Anschlag auf russische Ideologen-Tochter: Wer tötete Darja Dugina?
Russlands Geheimdienst will die Auftragskillerin der Ideologin Darja Dugina ausgemacht haben. Doch eine andere Gruppe bekennt sich zu dem Attentat.
Moskau taz | Ziemlich schnell hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB den Tod von Darja Dugina „aufgeklärt“, den er offenbar nicht so einfach verhindern konnte. Die Tötung Darja Duginas sei von ukrainischen Geheimdiensten „vorbereitet und begangen“ worden. Ausgeführt habe die Tat eine ukrainische Staatsbürgerin, die im Anschluss von Russland nach Estland ausgereist sei.
Der FSB erklärte, dass die Verdächtige Natalja W., Jahrgang 1979, eine Wohnung in dem Gebäude gemietet habe, in dem Dugina, eine radikale Verfechterin des Krieges gegen die Ukraine und Tochter des russischen Ultra-Nationalisten Alexander Dugin, lebte, und sie beschattet habe.
Dabei hatte sich nur wenige Stunden nach der Nachricht vom gewaltsamen Tod Duginas Ilja Ponomarjow zu Wort gemeldet. Der 47-Jährige war einst Duma-Abgeordneter in Russland, stimmte 2014 als Einziger im Parlament gegen die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, verlor später wegen konstruierter Betrugsvorwürfe seine Immunität und floh in die Ukraine.
Partisanische Vernichtungsfantasien
Sein erklärtes Ziel ist es, Putin aus dem Kreml zu jagen. In seiner Youtube-Sendung „Februarmorgen“ liest er also vor: „Wir, die Partisanen der Nationalen Republikanischen Armee, erklären Beamte der Regierung der Russischen Föderation und regionaler Verwaltungen zu Komplizen des Usurpators Wladimir Putin. Sie werden von uns vernichtet. Unternehmer, die ihr Geld durch Korruption verdienen, werden von uns vernichtet. Angestellte in den Sicherheitsstrukturen, die ihre Schulterklappen nicht ablegen, werden von uns vernichtet.“
Es seien diese Partisanen, so sagt es Ponomarjow, die sich zum Anschlag auf Dugina bekennen: als Rache für den Tod von 50 ukrainischen Asow-Kämpfern, die vor wenigen Wochen in einem Kriegsgefangenenlager im besetzten Teil der Ukraine mutmaßlich in die Luft gesprengt worden waren.
Ponomarjow macht die bislang unbekannte Widerstandsgruppe öffentlich. Aus welchem Grund, erklärt er nicht. Ohnehin wirken seine Ausführungen ungereimt. Er will sich zwar als Stimme der Partisanen sehen, aber kein Teil der Gruppe sein. Im Manifest, das er Wort für Wort vorliest, werden zwar Georgien und Syrien erwähnt, die Ukraine allerdings explizit nicht. Das Schreiben hört mit den Worten auf: „Lasst uns unsere Heimat vom Schmutz befreien! Der Sieg wird unser sein!“
Es sind dieselben Sätze, die russische Kriegstreiber*innen und Propagandist*innen verwenden, um Russlands menschenverachtenden Angriff auf die Ukraine wie auch die Repressionen im eigenen Land zu rechtfertigen.
Die russische Opposition zweifelt an der Echtheit der Gruppe und den Ausführungen Ponomarjows und sieht im Auftauchen des angeblichen Manifests eher einen Vorwand des russischen Geheimdienstes FSB, weiter gegen russische Aktivist*innen vorzugehen.
Der Krieg ist näher als gedacht
Der Anschlag, der höchstwahrscheinlich Duginas Vater gegolten hat, zeigt mit und ohne die ominöse Partisanengruppe auf wunde Stellen des Regimes. Wären es ukrainische Geheimdienstler, wie Russland das darstellt, so müsste sich Moskau fragen, wie gut russische Sicherheitsbehörden eigentlich arbeiten. Die blutige Tat ereignete sich nicht weit von der Gegend entfernt, in der höchste russische Funktionäre leben.
Möglich erscheint russischen Beobachter*innen auch eine Art Abrechnung innerhalb der russischen Elite, die eine noch härtere Gangart des Kremls in der Ukraine wünschen. Zudem zeigt der Anschlag auch Russ*innen, die der Meinung sind, der Krieg gehe sie nichts an, wie nah dieser ist.
Alexander Dugin gilt als einer der wahrnehmbarsten Köpfe des eurasischen Imperialismus und sieht Russland, wie das auch der Kreml tut, als Zentrum einer einzigartigen Zivilisation. Um diese zu bewahren, sei Expansion – auch mit Gewalt – legitim. Seine Tochter, die auch als Dugins Pressesprecherin tätig war, trug seine monströsen Vorstellungen unbeirrt weiter.
Leser*innenkommentare
ecox lucius
Im Kampf für das Vaterland müssen Opfer gebracht werden. Dies galt für die Russen nicht nur im Grossen Vaterländischen Krieg, sondern gilt erst recht für den unerwartet sieglosen und eher blamablen Krieg gegen die Ukraine.
Ich vermute hinter dem Attentat den FSB, genauso wie er vermutlich hinter den Bombenanschlägen in Moskauer Wohnblöcken 1999 steckte. Man darf die absolute Skrupellosigkeit dieses Dienstes und seines Herrn nicht unterschätzen. Jeder Zweck heiligt die Mittel. Daria Dugina durfte geopfert werden, denn unbändige Wut, Rachegelüste und Radikalisierung werden die Folge sein. Wie gewünscht.
1999 wurden die Tschetschenen ohne jegliche Beweise beschuldigt, die Wohnblöcke in die Luft gesprengt zu haben und sind in der Folge mit einem blutigen Krieg überzogen worden, denn der damalige Premierminister Putin hatte in einer denkwürdigen Rede in der Duma Rache für Die Attentate geschworen.
Nun werden die Ukrainer ohne Beweise beschuldigt. Die Rache wird folgen.
Andy Krisst
Da werden auch in der taz absurde Theorien ausführlich erörtert, statt zu recherchieren.
Die schnelle Nachricht zählt...und dann kommt noch S. M. Kirow...der Russe war es selbst! Na ja.
adagiobarber
es sollten sich noch mehr bekenner ...
melden.
die verwirrung wäre perfekt.
der wahre täter ist der eigene vater, der seiner tochter seine krude weltsicht verimpft hat.
knackwurst
Na, da war der FSB ja sehr schnell. Die ukrainische Staatsbürgerin, die der Tat beschuldigt wird, soll dem FSB zufolge mit einer 12-jährigen Tochter eingereist und auch wieder ausgereist sein. Und Frau Dugina mit einem Mini nachgefahren sein. Sehr unauffällig & praktisch also. Wie das die Geheimagenten des bösen Westens so machen, wenn die jemanden ermorden sollen.
Was kommt vom FSB als Nächstes? Die 12-jährige Tochter sei in Wahrheit eine Transperson, die den Auftrag hatte, diese verderbliche Ideologie des bis ins Mark verfaulten Westens mit Hilfe der CIA im bisher vom großen Führer davon rein gehaltenen Russland zu verbreiten? Das jedenfalls konnte durch das heldenhafte Einschreiten der edelsten Kräfte der russischen Gesellschaft jedenfalls offenbar knapp verhindert werden...
Barbara Falk
@knackwurst Was kommt vom FSB als Nächstes? Die 12-jährige Tochter sei in Wahrheit eine Transperson,...
Da könnte was dran sein. Schließlich war Dugin in erster Ehe mit der sowjetischen Dissidentin Jewgenija Debrjanskaja verheiratet, einer der ersten Vorkämpferinnen für LGTB-Rechte in der Gorbatschowzeit.
en.wikipedia.org/w...genia_Debryanskaya
Eine der Mitstreiterinnen von Debryanskaja, die bekannte, 2014 verstorbene Oppositionelle Valeria Novodvorskaya, hat übrigens über Dugin mal gesagt, der wäre überhaupt kein Faschist, sondern hätte irgendwann einfach angefangen, als solcher zu arbeiten, weil er festgestellt habe, dass sich damit mehr Geld verdienen lässt als mit Demokratie.
Machiavelli
Man sollte die offiziellen Erkenntnisse Russlands in diesem Fall ernst nehmen, genauso ernst wie Russland bei der Ermittlung im Mordfall Nemtsov genommen hat, genauso ernst wie im Mordfall Anna Politkovskaya und Natalia Estemirovv oder Stanislav Markelov oder Anastasia Baburova, .......
Michael Myers
In Anlehung an den Göttinger Mescalero:
„Meine unmittelbare Reaktion, meine ‚Betroffenheit‘ nach dem Anschlag auf Dugina ist schnell geschildert: Ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diese Typin oft hetzen hören. Ich weiß, daß sie bei dem systematischen und genozidalen Krieg gegen ukrainische Zivilist.innen eine herausragende Rolle spielte.“ de.wikipedia.org/w...6ttinger_Mescalero
Barbara Falk
"Ponomarjow macht die bislang unbekannte Widerstandsgruppe öffentlich. Aus welchem Grund, erklärt er nicht."
Herr Ponomarjew und sein unbestrittenes politisches Verdienst, 2014 gegen die Krim-Annektion gestimmt zu haben, in allen Ehren. Aus den Enthüllungen und Insider-Informationen Ilja Ponomarjews der letzten zwei Wochen (Interviews mit Dimitri Gordon):
-Wladimir Putin ist definitiv bisexuell
-Dimitri Medwedjew ist definitiv homosexuell
-Putin und Medwedjew hatten mal was miteinander, aber beschwören kann ich es nicht
-Putins Kinder mit Alina Kabajewa sind gar nicht seine Kinder
-eine extrem hochgestellte Persönlichkeit aus dem engsten Putinumfeld ist verzweifelt und hat die ukrainische Seite unter der Hand wegen möglicher Verhandlungen angesprochen. "Sie würden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen den Namen sage, und das kann ich aus verschiedenen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht tun, aber es stimmt definitiv".
Möge sich jeder selbst ein Urteil bilden.
LennyZ
Wenn mein Land einen Krieg anzetteln würde, dann würde ich die Drahtzieher und prominente Fürsprecher auch stoppen wollen. Die Tochter ist ja keine Unbeteiligte sondern hat sich stark für den Überfall und den Terror gegen die Ukraine ausgesprochen. Dieser nicht entschuldbare Mord ist trotzdem so wenig überraschend wie er nachvollziehbar ist.
O.F.
"wie gut russische Sicherheitsbehörden eigentlich arbeiten"
Nun ja, weder Dugin noch seine Tochter haben zum inneren Machtzirkel gehört, der unter besonderem Personenschutz stand. Anschläge auf solche "weichen Ziele" dürften relativ leicht zu bewerkstelligen sein. Aber gerade deshalb würde ich mir - auch in der taz - eine klarere Verurteilung wünschen. Natürlich war Dugina politisch wenig erfreulich; aber wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der Journalisten und Politologen zum legitimen Ziel in militärischen Konflikten erklärt werden?