Moskauer Museumsdirektorin: Puschkin-Museum kündigt Leiterin
Das berühmte Museum in Moskau trennt sich von Jelisaweta Lichatschowa. An ihre Stelle tritt Olga Galaktionowa, die als „absolut systemtreu“ gilt.
„Im Museum ist nichts Positives passiert“, hieß es aus dem Ministerium. Dennoch stellte sich Lichatschowa vor den berühmten Nachbau der David-Statue von Michelangelo im Museum hin und dankte in einem Video dem Kulturministerium „für alles“. Warum sie nach nicht einmal zwei Jahren geschasst wurde und was aus ihre werde, dazu sagte die 46-Jährige nichts.
Beobachter*innen in Moskau sehen vor allem politische Gründe für die Kündigung. Lichatschowa ist nicht die erste Museumsleiterin, die in den vergangenen bald drei Kriegsjahren aus ominösen Gründen ihren Posten verliert. Vor ihr wurde bereits ihre Vorgängerin, Marina Loschak, nach zehn Jahren entlassen.
Neue Leitung verspricht „Blockbuster Ausstellungen“
Ihr war immer wieder „zu viel Modernes“ vorgeworfen worden. Auch die Leiter*innen der Moskauer Tretjakow-Galerie, des Bolschoi-Theaters, des Theaters der Nationen, des Gulag-Museums, sowie des Russischen Museums und des Towstonogow-Bolschoi-Dramatheaters in Sankt Petersburg mussten ihre Posten räumen. An ihre Stellen traten Menschen, die als noch linientreuer gelten.
Die „Neue“ im Puschkin-Museum ist seit einigen Tagen Olga Galaktionowa. Der russische Kunsthistoriker Dmitri Butkewitsch bezeichnet die 47-Jährige als „absolut systemtreu“. „Kulturinstitutionen müssen auf allen Ebenen von Führungspersönlichkeiten geleitet werden, die nicht nur verwalten, sondern richtige Bedeutungen und richtige Werte vermitteln“, sagte die russische Kulturministerin Olga Ljubimowa kürzlich.
Was „richtig“ ist, weiß der Staat. Und Olga Galaktionowa dient gern dem Staat. Das sagte die ausgebildete Fernsehproduzentin bereits, als sie vor vier Jahren zur Leiterin des staatlichen Ausstellungs- und Museumszentrums Rosiso ernannt wurde. Hier reüssierte die in Sankt Petersburg und New York Studierte mit sogenannten Blockbuster-Ausstellungen.
Stalin oder Mickey Mouse?
Sie hatte sehr gut besuchte Schauen zur staatstragenden sowjetischen Kunst in Moskau und Sankt Petersburg organisiert und legte öffentlichkeitswirksam Rechenschaft über die großen Besucherströme der Ausstellungen ab. Das ist die Währung, die für das Kulturministerium zählt.
Solche Ausstellungen fehlten Lichatschowa und dem Puschkin-Museum. Auch sie gilt als linientreu, gab sich allerdings stets störrisch, wenn es um die Kunst ging. Bereits als sie vom Leitungsposten des Moskauer Architekturmuseums ins Puschkin-Museum kam, brachte sie etliche Duma-Abgeordnete gegen sich auf: Sie hatte in einem Interview den sowjetischen Schlächter Stalin als Kultobjekt bezeichnet, „wie Mickey Mouse“. „Er ist krepiert, weiter geht’s“, sagte sie und sollte dafür belangt werden. Daraus wurde nichts.
Sie war es auch, die sich vehement gegen die Rückgabe wertvoller alter Ikonen aus den Museumssammlungen an die russisch-orthodoxe Kirche einsetzte. Zuletzt beklagte sie – als Einzige aus der offiziellen Kulturwelt – die Schließung des Gulag-Museums, wenn auch mit einem Stalin-Spruch: Es sei eine „Dummheit, die an ein Verbrechen grenzt“. Auch das Gulag-Museum hat mittlerweile eine neue Leiterin und arbeitet offenbar bereits an einer Überarbeitung seiner Ausstellung.
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