Muslimische Friedhöfe in Deutschland: Kein Platz zum Sterben
Grabstellen für Muslim:innen sind knapp in Deutschland. Dabei ist es eine Chance, christliche Friedhöfe stärker zu öffnen. In Berlin geschieht das.
E s ist still am Landschaftsfriedhof Gatow in Berlin-Spandau. Nur das Rauschen der Landstraße ist zu vernehmen, als der Imam mit dem Totengebet beginnt. Vor ihm ist ein kleiner Sarg zu sehen. Dahinter etwa 200 Menschen aufgeteilt in sechs Reihen. Die Männer stehen vorne, die Frauen hinten. Es ist eine große Traube Menschen, die hier einem verstorbenen Kind die letzte Ehre erweist. Nach dem Gebet heben vier Familienmitglieder den Sarg auf ihre Schultern. Die Menge setzt sich in Bewegung, allen voran der Imam. Der Weg führt über den weitläufigen Friedhof, und man merkt schnell, dass hier etwas anders ist. Die meisten Gräber sind nicht gerade ausgerichtet, sondern sie sind diagonal angelegt, in Richtung Mekka.
Empfohlener externer Inhalt
Etwa 75 Prozent der Gräber in Gatow sind muslimisch. Es ist auch der einzige Friedhof in der Stadt mit einem Waschraum, in dem die für den Islam typische Waschung des Leichnams vor dem Begräbnis stattfinden kann. An der Grabstelle angekommen steigen der Bestatter und der Vater ins Grab, heben den kleinen Körper aus dem Sarg und legen ihn behutsam ab. Das tote Kind ist in ein weißes Leinentuch gewickelt.
Das Schluchzen von Frauen ist zu hören, während der Imam beginnt, weitere Suren aus dem Koran zu rezitieren. Die Angehörigen beginnen, den daneben liegenden Sand in das Grab zu schaufeln. Der Friedhof sieht hier eher aus wie ein großes Ackerfeld, umrahmt von einem provisorischen Zaun. Kein Gehweg ist vorhanden, in der Mitte stehen ein Bauwagen und Bagger. Etwas lieblos wirkt das alles. Nur die rund 50 Gräber mit ihren bunten Blumen und Verzierungen bringen etwas Wärme ins Bild.
Dass das Ganze etwas provisorisch wirkt, hat einen Grund: Immer mehr Muslim:innen lassen ihre Angehörigen in Deutschland begraben. Das hat verschiedene Gründe: Das Ende der Sargpflicht erlaubt es Muslim:innen mittlerweile, in fast allen Bundesländern ihre Angehörigen nur im Leichentuch zu bestatten. Zudem ist Deutschland für viele Muslim:innen zur neuen Heimat geworden, sie wollen ihre Familien lieber hier beerdigen als in ihrem Herkunftsland.
Ende der Sargpflicht In fast allen Bundesländern können Muslim:innen mittlerweile ihre Angehörigen ohne Sarg bestatten. Nur in Sachsen und Sachsen-Anhalt ist es noch verboten. In Berlin wurde die Sargpflicht 2010 abgeschafft. Die Bestattung in einem Leinentuch ist zentraler Bestandteil in der muslimischen Bestattungskultur. Laut der Senatsverwaltung für Umwelt fanden von 2012 bis 2021 in Berlin knapp 4.000 muslimische Beisetzungen statt. Allein im Jahr 2021 gab es 805 Bestattungen nach islamischem Ritus.
Sterbegeld Bis 2004 galt in Deutschland ein gesetzliches Anrecht auf Sterbegeld. Angehörige der Verstorbenen erhielten dadurch finanzielle Unterstützung bei den Bestattungskosten. Seither müssen die Familien die Kosten für die Beisetzung in der Regel selbst tragen. Es gibt aber auch Ausnahmefälle: Falls die Angehörigen nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, kann eine Sozialbestattung beantragt werden.
Feuer oder Erde Immer mehr Menschen lassen ihre Angehörigen per Urne bestatten. Das hat auch finanzielle Gründe: Die Feuerbestattung gilt als deutlich günstiger als die Erdbestattung. Das fängt schon beim Sarg an. Dieser kostet laut dem Onlineportal bestattungen.de bei einer Feuerbestattung zwischen 300 und 750 Euro, bei der Erdbestattung zwischen 400 und 3.500 Euro. Insgesamt liegen die Kosten einer Feuerbestattung zwischen 2.435 und 6.785 Euro. Bei einer Erdbestattung kann eine Beisetzung zwischen 4.287 und 12.152 Euro kosten. Die höheren Preise bei der Erdbestattungen hängen auch mit den Friedhofsgebühren sowie den Kosten für den Grabstein zusammen, so das Onlineportal. (taz)
Für andere ist es schlicht zu teuer, ihre Angehörigen für eine Beisetzung ins Heimatland zu überführen. Deshalb muss schnell Platz geschaffen werden auf Friedhöfen wie in Gatow. Doch in Berlin ist dieser Platz knapp. Wie im Rest von Deutschland gibt es dort keinen nutzbaren, ausschließlich muslimischen Friedhof. Muslim:innen sind deshalb auf die städtischen Friedhöfe angewiesen. Die sind entweder in kommunaler oder in kirchlicher Trägerschaft.
„Wir waren besorgt, überhaupt eine Grabstelle zu finden“, erzählt Vater Mesut Atila bei einem Telefongespräch zwei Tage nach der Beerdigung. Zwölf Tage musste die Familie auf eine Zusage warten – das ist ziemlich lang. Denn im Islam sollte die Beisetzung eigentlich so schnell wie möglich stattfinden, am Besten innerhalb von 24 Stunden.
Hinzu kommt, dass Gatow ziemlich weit abgelegen ist. Der Friedhof liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich vom Stadtzentrum. Für Familie Atila, die ganz im Süden der Stadt, im Bezirk Tempelhof-Schöneberg lebt, ist das eine Fahrtzeit von einer Stunde. „Wir hätten unsere Tochter lieber in der Stadt beigesetzt“, sagt der 37-Jährige.
Bei Muslim:innen wie der Familie Atila entsteht so der Eindruck, dass sie im Wortsinne an den Rand gedrängt werden: „Wir fühlen uns benachteiligt, wir sind in der dritten und vierten Generation und wissen nicht sicher, wo wir unsere Verwandten beisetzen können“, so Atila.
Muslim:innen sind die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Flächen für muslimische Gräber zu schaffen, ist also auch eine Frage, wie weit ihre Integration in dieser Gesellschaft reicht. Im islamischen Glauben ist eine Feuerbestattung nicht erlaubt, anders als im Christentum. Da ist die Feuerbestattung seit 1964 eine Option.
Einer, der sich mit den islamischen Ritualen auskennt, ist der Bestatter Isikali Karayel. Der 49-Jährige verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Tod. Gerade steht er auf dem hinteren Bereich des Landschaftsfriedhofs Gatow. Es nieselt leicht, was den Untergrund schlammig werden lässt. „Das soll hier alles noch hergerichtet werden“, erzählt er. Hauptsächlich organisiert Karayel Bestattungen in Gatow – doch auch die meisten seiner Kund:innen würden ihre Angehörigen lieber im Stadtzentrum beisetzen.
Ist man mit Karayel unterwegs, klingelt sein Telefon immer wieder. Das Geschäft mit dem Tod ist ein Job rund um die Uhr. Bis 2010 war das Hauptgeschäft islamischer Bestatter:innen in Berlin, Überführungen ins Heimatland zu organisieren. Das änderte sich mit dem Ende der Sargpflicht. „Die Idee ist, so aus der Welt zu gehen, wie man gekommen ist“, sagt Karayel zur muslimischen Sitte der Bestattung im Leichentuch. Mittlerweile ist dies in fast allen Bundesländern in Deutschland erlaubt. Nur in Sachen und Sachsen-Anhalt gibt es noch immer eine Sargpflicht.
Neben der sarglosen Bestattung ist die Ausrichtung nach Mekka wesentlich für gläubige Muslim:innen. Und, sagt Karayel mit Blick auf die oft aufwendigeren christlichen Beerdigungsfeiern: „Muslime halten ihre Beerdigungen so simpel wie möglich.“ Das Geld des Verstorbenen soll nicht für eine teure Beerdigung ausgegeben, so die Idee dahinter, sondern an Bedürftige gespendet werden. Auch tragen die Angehörigen den Sarg meist selbst und schließen das Grab eigenständig. Also: weniger Pomp, mehr Anteilnahme.
Diese Schlichtheit spiegelt sich auch in Gatow wider. Hier ist kaum ein pompöser Grabstein zu sehen. Einige Gräber sind nur ein Haufen Sand, auf dem eine kleine Holztafel mit dem Namen und dem Todestag des Verstorbenen steckt.
Oft ist diese Sparsamkeit aber auch eine Kostenfrage. So würden viele von Karayels Kund:innen ihre Verwandten eigentlich gerne in ihr Heimatland überführen. Dies sei aber oft zu teuer: Mehrere Tausend Euro kann eine solche Überführung kosten. In manchen Heimatländern herrscht auch Krieg und es ist nicht möglich, die Angehörigen dort zu bestatten.
Inzwischen wollen etwa die Hälfte von Karayels Kund:innen ihre Verwandten hier begraben. Und das am Liebsten in der Nähe von zu Hause. Doch 94 Prozent der Menschen, die in Gatow begraben werden, kommen aus einem anderen Bezirk. „Im muslimischen Glauben ist es erwünscht, so oft wie möglich die Angehörigen auf dem Friedhof zu besuchen, vor allem zum Freitagsgebet“, erzählt Karayel. Dass viele der Familien eine so lange Anfahrt haben, erschwert dieses Ritual. „Mit der langen Fahrtzeit werden wir nur am Wochenende zum Friedhof fahren können“, sagt auch Mesut Atila.
Eine wohnortnahe Bestattung ist in Berlin für Muslim:innen bisher nur an einzelnen Orten möglich. Von den insgesamt 220 Friedhöfen gibt es nur sechs Friedhöfe mit muslimischen Grabfeldern, fünf davon sind bereits vollständig belegt. Dazu gehört auch der muslimische Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Neukölln. Nur auf dem Landschaftsfriedhof Gatow sind derzeit Bestattungen möglich. Und auch dort soll es bis Ende März voll sein. Laut Atila sind viele in der muslimischen Community besorgt, dass sie keinen Platz für ihre Angehörigen finden.
Die Senatsverwaltung für Umwelt ist aber bemüht, Entwarnung zu geben: Ab Freitag stünden allein auf dem evangelischen Emmaus-Friedhof in Neukölln 500 muslimische Grabstellen zur Verfügung. Und im Mai sollen auch wieder Bestattungen in Gatow möglich sein, auf einer neuen Fläche mit etwa 500 zusätzlichen Grabstellen. Auch in den Bezirken Pankow, Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg sind Flächen für muslimische Grabstellen geplant. So sollen dieses Jahr laut Senatsumweltverwaltung insgesamt 2.000 muslimische Grabstätten entstehen. Langfristig soll eine wohnortnahe Bestattung für alle möglich werden. Wann, ist jedoch unklar.
Die Pläne seien gut, sagt Karayel, aber: „Warum erst jetzt?“, fragt sich der Bestatter. Seit 15 Jahren sage er, dass es auf jedem Friedhof in jedem Stadtteil einen Bereich für muslimische Grabstellen gebe müsse. „Aber erst jetzt kommt da was in die Gänge.“ Dass erst jetzt nach Lösungen gesucht wird, kann er nicht verstehen.
Karayel hat das Gefühl, es sei vor allem ein Kommunikationsproblem mit den Friedhofsverwaltungen: Alleine aus Unwissen darüber, was bei einer islamischen Bestattung zu beachten ist, reagierten sie oft zögerlich. Sie fürchteten Arbeitsaufwand und Bürokratie. Manche Gemeinden, weiß Karayel, hätten auch Vorbehalte, weil die muslimischen Grabstellen nach Mekka ausgerichtet werden müssen, die christlichen aber nicht – und dann fürchten, dass das die Anlage der Gräber durcheinander bringt. „Ich glaube, Aufklärung ist ganz wichtig. Wenn man die nicht hat, dann denken die Leute immer: Oh Gott, oh Gott, eine muslimische Beisetzung, was passiert da?“
Anfang Februar, die Şehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln: Gerade endet das Freitagsgebet, etwa einhundert Menschen strömen aus den offenen Türen der Moschee. Der Himmel hinter den Minaretten hat sich in ein dunkles Grau verfärbt, bevor es prompt zu Hageln anfängt. Vor der Moschee steht ein Lastwagen, auf dessen Tragfläche eine kleine Bühne aufgebaut ist. Davor haben sich etwa 60 Menschen zu einer Demonstration der Berliner Bürgerplattformen versammelt, einem Bündnis verschiedener Vereine und Initiativen, die sich zu verschiedenen Anliegen äußern – und auch für mehr muslimische Grabflächen in Berlin streiten.
Angesichts der vielen Menschen, die aus der Moschee kommen, wirkt das Interesse an der Kundgebung eher gering. Das liegt wohl auch am Wetter: Denn der Wind wird immer stärker und die ersten Regenschirme kapitulieren, bevor die Reden anfangen.
Ein junger Mann namens Ahmed tritt als Vertreter der muslimischen Community auf die Bühne und erzählt, wie er mit sieben Jahren seinen kleinen Bruder verloren habe. Dieser sei in Gatow begraben worden – viele Kilometer von seinem eigenen Wohnort in Neukölln entfernt. „Man baut eine Distanz auf und es schmerz mich bis heute, dass es diese Distanz gibt“, sagt er.
Auch die Berliner Grünen-Abgeordnete Susanna Kahlefeld meldet sich auf der Kungebung zu Wort. Sie setzt sich schon seit mehr als zehn Jahren für mehr muslimische Grabflächen ein. „In einer Stadt wie Berlin ist Raum immer das Wertvollste“, sagt sie. Man müsse sich überlegen, was man mit diesem Raum mache.
Kahlefeld denkt dabei auch an das Stadtklima. Friedhöfe als Grünflächen, die die Stadt bei extremer Hitze kühlen – für Kahlefeld hat das Thema muslimische Grabflächen noch eine ganz andere Dimension. Sie möchte die Friedhöfe als Grünflächen für den Klimaschutz erhalten, die Muslim:innen sie für ihre Gräber nutzen. Eine Win-win-Situation, findet Kahlefeld.
An diesem Nachmittag Anfang Februar sind es noch neun Tage bis zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses, quasi eine Landtagswahl, die Mitte Februar stattfand. Doch für Kahlefeld ist die Demonstration kein Wahlkampftermin: „Es ist existentiell wichtig für die Familien, aber man kann dadurch keinen Blumentopf gewinnen“, sagt sie nach der Kundgebung bei einem Gespräch in einem nahegelegen Café.
Kahlefeld sagt auch: Es habe sich schon viel getan in puncto Friedhofspolitik – die eben auch Integrationspolitik sei. Es werde mehr auf die Bedürfnisse der muslimischen Community eingegangen. „Das ist die zweite, dritte Generation nach den Gastarbeiter:innen, die selbstbewusst auftreten und einfordern, was ihnen zusteht“, sagt sie. Dass Friedhofsverwaltungen sich sträuben, muslimische Grabflächen zu schaffen, sieht sie anders als Karayel. „Ich habe eher das Gefühl, dass sich die Vorurteile gelegt haben.“
Wie mehr muslimische Grabflächen geschaffen werden können, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Bei den landeseigenen Friedhöfen sind es die Kommunen beziehungsweise in Berlin die Bezirksämter, die über die Verteilung von Flächen entscheiden. Bei den kirchlichen Friedhöfen sind es die Kirchengemeinden. In Berlin liegt etwas weniger als die Hälfte der Friedhöfe in kommunaler Hand, der Rest gehört konfessionellen Gemeinden.
Diese dezentrale Form der Verteilung mag im Einzelnen Genehmigungen schneller voran bringen – sie ist aber auch oft wenig transparent. Auch Bestatter Karayel sagt: „Ich sehe es skeptisch, dass alles so dezentral organisiert ist“, sagt er. Mesut Atila, Vater des in Gatow beerdigten Mädchens, wünscht sich in Berlin einen ausschließlich muslimischen Friedhof. „Ich glaube, das wäre im Sinne aller Muslim:innen.“
Ein Friedhof, der in Eigeninitiative mehr Grabflächen möglich machte, ist der Neue-Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Hier wurden 2015 350 Grabstellen geschaffen. Der Friedhof ist relativ klein und länglich geformt, rechts grenzt ein Schrottplatz an das Gelände, links eine Autobahn, die im Hintergrund rauscht. Es sind kaum Menschen zu sehen an diesem Februartag. Nur zwei Frauen mit Kopftuch laufen Richtung Ausgang.
Es ist ein kleiner grüner Fleck am Stadtrand – und ein Herzensprojekt für den Filmemacher und Grünen-Bezirksverordneten Bertram von Boxberg. „Die muslimischen Grabflächen haben den Friedhof gerettet“, erzählt von Boxberg bei einem Spaziergang über das Gelände.
Weil immer mehr Christ:innen die Begräbnisse ihrer Angehörigen als Feuerbestattung organisieren, geht den Friedhöfen eine Einnahmequelle verloren. Die Instandhaltung, die Pflege der Grünfläche, all das kostet Geld. Laut von Boxberg war es das Ende des Sterbegelds, was die Friedhöfe in die Bredouille brachte. „Damit fing die Discounter-Beerdigungskultur an“, sagt er.
Familien waren durch das Ende dieser Subvention gezwungen, mehr Geld aus eigener Tasche in die Bestattung zu investieren. Doch für Muslim:innen ist eine Feuerbestattung aus Glaubensgründen eben keine Option – und also für Gemeinden und Kommunen beziehungsweise Bezirke eine Chance, die Pflege ihrer Friedhofsflächen zu finanzieren.
Im muslimischen Glauben genießt das Grab ein Ewigkeitsrecht. Auf dem Schöneberger Friedhof können die Gräber immer wieder verlängert werden, bis zu 99 Jahren. Somit ist laut von Boxberg ein langfristiger, wirtschaftlicher Betrieb gesichert. Der Friedhof macht dabei keine Gewinne. „Sämtliche Bestattungsgebühren, die der Friedhof für Grabnutzungen erhebt, müssen auf 20 Jahre gerechnet werden, das ist die gesetzliche Ruhezeit“, sagt von Boxberg.
Und wie funktioniert das nun genau, wenn ein christlicher Friedhof sich entschließt, auch muslimische Grabstellen auszuweisen? Ist die Umsetzung wirklich so kompliziert, wie manche Friedhofsverwaltungen vielleicht befürchten? „Wir haben Apps genutzt, um rauszubekommen, wie die Ausrichtung nach Mekka funktioniert“, erzählt von Boxberg. Bei muslimischen Gräbern sollte der Boden zudem so rein wie möglich sein, im besten Fall sollte niemand zuvor dort begraben worden sein. Das ist aber schier unmöglich auf Friedhöfen in Deutschland. Der Kompromiss: Die Erde wird vor der Bestattung noch einmal durchgesiebt, um mögliche Knochen loszuwerden.
Der Neue-Zwölf-Apostel-Kirchhof konnte mit den muslimischen Gräbern am Leben erhalten werden. Der Friedhof ist ein Vorzeigeprojekt für den Rest der Stadt geworden. Von Boxberg organisiert hier regelmäßig Veranstaltungen, bei denen Mitglieder aus der evangelischen Gemeinde mit der muslimischen Community zusammenkommen, um ihre gegenseitigen Bestattungsrituale kennenzulernen. Friedhöfe als Ort der Begegnung, das wird zukünftig vielleicht auch in mehr Teilen der Stadt möglich sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung