piwik no script img

Mord an Darja DuginaSie wollen Vergeltung

Kommentar von Inna Hartwich

Der Mord an der Tochter des Ideologen Alexander Dugin dürfte die Radikalisierung in Russland weiter befeuern. Darauf ist der Kreml nicht vorbereitet.

Alexander Dugin auf einer Veranstaltung in Moskau 2014 zur Unterstützung von Luhansk und Donetzk Foto: Russian Look/imago

Töten, töten, töten“, hatte Alexander Dugin, Putins antiwestlicher „Meisterideologe“, wie er oft bezeichnet wird, noch 2014 gesagt, als Russland dabei war, die ukrainische Krim zu annektieren. Die Ukraine hat in den Augen des ultrarechten russischen Nationalisten kein Anrecht auf Existenz als eigenständiger Staat, sie müsse mit allen Mitteln vernichtet werden, predigt er geradezu und schart damit viele „Jünger“ um sich. Nun hat jemand Dugins Tochter Darja getötet – mit einer Bombe unter einem Geländewagen, in dem offenbar Dugin selbst hätte sitzen sollen.

Der russische Geheimdienst FSB bezichtigt offiziell ukrainische Ge­heim­dienst­le­r*in­nen der blutigen Tat. Dass die angebliche Aufklärung des Falls nicht einmal zwei Tage in Anspruch nahm und dadurch wenig glaubwürdig wirkt, interessiert vor allem konservative Kreise der russischen Gesellschaft nicht. Sie wollen Vergeltung. Im Geiste von Dugin und seiner Tochter, die die Weltsichten ihres Vaters voller Überzeugung vertrat, sprechen sie sich erst recht für die Vernichtung der Ukraine aus, da ihrer verqueren Haltung nach Russland nicht mit der Ukraine koexistieren könne.

Der Mord an der 29-Jährigen dürfte für eine weitere Radikalisierung in Teilen der russischen Elite sorgen. Die Konservativen fühlen sich angesichts solcher Terrorakte nicht sicher und dürften von Russlands Präsident Wladimir Putin eine härtere Gangart gegenüber der Ukraine, aber auch gegenüber Kri­ti­ke­r*in­nen des russischen Regimes im In- und Ausland verlangen.

Manche russische Be­ob­ach­te­r*in­nen vergleichen den Anschlag auf Dugina bereits mit dem Attentat auf den einstigen Leningrader KP-Chef und Stalins Gefolgsmann Sergei Kirow. Seine Ermordung 1934 diente als Anlass von Stalins „großer Säuberung“. Freilich spielte Kirow innerhalb der damaligen sowjetischen Elite eine viel gewichtigere Rolle, als Dugin und seine An­hän­ger­*­in­nen es heute innerhalb der russischen Führung tun. Auf eine sich verhärtende ideologische Konfrontation innerhalb Russlands ist der Kreml dennoch kaum eingestellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

    Die Moderation

  • der vater selbst ...

    dürfte nur noch ein schatten seiner selbst sein.

    und diejenigen der russischen elite, die meinen noch härter gegen die ukraine auftreten zu wollen ... sollten ihre söhne an die front schicken.

  • "Auf eine sich verhärtende ideologische Konfrontation innerhalb Russlands ist der Kreml dennoch kaum eingestellt."



    Das ist ein ziemlich weitgehender Schluss, wo doch vielleicht der Kreml selbst dahinter steckt? Die nach nur zwei Tagen präsentierte Aufklärungsarbeit des FSB weist einige Merkwürdigkeiten auf.



    Vielleicht geht es genau darum, aufgrund erwarteter "verhärteter Konfrontationen" die "Heimatfront" zu bereinigen. Schließlich steht eine militärische Niederlage ins Haus, die man dem Volk verkaufen muss. Die Propagandisten kann Putin auf Knopfdruck abschalten, aber Leute wie Dugin hängen zwar auch am Tropf des Kreml, haben aber tatsächlich so etwas wie eine (wenn auch marginale) eigenständige Anhängerschaft. Igor Girkin ist auch so eine Figur, der hat ja vor einer Woche einen Schuss vor den Bug gekriegt. Er wollte an die Front im Süden reisen, um selbst "nach dem Rechten zu sehen", wurde auf dem Weg dahin vom FSB festgenommen und später wieder freigelassen. Er hat den Vorfall selbst bestätigt (und bagatellisiert).



    Aber unabhängig davon, wer dahinter steckt, ist ja entscheidend, was der Kreml aus der Sache jetzt "macht":



    1) Kanonisierung im Eiltempo. Dugina wurde z.B. gestern postum ein Tapferkeitsorden verliehen. Wahrscheinlich dauert es nur Tage, bis die ersten Büsten gegossen sind. Die werden IMO ungefähr die Halbwertszeit der Standbildern vom "Knaben, der die Soldaten grüßt" und der "Oma mit der Sowjetflagge" haben. Erinnert sich wer an die? In sechs Monaten hat es die russische Propaganda nicht geschafft, irgendein dauerhaftes Symbol, irgendeinen Helden dieses Krieges zu kreieren, und stellt in den eroberten ukrainischen Dörfern nun Leninbüsten auf.



    2) Ablenken. Artikel über Artikel in der westlichen Presse, in den russischen Medien, über eine marginale Figur, von deren Existenz selbst die meisten Russen bis vorgestern nicht wussten. Heute gehen die Russen damit vor den UNO-Sicherheitsrat (!). Wen interessieren da noch militärisch besetzte AKWs...

  • Ja, für mich die ganz Artikel riecht nach Putin-Verstehen. TAZ! Warum machst du so was?



    Warum nicht eine gute Recherche über die Putin-Gegner innerhalb Russlands? Die, die diese Autobombe geplant hatten (wenn der Kremlin nicht war).



    Total enttäuscht von der TAZ, ich werde meine finanzielle Unterstützung an der TAZ abbrechen.

    • @CallmeIshmael:

      Der Mord an der Frau wird früher oder später gesühnt, sei es in England, Estland, Deutschland oder Italien. Der Westen wird dann aufheulen und die klammheimliche Erleichterung wird Entsetzen weichen.

    • @CallmeIshmael:

      Hä? Nur weil man verschiedenen mögliche Folgen eines Attentats aufzählt ist man doch noch lange kein Putin verstehe. Verstehe ich nicht.



      Einer der wirklichen großen Stärken der TAZ ist ja, das sie fähig sind unterschiedliche, ja sich teils widersprechende Meinungen des links-alternativen-Spektrums vertreten können.



      Gestern habe ich hier auf der TAZ z.b. einen Artikel eines russischen oppositionellen gelesen der sinngemäß sowas gesagt hat wie:



      'Ich würde keinen Ideologen umbringen, möchte aber auch nicht die verdammen die es tun. Krieg bringt nun mal viel Leid, auch über die geistigen Brandstifter des Krieges.'



      Vielleicht überlegst du es dir ja nochmal ob du der TAZ wirklich die finanzielle Unterstützung entziehen möchtest, nur weil ein Artikel von vielen nicht deiner Ansicht entsprach. Ich möchte mir nicht ausmalen was wäre, wenn das die Anforderungen an Journalismus wären.

    • @CallmeIshmael:

      "Warum nicht eine gute Recherche über die Putin-Gegner innerhalb Russlands? Die, die diese Autobombe geplant hatten"



      Weil es die nicht gibt. Und über etwas, was es nicht gibt - bewaffnete Untergrundbewegungen gegen den Putinismus - kann man nichts schreiben.

    • @CallmeIshmael:

      ?



      Aus welchem Wort lesen Sie in diesem Artikel eine Unterstützung für Putin



      ?

  • He? Was bedeutet das An­hän­ger­i­n*­in­nen? Also geht es nur um Frauen, männliche Anhänger nicht, oder wie? Ich verstehe den ganzen Genderkram einfach nicht. Scheinbar versteht das der Autor*In auch nicht. Warum nicht einfach wie früher: Anhänger und Anhängerinnen. Warum macht man sich das so unglaublich schwer?

    • @Merke:

      Ist das Ihr einziges Problem bei diesem Thema?

    • @Merke:

      Ach, Herr Merke,Gila-Apachen, Old Shatterhand und darüber hinaus - nirgendwo ein Ende!

      Verrat's Ihnen: Beinhaltete die allgemeine Hochschulreife endlich, endlich auch das Jodeln, und zwar zwingend über drei Oktaven - weitaus besser stünde es in unserem Land!

    • @Merke:

      Ich weiss ja nicht, ob die Frage ernst gemeint ist, ich antworte trotzdem mal: Das ist offensichtlich ein Schreibfehler, soll "Anhänger*innen" heissen.



      Anhänger und Anhängerinnen ist unpräzise und länger. Ausserdem ist das auch "Genderkram", den es "früher" auch nicht gab.



      Ausserdem ist .

    • @Merke:

      Merke: Es gibt nicht nur das was Du glaubst gekannt zu haben. Nicht verstehst. Scheinbar-anscheinend. Früher. Es ist nicht einfach. Eher schwer, oder wie?

    • @Merke:

      Anhängerinnen und Anhänger - das sind nur zwei Geschlechter. Binär. Es gibt aber viel, viel mehr... Daher. Ok.?

  • Gut analysiert, nichts hinzuzufügen, danke!

  • Wilde Vermutung: wäre der Kreml dreist genug, einen Inside-Job zu machen und die Situation ein wenig anzuheizen?



    Sprich: man zieht sich damit wichtige Leute auf die Seite, weil der Krieg nun eskaliert werden soll, man dazu aber das Wohlwollen gewisser Leute braucht...?

    Da spielt doch so ein Töchterchen eine praktische Rolle...und der extreme Vater bleibt übrig, um das Feuerchen zu schüren. Den kann man damit so richtig schön reizen.

    Die Frage ist ja, ob so eine kleine Splittergruppe überhaupt in der Lage wäre, so einen Anschlag zu verüben: Aufenthaltsorte der ?beiden?, Standort Fahrzeug, Zugriff auf's Fahrzeug, Sprengsatz usw...

    Nein, das kann man dem Kreml wirklich nicht zutrauen, das wär ja menschenverachtend...wilde Verschwörungstheorie!