ist, in ihre Heimat zurückzukehren?

    • @Chris McZott:

      "Wenn die Fluchtursache beseitigt ist, erlischt das Aufenthaltsrecht. Ansonsten wären die Menschen nicht als Flüchtlinge sondern als Einwanderer hier."

      Gemäß dem Asylrecht hat wer als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt ist, ein Bleiberecht für drei Jahre in Deutschland. Danach kann er einen unbefristeten Aufenthaltstitel bekommen, wenn sich die Lage in seinem Heimatland nicht geändert hat.

      Ein unbefristeter Aufenthaltstitel beinhaltet ein Dauerbleiberecht ohne zeitliche Begrenzung.

      • @Sam Spade:

        Ich verstehe schon, was "unbefristet" heißt. Aber gilt das auch, wenn sich die Situation im Heimat- Herkunftsland so geändert hat, das die Gründe entfallen, die zur Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylbewerber geführt haben?

        Ich bin auch der Ansicht, dass es noch viel zu früh ist, solche Debatten ernsthaft zu führen. Aber die Rechtslage würde mich schon interessieren.

  • Die Diskussionen um eine freiwillige oder unfreiwillig Rückkehr ist verständlich, aber neben dem Abwarten können die Regierungen oder besser gleich die EU ein attraktives Paket zusammenstellen für die neue Regierung

  • Ein demokratisches liberales und säkulares Syrien wäre zu schön, um wahr zu sein.



    Tatsächlich hat al Golani seine erste Ansprache in der Moschee gehalten, parallel haben die Menschen mit der Plünderung der Präsidentenpaläste und der Zentralbank losgelegt. Ich würde mir wünschen, dass Syrien ein freies und demokratisches Land wird. Leider bin ich sehr skeptisch und besonders der Konflikt zwischen den Kurden und türkischen Kräften dürfte intensiver werden. Bei einer Übergangsregierung müssten die Kurden beteiligt werden. Das würde die Türkei niemals mittragen.



    Und die Kämpfer des islamischen Staats könnten sich auch langsam in die bewaffneten Milizen einbringen und ihre Ideen dort verbreiten.



    Mal sehen, ob die neuen Machthaber in Damaskus überhaupt das Plündern stoppen können.

  • wie schäbig, dass in diesem Land 5min nach dem Sturz des Diktators über Abschiebungen gefaselt wird!



    Diese verquaaste Weltsicht, mit D als Nabel der Welt ist wirklich unerträglich!

    • @nutzer:

      Wir könnten ja sammeln und z.b. Spahn eine Prämie zahlen, wenn er mal den Mund hält.

    • @nutzer:

      Wer faselt den von Abschiebung? Erstmal nur Sie. Die CDU (von der AFD red ich nicht, das sind Faschisten) hat ein Vorschlag gemacht, dass diejenigen, die jetzt freiwillig !!zurück wollen, eine Prämie bekommen sollten. Ich vermute, dass bekommen die Rückkehrer aus LIbanon und der Türkei nicht. Sonst wurde von dseiten verschiedenener CDU-Politiker klar geäußert, dass sich die Frage nach einer Abschiebung nach Syrien derzeit nicht stellt. Das sich diese Frage aber demnächst stellt (und im Übrigen unterschiedlich beantwortet werden kann) ist doch folgerichtig, wen wir Asyl als das nehmen, was es sein soll (Schutz vor politischer Verfolgung) und es nicht als Möglichkeit sehen, das Menschen stets frei entscheiden können, wo sie leben möchten. Das ist eine von keinem Staat der Welt und keiner Menschenrechtserklärung gestützte Utopie.

      • @mlevi:

        Haben Sie gestern die tagesschau gesehen? Was da eine cdu Provinzdame ins Mikrofon sagen durfte?

    • @nutzer:

      Union und AfD tun sich da besonders negativ hervor, unfassbar armselig und kleinherzig. Leider repräsentieren sie einen großen Teil unserer Mitbürger, die am liebsten eigenhändig die Abschiebebusse an den Flughafen fahren würden.



      Mehr als "Gegenhalten" fällt mir bei derartiger dümmlicher Empathielosigkeit allerdings auch nicht mehr ein.

    • @nutzer:

      Deutschland ist ein ziemlich provinzieller und dämlich-geschmackloser Einzeltäter. Merkte man auch schon, als Teile der Union es ablehnten, Nelson Mandela nach seiner Freilassung im Bundestag reden zu lassen. Peinlich, traurig, ekelhaft.

    • @nutzer:

      Mehr als schäbig: es ist unchristlich, inhuman, selbstgerecht. Das macht sehr, sehr deutlich um was den Protagonisten einer solchen Forderung geht: allein und ausschießlich um populistische Vorteile für sich selbst - zum Nachteil der Fairneß.

    • @nutzer:

      Schon, aber für Deutsche ist Deutschland der Nabel der Welt. "Diese verquaaste Weltsicht" ist der menschliche Normalzustand.

      • @Chris McZott:

        Kennen Sie alle Deutschen (mit Sesshaftigkeitshintergrund)? Alle ca. 70 Millionen?

      • @Chris McZott:

        bei uns ja...



        In anderen Ländern geht man nicht davon aus, dass die gesamte Welt auf die Gnade hofft im eigenen Land leben zu dürfen. Italiener mögen (in großen Teilen ) auch keine Migranten, aber dass die ganze Welt nach Italien kommen will, um dort zu faulenzen, dass glauben sie da nicht. In Schweden sieht es genauso aus. Diese Überheblichkeit anderen gegenüber ist schon ein besonderes dt Merkmal.

      • @Chris McZott:

        Also für mich und ganz viele andere Deutsche die ich kenne ist das sicher nicht der "Normalzustand"

    • @nutzer:

      Nein. Die Debatte über Rückkehr und (im Verweigerungsfall) Abschiebungen ist absolut folgerichtig. Art. 16a GG sagt klar politisch Verfolgte genießen Asyl. Der Asylgrund der politischen Verfolgung ist nun weg. Wenn es keinen weiteren Asylgrund gibt, ist die Rückkehr rechtlich zwingend.

      Das Asylrecht ist kein Recht auf dauerhafte Einwanderung, sondern ein temporäres Schutzrecht.

      • @Kriebs:

        Im Grundgesetz steht nicht, dass man überlegen soll, wie man Menschen schnell los wird, bevor überhaupt geklärt ist, ob das Land jetzt besser oder schlechter wird.

        Was sie Union hier wieder mal abzieht, ist einfach nur schäbig.

      • @Kriebs:

        Wenn 5min nachdem Syrien Assad losgeworden ist, das einzige was einem einfällt, die Rückführung der Syrer ist..... Das ist .... (können sie sich aussuchen), da freut man sich, dass es einen Tyrannen weniger gibt und Syrien hoffentlich eine Chance bekommt.

        Die, die jetzt als Erstes nach Abschiebung rufen, sind die, die auch vorher schon behauptet haben Syrien sein sicher und Assad nicht schlimm..



        Wie kommt man auf die Idee, D sei das Zentrum der Welt und niemand würde in die Heimat gehen wollen, die man gezwungen war zu verlassen....

      • @Kriebs:

        Man könnte die Debatte auch für absolut geschmacklos halten, wenn wenige Tage nach dem Sturz des Assad Regimes die hiesigen Syrer quasi aufgefordert werden schoneinmal die Koffer zu packen.

        Und zu ihrer Anmerkung des "temporären Schutzrechts" sei nur erwähnt:

        Wer als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt ist, hat ein Bleiberecht für drei Jahre in Deutschland. Danach kann er einen unbefristeten Aufenthaltstitel bekommen, wenn sich die Lage in seinem Heimatland nicht geändert hat.

        Das dürfte für einen Großteil der Syrer die mit der ersten Fluchtwelle 2015/16 gekommen sind zutreffen.

        Zumal nach Aussage des Bundesbeauftragten für die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Daniel Terzenbach, mittlerweile 70% der syrischen Männer in Arbeit sind. Und auf deren Beitrag kann die Gesellschaft bei der jetzigen Lage eigentlich nicht verzichten.

        Daher wäre in Bezug auf die Syrer ein Perspektivwechsel von Seiten der Politik, aber auch von einem großen Teil der Bevölkerung angebracht und es sollten Menschen die fast ein Jahrzehnt hierzulande verbracht haben auch als gleichberechtigte Bürger betrachtet und behandelt werden. Und das gilt nicht nur für Syrer!

        • @Sam Spade:

          "Wenn sich die Lage im Heimatland nicht geändert hat."

          Das ist ja der springende Punkt: Die Lage hat sich geändert. Eben das ist ja der Inhalt des Artikels. Und hinsichtlich der Bleibeperspektive: Das Asylrecht war und ist kein Einwanderungsrecht. Weder konzeptionell noch inhaltlich.

          Man kann durchaus über ein Einwanderungsrecht und auch einen Wechsel vom Asylrecht zum Einwanderungsrecht sprechen, allerdings gelten dann andere Anforderungen.

          Einem Asylsuchenden wird Schutz gewährt, solange eine Verfolgung besteht. Ein Einwanderer muss sich dem Immigrationsstaat anpassen.

      • @Kriebs:

        Ihnen ist schon klar, dass "nur" Assad gestürzt worden ist und Syrien derzeit ein Flickenteppich verschiedener Einflusssphären bewaffneter Gruppen ist? Ein Staat, der diesen Namen verdient ist dort gar nicht vorhanden. Vermutlich würden Sie auch in den Südpazifik abschieben, ins Wasser. Kleingeistigen Hass bitte nicht mit besonnenem pseudojuristischem Unfug verbrämen.



        Wenn jetzt alles gut läuft, die Volksgruppen friedlich zusammenleben können, es nicht zu einem neuen Bürgerkrieg kommt, Wahlen abgehalten werden und ein Staatswesen etabliert wird, das diesen Namen verdient dann dürfen Sie eigenhändig die Sektkorken knallen lassen, wenn der Flieger nach Damaskus abhebt, Ihr Leben wieder ein kleines Stückchen schöner geworden ist.