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Mord an UnitedHealthcare-CEO in New YorkMörder-Model Mangione

Valérie Catil
Kommentar von Valérie Catil

In New York erschoss mutmaßlich Luigi Mangione Konzernchef Brian Thompson. Im Netz wird er als Robin Hood gefeiert – aus Protest gegen das Versicherungssystem.

Luigi Mangione, Verdächtiger im Fall der Ermordung des United Health-Managers Brian Thompson, am 9.12.2024 Foto: fox news channel/reuters

W er Mörder heiß findet, hat Hybristophilie, auch Bonnie-und-Clyde-Syndrom genannt. Offenbar scheint gerade eine besonders heftige Welle dieses Phänomens über die Welt zu schwappen. Denn das Internet ist sich einig: Luigi Man­gione ist der schönste Mörder der Stunde.

Das bezaubernde Lächeln des 26-Jährigen kennt man am besten aus einem Überwachungsvideo, das vor wenigen Tagen von der New Yorker Polizei verbreitet wurde. Es zeigt Mangione in einem Hostel kurz bevor er am 4. Dezember zum Hilton Hotel aufbrach, wo sich Brian Thompson, CEO der Krankenversicherung UnitedHealthcare aufhielt. Mangione soll es gewesen sein, der den 50-Jährigen auf offener Straße erschossen habe.

Etwa fünf Tage lang suchte die Polizei nach ihm. In einem McDonald’s in Pennsylvania endete die Flucht. Ein Mitarbeiter hatte Mangione erkannt und die Polizei verständigt. In seiner Tasche fand man eine 3D-gedruckte Waffe, einen Schalldämpfer, einen Pass und mehrere gefälschte Ausweise.

Als er identifiziert war, dauerte es nicht lange, bis das Internet überschwemmt war mit seinen Bildern, wieder mit dem bekannten Lächeln vom Überwachungsvideo, aber auch oberkörperfreie Fotos sah man auf einmal in den Time­lines. Und das Lechzen begann.

Doch nicht nur wegen seines Aussehens wird der US-Amerikaner mit Ivy-League-Abschluss zelebriert. Besonders Kapitalismuskritiker stilisieren Mangione derzeit zu einem Helden.

Nachdem die Nachricht von dem Mord an Thompsons die Runden gemacht hatte, gab es unerwartete Reaktionen. Klient_innen von UnitedHealthcare teilten ihre Geschichten ­online: Davon, wie sie von der Krankenversicherung in Notsituationen im Stich gelassen wurden. Davon, wie Angehörige verstarben, weil UnitedHealthcare sich geweigert hatte, die Kosten für eine Behandlung zu übernehmen. Thompson verdiente jährlich 10,2 Millionen Dollar.

Von Unabomber Ted Kaczynski inspiriert

Der Mord wird als revolutionär gesehen, Mangione als eine Art Robin Hood. Ermittler gaben bekannt, dass Mangione Anfang des Jahres das Manifest des Unabombers Ted Kaczynski gelesen und in einem Kommentar verteidigt haben soll. Der Terrorist hatte zwischen 1978 und 1995 Bomben mit der Post verschickt. Magiones Kommentar endete mit den Worten: „‚Gewalt hat noch nie etwas gelöst‘ ist eine Aussage, die von Feiglingen und Prädatoren stammt.“

Auch am Tatort gab es Beweise für seine Haltung: Auf Patronenhülsen, die Ermittler dort fanden, standen die Worte „delay“, „deny“ und „depose“, geschrieben, also „verzögern“, „verweigern“ und „absetzen“ – ein Mantra der Versicherungsbranche, das ihre Kritiker_innen anprangernd verwenden. Ursprünglich stammt es aus dem Buchtitel „Delay, Deny, Defend. Why Insurance Companies Don’t Pay Claims and What You Can Do About It“ von Jay M. Feinman über die Versicherungsindustrie.

UnitedHealthcare musste unter Social-Media-Posts, die den Tod verkündeten, die Kommentarfunktion ausschalten, da Tausende mit lachenden oder applaudierenden Emojis reagierten. Kritik über diese Häme ließ nicht lange auf sich warten. Der New Yorker etwa beklagte, „dass die Leute den kaltblütigen Mord an einem hart arbeitenden Familienvater offen feiern“.

Auch wenn das mit der Selbstjustiz schwierig ist, ist etwas Genugtuung über den Tod eines Millionärs, der mit dem Leid anderer reich werden konnte, verständlich. Bloß verlieben sollte man sich in den Mörder nicht.

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Valérie Catil
Gesellschaftsredakteurin
Redakteurin bei taz zwei, dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Studierte Philosophie und Französisch in Berlin. Seit 2023 bei der taz.
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48 Kommentare

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  • Genugtuung verständlich?

    Einfach nur widerlich.



    Da muss ich gar kein Bild sehen: Dahinter steckt nur eine hässliche Fratze

  • Ich bin mir nicht sicher, wie man das mit der Selbstjustiz "schwierig" finden kann, außer man wünscht sich Anarchie. Man muss schon arg naiv sein um zu meinen, dass der aktuelle CEO besonders viel Entscheidungsgewalt hatte. Ganz zu schweigen davon, dass sicher 90% der Leute, die den Mörder als Helden feiern, den selben Posten unter der Anweisung "Kurs halten" mit Kusshand angenommen hätten.

  • Mich interessiert für wie viele Tote und Leid UnitedHealthcare & Co verantwortlich sind? Könnt Ihr, liebe taz da mal nen Artikel darüber machen?

  • „Auch wenn das mit der Selbstjustiz schwierig ist, ist etwas Genugtuung über den Tod eines Millionärs, der mit dem Leid anderer reich werden konnte, verständlich.“



    Das Kapital hat Name und Anschrift, insistierte die RAF gegen ihre innerlinken Gegner.



    Auf Alfred Herrhausen folgte Hilmar Kopper und alles geht weiter, parierten die innerlinken Gegner.



    Darauf die RAF: Stimmt, aber wir verbreiten Panik in den Vorstandsetagen der Deutschland AG. Das bringt den Feind in die Defensive, ringt ihm Konzessionen ab.



    Was also könnte das Attentat politisch (nicht juristisch, Mord bleibt Mord) rechtfertigen? Ein Mensch Tod ein anderer bis zum Lebensende im Gefängnis. Unglück für beide Familien. „Genugtuung“ kann sowas jedenfalls nicht aufwiegen.



    Optimistisch: Das amerikanische Gesundheitssystem erlebt eine Erschütterung angesichts der Freudentaumel über das Attentat und Trump ist schließlich Populist.



    Ich vermute, liebe Frau Catil, da geht’s um mehr als Genugtuung oder „Hybristophilie“. Übrigens ein neues Wort gelernt, kannte ich gar nicht.

  • Sehr interessant, wie der Mörder weltweit als Held gefeiert wird.

    Die Linken feiern ihn, weil er einen Kapitalisten umgebracht hat.



    Die Rechten feiern ihn, weil US-Amerikaner das Gesundheitssystem, besonders das freie Gesundheitssystem welches wir in Europa haben, mit Skepsis betrachten oder als Kommunismus.

    Hier noch eine passende Karikatur dazu:



    ibb.co/m0pHk6V

    Auch wenn ich kein Fan vom Kapitalismus bin, so ist der Mord als falsch zu beurteilen. Viel besser ist es, Kapitalisten über ihr Fehlverhalten aufzuklären, Alternativen aufzuzeigen und Strategien zu entwickeln, den Kapitalismus einzudämmen. Ja, ich weiß, Aufklärung wird gerne als Gehirnwäsche verstanden. Trotzdem besser als Lynchjustiz. Sonst werden bald hunderte Leute nachahmen und Menschen auf offener Straße töten, die aus ihrer Sicht z.B. pädophil sind, ohne überhaupt Beweise zu haben.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Sie wollen also Musk, Thiel, Quandt, etc. über deren Fehlverhalten aufklären? Wie soll das funktionieren, aufgrund fehlender Einsicht der politisch (gekauften) Verantwortlichen?

  • Vielleicht kommt in dieser „Genugtuung“ oder „Klammheimlichen Freude“ zum Ausdruck, dass der Klassencharakter der Rechtsprechung und des Einfluss auf dieselbe durch die hochdotierten Anwälte der Reichen und Unternehmen der Arbeiterklasse sauer aufstößt, wenn sie sehen muss, wie sehr „legitimes“ und „legales“ auseinanderklaffen.

    Wo der Glaube an die Justiz verschwindet, steigt die Akzeptanz von Selbstjustiz.

    • @Henne Solo:

      Es gibt sie, die Klassen- und Hautfarbenjustiz. Rechtfertigt das etwas Metallisches, Kleines? Nein.



      Ist eine Klassen- und Hautfarbenjustiz abzuschaffen? Ja, immer noch.

      PS: Der mutmaßliche Schütze war jetzt nicht gerade working class poor.

  • Ja, genau: Gewalt bewegt etwas - aber meistens genau das Falsche!

  • Sorry, aber im Zusammenhang mit der Ermordung eines Menschen von Genugtuung zu sprechen, empfinde ich als menschenverachtend. Der Mann hat Familie. Er hat Kinder, die einen Vater verloren haben. Wenn ich an mein Kind denke und daran, egal was ich bin, oder tue, dass meinem Kind die Nachricht überbringen werden müsste, dass ich ermordet wurde, zerreißt mich das schon nur bei der Vorstellung. Und dass dieses Kind dann auch noch überall in seinem Umfeld und in seinem Land sieht, dass der Mord an seinem Elternteil gefeiert wird , ist das einfach unerträglich und ein widerliches Armutszeugnis für unsere Zivilisation.

    Das Wort ist völlig fehl am Platz. Es gibt rein gar nichts, was eine solche Reaktion auf einen hinterhältigen Mord oder einen Mord an sich einzig erklärbar macht. Nicht mal wenn man es geschafft hätte, Trump zu erschießen, könnte ich solche Formulierungen gutheißen.

  • "Auch wenn das mit der Selbstjustiz schwierig ist, ist etwas Genugtuung über den Tod eines Millionärs, der mit dem Leid anderer reich werden konnte, verständlich."

    Ach isses das? "Verständlich", würd ich Genugtung über einen Gerichtsprozess, eine Haftstrafe oder einen Bankrott nennen. Genugtuung durch Selbstjustiz bzw. den Mord an einem Menschen zu empfinden, halte ich nicht nur für schwierig, sondern für archaisch und komplett daneben.



    Und wie man ein Faden von diesem Mord über das Zitat eines Serienkillers hin zu "Bloß nicht verlieben" ziehen kann, ist schon sehr schwer nachvollziebar.

    • @Deep South:

      Danke, sehe ich exakt genauso.

      Es ändert nur leider nichts daran, dass archaisches UNverständnis für das ethische "We go high" immer mehr zunimmt. Der Glaube an den Sieg des rechtsstaatlichen Guten (im Gegensatz zu Selbstjustiz und "Auge um Auge") schwindet. Das ist ein echtes Problem des politisch gemäßigten Rechtsstaats - vielleicht wichtig, dass jemand das so drastisch klarmacht wie Frau Catil, schade aber, dass ihr wahrscheinlich nicht klar wahr, wie sehr aber ihr geäußertes "Verständnis" Teil des Problems ist und nicht der Lösung.

      • @Normalo:

        Yep, die Passage aus dem Artikel erinnert mich an die „ Klammheimliche Freude“ von früher.

  • Wenn Kyle Rittenhouse freigesprochen werden kann, dann auch Luigi Mangione.

    • @Suryo:

      Ist in keinster Weise vergleichbar. Rittenhaus hat auf Leute geschossen, von denen er angegriffen wurde. Einer davon, der in den Arm getroffen wurde, war selbst mit einer Pistole bewaffnet und zielte auf Rittenhaus.

      Mangione hat einem völlig wehr- und ahnungslosen Opfer von hinten in den Rücken geschossen.

      • @Juleischka :

        Rittenhouse ist mit einer Waffe losgezogen, um zu töten. Er ist nur freigesprochen worden, weil er das „richtige“ Opfer hatte.

        • @Suryo:

          Unsinn. Auf vielen amerikanischen Demos - je nach Bundesstaat - ist es vollkommen normal, dass die Leute bewaffnet sind. Wenn jeder dieser Leute die Absicht hätte zu töten, würde jede Demo mit einem Leichenberg enden.



          Und vergessen Sie bitte nicht, dass Grosskreutz ebenfalls bewaffnet war. Demnach ist der auch losgezogen um zu töten?



          Auf den Videoaufnahmen ist deutlich zu sehen, wer dort hinter wem her ist und wen durch die Straßen jagd.

  • Ah, "klammheimliche Freude", ein wiederkehrendes Thema.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Linke feiern erneut einen Mord an einem unbewaffneten Unschuldigen. Der Mordverdächtige Luigi M., ein verwöhnter Sohn aus einer wohlhabenden Familie, ist ihr neuer Held im Streben nach „sozialer Gerechtigkeit“. Dabei verwerfen sie Recht und Logik selbst, um die Lynchjustiz zu romantisieren.

    Nicht nur Molotow-Cocktail-schwingende Straßenkämpfer, die von der staatlichen Stütze leben, sondern auch Podcaster, Psycholog:innenen und Professor:innenen begrüßen den Mord offen. Zunächst versuchten sie, Luigi M. als unschuldiges Opfer einer Verwechselung or als Spielball einer Verschwörung darzustellen. Doch bald entlarvten sie ihre extremistischen Triebe und priesen ihn euphorisch als Rächer, der mit Gewalt für Gerechtigkeit sorge.

    Die Tatsache, dass viele Fans von Luigi M. auch ihre Unterstützung für Hamas, Hisbollah, Huthis & Co. zum Ausdruck bringen, ist umso alarmierender. In der Tat ist auch der Mord an Brian Thompson eine Form des Terrors, und der erklärte antikapitalistische Charakter der rücksichtslosen Tötung nährt antisemitische Blutlegende-Verschwörungstheorien.

    • @Michaela Dudley:

      Der Ermordete war mit Sicherheit nicht unschuldig. Bitte beschäftigen Sie sich doch mit den Praktiken der Krankenversicherungen in den USA. Wäre mal ne Abwechslung für Sie.

      • @sedeum:

        "Der Ermordete war mit Sicherheit nicht unschuldig."

        Das macht den Mord an ihm nicht weniger verwerflich oder die Mentalität weniger barbarisch, in so einem Verbrechen eine "gerechte Rache an einem noch viel größeren Übeltäter" zu sehen. Genau an der Stelle wird die Verklärung nicht nur absurd sondern auch gefährlich: Wenn Menschen sich anmaßen, Gut und Böse allgemeinverbindlich definieren und sanktionieren zu dürfen, insbesondere Andere eigenmächtig dafür zum Tod verurteilen zu dürfen, dass sie etwas "Böses" getan haben, dann sind die zu Allem fähig.

    • @Michaela Dudley:

      Das es sich hier nicht um einen links/rechts Gegensatz handelt, musste gerade erst Ben Shapiro in seinem eigenem Podcast erfahren. Der wurde dort von seinen "rechten" Anhängern direkt abgekanzelt für den Versuch pro CEO Partei zu ergreifen.



      Es ist ein Konflikt Arbeiterklasse gegen die da Oben. Trumpanhänger haben the adjuster genauso gefeiert wie die Linke. Kein Wunder warum im Klassenstaat Deutschland der Vorgang hier so eine negative Rezeption erfährt. Ihr habt alle keinen Klassenstandpunkt hätte meine Lehrerin früher gesagt.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Šarru-kīnu:

        Ich zitiere mich bekanntlich gerne:

        „Die Tatsache, dass viele Fans von Luigi M. auch ihre Unterstützung für Hamas, Hisbollah, Huthis & Co. zum Ausdruck bringen, ist umso alarmierender. In der Tat ist auch der Mord an Brian Thompson eine Form des Terrors, und der erklärte antikapitalistische Charakter der rücksichtslosen Tötung nährt antisemitische Blutlegende-Verschwörungstheorien.“

        Mit ebenjenem abschließenden Absatz habe ich das üble Phänomen der Lynchjustiz keineswegs auf die linke Flanke beschränkt. Der Zuspruch für die brutale Hinrichtung des Managers kommt mehrheitlich von links, aber der Anti-Kapitalismus und seine antisemitischen Anspielungen, die ich ansprach, sind auch Eigenschaften aus der rechten Flanke.

        Als Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln habe ich Gründe dafür, die Lynchjustiz, den Mob und das gewaltverherrlichende Prekariat zu verachten.

        • @Michaela Dudley:

          Jetzt mal schlicht ohne viele Selbst- und Anderszuschreibungen gefragt: ein Anti-Kapitalismus ist für Sie aber schon noch denkbar?

      • @Šarru-kīnu:

        Da hast sicher nicht die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts mit erlebt. Da sprudelte der romantische Klassenkampf aus den Köpfen...

      • @Šarru-kīnu:

        Wenn der "Klassenstandpunkt" beinhaltete, dass Lynchmorde am "Klassenfeind" ok wären, dann haben wir an der Stelle wohl auch mal wieder ein Beispiel dafür, warum es ganz gut ist, dass die Ideologie Ihrer Lehrerin mit der DDR untegegangen ist.

        • @Normalo:

          Der Typ war als CEO direkt verantwortlich für 40000 vermeidbare Todesfälle armer Menschen pro Jahr. Das läuft für nicht in der Kategorie bin Laden oder eher noch schlimmer. Mein Mitleid hält sich in arg umrissenen Grenzen.

          • @Šarru-kīnu:

            Ich würde in dem Fall auch weniger um den CEO trauern als um das Tötungsopfer und das unzivilisierte Weltbild all Jener, die die Tat für "gerecht" und den Täter für einen geeigneten (Scharf-)Richter halten. Das ist einfach nur archaisch und unwürdig.

            • @Normalo:

              Leicht abgewandelt nach Edmond de Rostand. "Töte einen Menschen, und du bist ein Mörder. Töte Millionen, und du bist ein CEO."



              Von der amerikanischen Justiz ist für die Arbeiterklasse genauso wenig Gerechtigkeit zu erwarten wie von der deutschen. Nennen Sie das meinetwegen unzivilisiert. Ich habe jetzt mehrere Tage die Horrorgeschichten von Versicherten von UNHC angehört. Für mich ist er noch zu leicht davon gekommen.

              • @Šarru-kīnu:

                Klingt, als hätte man mal über eine Anzeige wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung durch Unterlassen in SEHR vielen Fällen nachdenken sollen - und einer entsprechendne Class-Action gegen UNHC. Gerade in den USA sind - nach selbstherrlichen Waffenbesitzern - eigentlich das Gefährlichste, dem man ausgesetzt sein kann, ein Schwarm Anwälte, der Blut gerochen hat.

                Dagegen als Reaktion auf das verübte Unrecht den Chef zu erschießen, ist schlicht hassgetrieben und barbarisch. Und Leute, die so denken, sind übrigens einer der Gründe dafür, dass sozialistische Gesellschaftsmodelle immer scheitern. Aber das wird die "Der Zweck heiligt die Mittel"-Fraktion wahrscheinlich nie begreifen.

        • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
          @Normalo:

          Ganz genau.

          Die Rote-Armee-Fraktion war ein Verbrecherverein mit antisemtisichem, rassistischen und nicht zuletzt partriarchalischem Gepräge. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das null Komma nichts zu tun.

          Wer solche Massenmörder romantisiert, atmet toxische Verfassungsfeindlichkeit aus.

  • „‚Gewalt hat noch nie etwas gelöst‘ ist eine Aussage, die von Feiglingen und Prädatoren stammt.“ Den Satz verstehe ich nicht, Prädatoren üben doch Gewalt aus? Das Huhn als Prädator frisst den Wurm, übt also Gewalt gegen den Wurm aus, und der Raubvogel (Adler, Habicht etc...) als Prädator reisst und frisst das Huhn, übt also Gewalt gegen das Huhn aus.



    Im Englischen heisst Predator sogar Raubtier, und der Una-Bomber sprach englisch.

    • @Offebacher:

      Die These meint wohl, dass Predatoren ihren OPFERN Gewaltlosigkeit predigen - damit die sich nicht effektiv wehren. Das ist klassische Rechtfertigungslogik für Exzesse: "Der Dieb wartet doch nur darauf, dass Du Schwäche zeigst. Also erschieß ihn, bevor er Dir die Geldbörse klaut!"

  • „dass die Leute den kaltblütigen Mord an einem hart arbeitenden Familienvater offen feiern“. Wäre es denn angemessen, den Mord an einem Familienenvater, der ganz normal (oder wenig) arbeitet, zu feiern? Oder an seinem kinderlosen Arbeitslosen?

    • @Henne Solo:

      Nein, aber gegen die moralische Hybris der Mangione-Fans (also die, die nicht nur sein Äußerliches toll finden) gilt "Viel hilft Viel": Je mehr Attribute des Mordopfers nicht ins Klischee des abgehobenen, egoistischen Schmarotzers passen, desto klarer wird ihnen vielleicht, dass derartige Willkür weder "richtig" ist, noch zwangsläufig die "Richtigen" trifft.

  • Der Hinweis auf »Hybristophilie« ist nicht sinnvoll. Die Menschen verlieben sich nicht in den Täter als Mörder, sondern als Rächer bzw. Gerechten.

    Ich frage mich, ob es Alternativen gibt zwischen den Deutungen a) die Tat sei nichts weiter als ein gewöhnliches Verbrechen und b) Mangione ist der Kyle Rittenhouse der Gebeutelten.

    Dass Josh Shapiros Kommentar (we don't kill […] to resolve policy differences) dort neuerdings offenkundig als kontrafaktisch (und damit als verletzte Norm) verlacht wird, deutet darauf hin, dass dort erhebliches zynisches Potential lauert.

    • @THu:

      Ist es bei Hybristophilie nicht ein gängiges Symptom, dass die Motive des angehimmelten Verbrechers verklärt werden?

      • @Normalo:

        Ich fürchte, der gesamte Begriff ist hier nicht hilfreich. Die Bewunderer sind nicht die Betroffenen (der Tat). Ihre Beziehung sieht eher so aus, wie der Konsum ihrer zynischen Enttäuschung von unten.

        Genauer, sie sehen sich als Opfer einer Oberschicht, die sich ebenso nicht an das Gesetz halte (deny, delay, depose). Eine Oberschicht, die tatsächlich glaubt, dass das Gesetz für sie nicht gelte. In dieser Konstellation konsumieren die Bewunderer nur die Grenzübertretung, wie die Trump-bewunderer dessen Frechheiten als Entlastung erleben.

        gesellschaftszersetzend ist das alles…

  • Privatwirtschaftlich organisierte Versicherungen haben leider systemisch stärker als genossenschaftlich oder staatlich organisierte eine Tendenz, die Kernkompetenz in Werbedruck und Auszahlungsverweigerung aufzubauen. Fehlt dann noch ein herkömmliches Gewissen weitgehend (Neoliberalismus), ist es übel.



    Das darf man kritisieren und über Gesetzgebung, Kontrolle, sozialen Druck versuchen, kleinzukriegen.



    Hat mit Mord (meine vorläufige Einschätzung dieser Tat) nur gar nichts zu tun. Robin Hood _stahl übrigens laut der Legende hauptsächlich von den Reichen.

  • Titel und Subtext stellen es als Fakt dar, dass der Verdächtige zweifelsfrei der Mörder sei.

    Soweit mir geläufig verbietet es der Anstand, wenn nicht auch der Pressekodex, eine andere Wortwahl als “Verdächtiger“ solange, bis derjenige auch rechtskräftig verurteilt ist. Oder nicht??

    • @Steffen I:

      Da musste die Alliteration passen genauso wie bei "Assads armseliger Abgang". Der Artikel schlingert, es kann auch der Nachname des mutmaßlichen Täters abgekürzt werden z.B. .

    • @Steffen I:

      Ich würd eher sagen, dass der ganze Artikel (einschließlich Überschrift und Subtext) ein Phänomen beschreibt, das sich bemerkenswerterweise in seiner Sympathiebekundung dem Verdächtigen gegenüber um die Unschuldsvermutung keinen nennenswerten Kopf macht.

      • @Normalo:

        Die Unschuldsvermutung betrifft nur noch die Schuldfrage, denn der Täter ist in Papierform geständig.

        Jedem steht frei, vertrackte jur. Verteidigungsstrategien zu antizipieren.

  • „‚Gewalt hat noch nie etwas gelöst‘ ist eine Aussage, die von Feiglingen und Prädatoren stammt.“



    Stimmt schon, die Frage ist nur, was Gewalt (aus)löst.



    Und in einem Land, das sich gerade mit überwältigender Mehrheit für die Plutokratie entschieden hat, nicht obwohl , sondern weil man weis was die Oligarchen Orange für ein mafiöses Früchtchen ist. Dies ist eine sinnlose, weil nichts bewirkende Tat und bestimmt nicht der Beginn irgendeines Klassenkampfes von unten. Da hätte es gelangt nicht DT zu wählen.



    Wollen wir wetten, dass sich fast das ganze Forum aus verinnerlichtem Rechtspositivismus über die Tat echauffiert, weil es illegal ist Leute das Licht aus Wut auszuknipsen, aber legal sie verrecken zu lassen, um Gewinne zu maximieren.



    Wenn Biden Eier hätte, könnte er ihn ja begnadigen um die Reps zu ärgern, aber die haben ja die Linksbürgerlichen dort genau so wenig wie bei uns Steinmeier bei Lina S. (Wobei zugegebenermaßen gegen die US Dems ist die CDU linksextrem)



    Also ein völlig sinnloser Mord, der nur der Trumppropaganda nützen wird.

    • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
      @Euromeyer:

      „Wenn Biden Eier hätte, könnte er ihn ja begnadigen[,] um die Reps zu ärgern, [...]“

      Einspruch. Die Annahme stimmt nicht. Denn Biden ist als US-Präsident nicht dazu befugt, Menschen für Straftaten zu begnadigen, die unter die Zuständigkeit eines oder mehrerer Bundesstaaten fallen. Seine diesbezüglich Macht beschränkt sich, gemäß Abschnitt 2 von Artikel II der US-Verfassung, ausdrücklich auf Bundesverbrechen.

      Bislang ist die Causa, strafrechtlich gesehen, eine Angelegenheit der jeweiligen Bezirksstaatsanwaltschaften der Bundesstaaten New York und Pennsylvania. Selbst wenn eine Bundesanklage dazu käme, würde Biden grundsätzlich keine Möglichkeit haben, in die Gerichtsbarkeit bzw. die sachliche Zuständigkeit von New York und Pennsylvania einzugreifen. Nur die Gouverneur:innen von New York und Pennsylvania, beide zur Zeit Demokrat:innen, dürften dort begnadigen.

    • @Euromeyer:

      Biden hat schon genug Eier gezeigt, als er seinen Sohn begnadigte, obwohl er ja der Präsidentschaftskandidat war, der die Strafverfolgungsbehörden und den Rechtsstaat respektierte und sein Amt nie zum privaten Vorteil gebrauchen würde. Er muss wirklich niemandem mehr etwas beweisen.

  • Zur Info: Deutsche Versicherer gehen nach derselben Methode vor, v.a. bei Berufsunfähigkeit. Hier sind die Versicherten im Wesentlichen der Willkür der Versicherung ausgeliefert oder reinem sich in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten auf.

    • @Hermine Jean:

      Das stimmt. Ich kann jedem nur raten, sein Geld lieber in ein Eigenheim zu stecken statt es einer Berufsunfähigkeitsversicherung in den Rachen zu werfen. Dann reicht nämlich die Erwerbsminderungsrente oft eher zum Leben aus und man muss sich deutlich weniger erniedrigenden Gesundheitsgutachten aussetzen.