Amerikanischer „Unabomber“ gestorben: Von Hass auf Technik motiviert
Mathematik-Professor, Aussteiger, anarchistischer Attentäter. Ted Kaczynskis Leben ist eine ungewöhnliche und bittere Geschichte.
Washington dpa | Der als „Unabomber“ bekannte amerikanische Attentäter Ted Kaczynski ist im Alter von 81 Jahren in Haft gestorben. Das US-Bundesamt für Gefängnisse teilte mit, Kaczynski sei in der Nacht zu Samstag bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden worden. Mitarbeiter hätten lebensrettende Maßnahmen eingeleitet und ihn ein Krankenhaus bringen lassen. Dort sei er für tot erklärt worden. Zur Todesursache machte die Behörde zunächst keine Angaben.
Der einstige Harvard-Absolvent und erklärte Technikfeind hatte zwischen 1978 und 1995 bei einer Serie von Paketbomben-Anschlägen drei Menschen getötet und 23 weitere verletzt. Laut einem psychiatrischen Gutachten litt er an paranoider Schizophrenie und mordete aus abgrundtiefem Hass gegen den technischen Fortschritt.
Die Bezeichnung „Unabomber“ leitet sich aus seinen Zielen ab. Er suchte sich als Opfer hauptsächlich Mitarbeiter von Universitäten (Un) und Fluggesellschaften (Airlines – A) aus.
Zuletzt war Kaczynski nach Behördenangaben in einer medizinischen Einheit einer Haftanstalt im Bundesstaat North Carolina untergebracht. Zuvor war er in einem Hochsicherheitsgefängnis im Bundesstaat Colorado inhaftiert gewesen.
Das Wunderkind zog in die Berge
Kaczynski galt als hochbegabt und mathematisches Wunderkind. Bereits mit 16 Jahren begann er, an der Elite-Universität Harvard zu studieren. Später wurde er selbst Mathematik-Professor. Kaczynski brach seine akademische Karriere aber früh ab und zog sich 1971 in eine einsame Hütte in den Bergen des Bundesstaates Montana zurück, wo er ohne fließendes Wasser und Elektrizität wie ein Einsiedler lebte.
Seinen Hass auf den technologischen Fortschritt schrieb er in einem Manifest nieder, das er an zwei renommierte US-Zeitungen schickte. Darin meinte er, die von ihm verübten Anschläge seien „extrem, aber notwendig“. 18 Jahre lang gehörte er zu den meistgesuchten Personen in den USA. 1996 wurde er gefasst, nachdem sein Bruder sein Versteck in Montana verraten hatte. Später wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.
In einem Interview mit dem Magazin „Time“ 1999 während seiner Haft sagte Kaczynski, er wäre lieber zum Tode als zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er warf seinem Bruder vor, ihn nach 18 Jahren im Untergrund der Polizei ausgeliefert zu haben. „Er weiß sehr gut, dass die Haft für mich eine unaussprechliche Erniedrigung ist und dass ich ohne Zögern den Tod vorgezogen hätte.“
Leser*innenkommentare
Land of plenty
Technik- und Technologiekritik gibt es seit der gesamten Moderne. Im 20. Jh. vorgetragen von Erwin Chargaff, Lewis Mumford, aber auch Günter Anders (Günter Stern, Mensch ohne Welt).
Eine weitere Person ist Claudia von Werlhof, die bekannte sozialökologische Feministin, die seit den 90ern in der Esoterik zuhause ist, Hexen-Göttinnen kultiviert und die "ursprüngliche Lebensweise" schamanisch kultivieren möchte. Konsequent ihre Auftritte bei den Pandemie-Eindämmungsgegnern, Coronaleugern in Innsbruck und Wien.
Ted K galt vielen ja als "Anarchist"
Land of plenty
Ich denke er hatte eine Gemeinsamkeit mit dem QAnon-Schamanen der beim Sturm auf das Capitol dabei war:
antimoderne Ursprünglichkeitsfantasien.
Es gab einige "Zivilisationskritiker" (v.a. Amerikaner), die sich mit ihm in seiner Haftzeit Briefe schrieben.
siehe auch der Film "Ted K".
Das Unabomber-Manifest(o) kursiert immer noch auf einigen Webseiten. Es enthält v.a. Kritik an "der Linken". Gegen das Leben in der Stadt, die Normalisierung des Alltags, gegen die Vergesellschaftung (mit Technologien), gegen rechtliche Gleichbehandlung.
Siehe auch Lebensreform-Bewegung im deutschsprachigen Raum 1890-1930, Ulrich Linse: "Barfüßige Erlöser der 20er Jahre".
Theseus
Er hätte von Gandhi lernen sollen:
das Böse zerstört sich selbst, da kann man nicht nachhelfen.
Rudi Hamm
Er durfte 81 werden, seine Opfer nicht.
Und deshalb meine ich saß er zu Recht bis zum Ende seines Lebens in Haft.
Andrea Teupke
Hallo, in dem Text fehlt leider jeder Hinweis darauf, dass Theodore Kaczynski wahrscheinlich bei einer heute als ethisch verwerflich geltenden Versuchsreihe im Auftrag der CIA teilnahm. Verschiedene Autoren vermuten, dass die an ihm durchgeführten Experimente dazu beigetragen haben können, dass er später zum Attentäter wurde. Quellen: de.wikipedia.org/w...LTRA#Der_Unabomber
www.nzz.ch/folio/d...abomber-ld.1618804
exploringyourmind....-to-the-unabomber/
www.vice.com/de/ar...iedler-terroristen
Oliver Tiegel
@Andrea Teupke Ja, er hat dunkle Seite der Wissenschaft am eigenen Leib erfahren.
Außerdem war der Zeitgeist damals auch viel Szientismus skeptischer.
Frankfurter Schule oder Mumford´s "Megamachine". Nur "follow the science"wäre zu platt gewesen.
Die Kritik an den Naturwissenschaften und Technik (als Ideologie) war aber bedeutend fundierter und intellektueller als heute diese Gaga-Wissenschaftsfeindlichkeit im Verschörungsgläubigen-Millieu.
HerrKoenig
Meines Wissens nach war er kein "Technikfeind", sondern warnte vor den Gefahren dieser.
Tanz in den Mai
@HerrKoenig Eine bessere Überschrift wär gewesen, "Von Hass auf sich selber motiviert, mit krude zusammengeschusterter Technikphilosophie kaschiert", aber bisschen lang. Auch bei Ted ging's meistens um Ted, oder höchstens um jene, die Ted irgendwie verletzt haben sollten, oder einfach seine Brillianz nicht richtig erkannten, wo das einen Unterschied machte. Abgesehen von sich selber (wenn überhaupt) war der von nichts überzeugt. Umgekehrt ging er kaum durch als "true spirit" Anarchist (Insurrektionalismus/Propaganda der Tat), dafür waren Aktionen wie Ziele viel zu erratisch, beliebig, unsymbolisch und unausgenutzt. Das ging ja auch über Jahrzehnte. Sein Schicksal zeigt, was passieren kann, wenn man so rasant ausbrennt, auch ohne von einem Umfeld dabei hinreichend aufgefangen zu werden, wie schnell man von akademischer Höchstleistung zum Wirrkopf kommt und dass zwischen dem Narzisstischen und dem Schizoiden eine nur sehr feine Linie verläuft, aber alles davon war lange bekannt. Noch wär er der Erste seiner Art. Aus seinen Briefen während der Haftzeit ging schließlch bestenfalls ein Frauenfeind und übler Rassist hervor, vor allem jemand der eben unsäglich verbittert war. Es gibt auch so wenig Grund, den Mann und sein Schicksal übermäßig zu verkopfen und wie sie oft die andere Seite des Menschen auszublenden. Aber offensichtlich für nicht Wenige genau dies Bedürfnis. Und das ist auch interessant und für sich ja keinesfalls verwerflich. Ist ne verkopfte Zeit.
Oliver Tiegel
@HerrKoenig und seine Attentate waren kein feindlicher Akt?
Olli P.
@HerrKoenig Ach ja? Und um seine Warnung zu unterstreichen, brachte er Menschen um, einfach mal so, nur um zu warnen?
Oliver Tiegel
Ich hatte vor einiger Zeit das Manifest gelesen.
Man muss der Argumentation nicht folgen, aber sie ist in sich schon stringent und analytisch.
Geistig wirr erschien es mir jedenfalls überhaupt nicht (im Gegensatz zu den Thesen der damaligen Lafontaine Attentäterin, die ja aus schizophrenen Wahnvorstellungen heraus gehandelt hat)
Umso mehr wundert mich
a.) die forensische Feststellung einer Schizophrenie (vielleicht eher politisch motiviert: das Kritik am Fortschritt keine vernünftige Haltung und nur verrückt sein kann?)
und
b.) dass daraus eine Haftstrafe aufgrund von Schuld erfolgt. (Hallo? Schuldunfähigkeit?)
Die archaische USA mal wieder, wo sogar schon geistig Behinderte hingerichtet wurden?
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Ich wusste bis gestern nicht, dass tatsächlich Menschen zu Tode gekommen sind.
Ist wie bei der RAF und dem real existierenden Sozialismus. Sobald Blut fliesst, habt ihr euch eh delegitimiert.
fly
und doch wird wieder nur über den Täter berichtet, nicht über die Opfer.
Ingo Bernable
@fly Der Text ist eine Agenturmeldung die sachlich über den Tod Kaczynskis informiert und dessen Taten kurz und neutral zusammenfasst. Ich kann darin weder eine Billigung der Anschläge, noch eine Ehrung des Täters erkennen. Wie also sollte man es besser Handhaben? Braucht es die symbolische Auslöschung solcher Menschen indem der Tod von dem dessen Namen nicht genannt werden darf eben nicht in der Presse erwähnt wird, auch wenn es zeitgeschichtliche Relevanz hat? Oder bräuchte es jenseits journalistischer Neutralität noch eine umfassend ergreifende Darstellung des Lebens und Leidens der damaligen Verletzten und Toten?