Mordfantasien von US-Republikanern: Den Rücken aufschlitzen
Ein republikanischer US-Abgeordneter veröffentlicht Gewaltfantasien gegen die Linke Alexandria Ocasio-Cortez. Erst unter Druck löscht er das Video.
„Gibt es hier Comic-Fans?“, hatte Gosar scheinheilig gefragt, als er sein japanischen Mangas nachempfundenes 90-Sekunden-Video am Montag sowohl auf seinem privaten als auch seinem politischen Twitter-Konto veröffentlichte. Es mischt Aufnahmen von Flüchtlingen, die durch den Rio Grande waten, während Worte wie „Verbrechen“, „Drogen“, „Mord“ und „Banden“ sowie Blutflecken ins Bild eingeblendet werden, mit Fantasiefiguren, die Gesichter von Kongressabgeordneten haben. Gosar selbst ist der Superheld in diesem Video. Nachdem er Ocasio-Cortez getötet hat, richtet er seine Waffen gegen Joe Biden.
Twitter warnte, dass das Video seine Regel der Gewaltfreiheit verletze. Das Unternehmen ließ es jedoch auf seiner Seite stehen und begründete das mit dem „öffentlichen Interesse“. Als immer mehr demokratische Abgeordnete eine Ethik-Untersuchung über Gosar und dessen Ausschluss aus dem Kongress verlangten, verlautete aus dem Büro des Republikaners: „Dies ist ein Comic. Entspannt euch alle“. Der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, und andere führende Republikaner sagten nichts zu dem Vorgang.
Ocasio-Cortez, die schon mehrfach von RepublikanerInnen verbal attackiert worden war – unter anderem nannte sie der Abgeordnete Ted Yoho aus Florida auf einer Treppe des Kongress eine „Scheißschlampe“ – war unterwegs zur Klimakonferenz in Glasgow, als das Video erschien. Sie reagierte auf Twitter mit den Worten: „Ein gruseliger Kollege, mit dem ich zusammenarbeite, und der Geld für Neonazi-Gruppen sammelt, hat ein Fantasievideo geteilt, in dem er mich tötet.“
Verrohung trifft auch republikanische Abgeordnete
Demokratin Cori Bush
Später fügte die New Yorker Abgeordnete, deren Vorfahren aus Puerto Rico stammen, hinzu: „Die weiße Vorherrschaft ist etwas für extrem zerbrechliche Menschen und traurige Männer wie ihn, deren Selbstverständnis auf dem Mythos beruht, dass sie von Geburt an überlegen sind, weil sie tief in ihrem Inneren wissen, dass sie nicht einmal ein Gurkenglas öffnen oder ein ganzes Buch lesen können.“ Die afroamerikanische Abgeordnete der Demokraten, Cori Bush, fügte hinzu, dass „weiße Rassisten“ die Grenzen täglich weiter verschieben: „Sie wollen sehen, wie weit sie ohne Konsequenzen gehen können.“
Zumindest eine parlamentarische Rüge droht Gosar jetzt. Zehn demokratische Mitglieder des Repräsentantenhauses kündigten die Vorlage einer Resolution an, die sein Verhalten verurteilt. Sein Twitter-Post „überschreite die Grenze des Erlaubten“, hieß es in einer Erklärung vom Mittwoch, die unter Federführung der Co-Vorsitzenden der Frauenorganisation der Fraktion der Demokraten verfasst wurde. Dies sei ein „klarer Fall für eine Rüge“. Wie die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar gezeigt habe, könnten böse und vulgäre Botschaften echte Gewalt schüren.
Gosar gehört zu einer Gruppe von mindestens sieben Trump-Getreuen im Repräsentantenhaus, die an den Vorbereitungen des Sturms auf den US-Kongress am 6. Januar beteiligt gewesen sein sollen. Das haben mehrere Kongress-Stürmer in Interviews mit dem Magazin Rolling Stone erklärt. Die Abgeordneten Matt Gaetz aus Florida und Lauren Boebert aus Colorado, die ebenfalls zu der Gruppe der Trump-Getreuen gehören, haben darüber gewitzelt, die Metalldetektoren am Kongresseingang zu sprengen, um ihre Waffen ins Repräsentantenhaus bringen zu können.
Die Verrohung trifft auch Abgeordnete aus den republikanischen Reihen. In diesen Tagen bekommt das Fred Upton aus Michigan zu spüren. Er ist einer der 13 Republikaner im Repräsentantenhaus, die in der vergangenen Woche für das Infrastrukturgesetz gestimmt haben. Upton erhält Todesdrohungen, seit seine Parteikollegin, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, die Telefonnummern der Republikaner, die „Bidens kommunistische Machtergreifung“ unterstützt haben, in sozialen Medien veröffentlicht hat. Bei einem TV-Interview spielte er eine ab, in der ein Anrufer ihn „Verräter“ und ein „Stück Scheiße“ nennt und ihm und seiner Familie den Tod wünscht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart