Mit genug Wein klappt's auch in Englisch: Let me say it short and pregnant
Alkohol ist ein soziales Schmiermittel: Er macht Gespräche geschmeidiger, selbst in einer Fremdsprache. Auch wenn man dabei mal kurz schwanger wird.
![Leere Weinflaschen Leere Weinflaschen](/picture/7104671/624/35504524-1.jpeg)
Ist die Flasche erst einmal leer, klappt's auch mit der Sprachkompetenz Foto: Robert Michael/dpa
Vollmundig. Fleischig und fruchtig. Feste Mineralik. In der Struktur geradlinig und klar. Der hier macht eine seltene Cremigkeit. Und dieser ist so anspruchsvoll wie frisch am Gaumen.
Wenn Sie solche Sätze hören, sind Sie, ja klar, bei einer Weinprobe. Und der Winzer ist voll in seinem Element. Echte Winzer sagen nicht so was Profanes wie „mildes Pfirsicharoma, aber ein wenig Kirsche im Abgang“ oder „Hm, da schmeckt man den Südhang“. Wartet jemand an ihrem Weinprobentisch mit solchen Standards auf, können Sie getrost davon ausgehen, dass Sie nicht die einzige Person sind, die von Wein keine Ahnung hat.
Aber Sie sind schlauer, sie lassen das nicht raushängen. Sie schmunzeln leise in sich hinein und denken, diese „Komplexität im Geschmack“ und die „Restsüße, die nicht kantig schmeckt“, muss ich mir für meinen Stammtisch merken. Wenn Sie dem Wein, den Sie beim nächsten Treffen bestellen, mit einem gewichtigen Nicken eine „Körperreiche“, ein „breites Geschmacksspektrum“ oder einfach einen „Trinkfluss“ bescheinigen, dann glauben Ihnen ihre Stammtischfreunde ab sofort einfach alles.
Aber es lauern Gefahren. Im Gegensatz zu Biertrinker:innen werden all jene, die eher Wein lieben, aber nicht ausreichend trinktrainiert sind, schneller betrunken. Das ist logisch: Bier enthält in der Regel rund 5 Prozent Alkohol, Wein dagegen zwischen 12 und 15 Prozent.
Soziales Schmiermittel
Drei Gläschen vom „Fränkisch Trockenen“ oder vom „Lachsrosa“ – und schon steigt die Stimmung. Und man lernt die Menschen ganz neu kennen. Hui, der Typ von gegenüber kann ja lachen. Seine Nachbarin hebt ihr Glas und ruft: „Alkohol löst keine Probleme. Aber das macht Kaffee auch nicht.“ Die Dame zwei Tische weiter empfiehlt ihren Mittrinkerinnen einen ägyptischen Liebhaber. Ihren jedenfalls könne sie „absolut empfehlen, der kann wirklich, wirklich die ganze Nacht“. Vor zwei Gläsern noch, als die Frau ihren Liebhaber erwähnte, versenkte der Tisch geschlossen seine Nasen im Glas. Der Winzer hatte dankenswerterweise gerade gesagt: „Einen zweiten Schluck nehmen und vertiefen.“
Alkohol hat einen angstlösenden Effekt, das ist wissenschaftlich bewiesen. Man könnte auch sagen, er ist soziales Schmiermittel: die gesellschaftliche Interaktion ist ruckzuck geschmeidig, das Gespräch flutscht, selbst mit dem Englischen läuft es jetzt viel leichter als mit der Sprachhemmung im nüchternen Zustand.
Schluck für Schluck steigt die Sprachkompetenz und der Chef des mittelgroßen Unternehmens, der sein Gewerbe noch nicht so richtig anpreisen konnte, will jetzt auch mal was sagen. Laut und für alle, geht ja schließlich um Deutschlands Wirtschaft. Kurz und knapp. Prägnant eben. Er ruft in den Raum: „Let me say it short and pregnant.“
Wie der Mann das mit der plötzlichen Schwangerschaft gemacht hat, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob er Englisch fortan lieber nüchtern spricht.
Leser*innenkommentare
Josef 123
"(Draußen, vom Fenster trabt der schmutzigere der beiden Hausknechte vorüber, ein altbewährtes Fucktotum, und so treu, daß er eigentlich in die deutsche Heldensage gehörte. Hinter ihm ein Kellner, der sich, in tranquiler Unverschämtheit, die Nase mit der Serviette putzt. Welche Kellnerin? -: ein blasses kleines Ding von starkem Knochenbau; (also nicht die Rothaarige, die Einäugige, die wohl mehr den Zimmerdienst hat). Der stark angegraute Wirt (auch so eine unerstaunbare Persönlichkeit); er nimmt Bestellungen entgegen, und wenn er eben bei seiner Gemahlin läge.) Der MorgenHimmel trägt rosa Bänder zum guten Blauen." [Arno Schmidt, "Julia, oder die Gemälde / Scenen aus dem Novecento", unvollendet, 1979, veröffentlicht postum 1983]
Goldi
Alkohol ist die Droge der Arbeiter. Und ein echtes Gesundheitsproblem. Früher (in den 80ern) war die Hälfte der Innere Intensiv mit Alkoholikern belegt. Die bekamen dann Haldol (Haloperidol zum Abschießen/zur Beruhigung), weil nix normales mehr wirkt.
Wie ist es heute? Oder doch erst einmal einen Wodka O-Saft schütten?
Morgen ist ja wieder Arbeitstag. Für das Bruttosozialprodukt. Für die Superreichen.
Lowandorder
Ja wie? “Kurz und knapp. Prägnant eben. Er ruft in den Raum: „Let me say it short and pregnant.“
Wie der Mann das mit der plötzlichen Schwangerschaft gemacht hat, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob er Englisch fortan lieber nüchtern spricht.“
In der Tat. Der Alte aus Wiedensahl weiß hier wieder!
Warnung & Rat! Die fromme Helene
Sechzehntes Kapitel
DIE VERSUCHUNG
www.wilhelm-busch-...ene/kapitel16.html
& Däh - 17. Kapitel - Triumph des Bösen 👿
“O weh, o weh! der Gute fällt!
Es siegt der Geist der Unterwelt.“
www.wilhelm-busch-...ene/kapitel17.html
Ich sage ehna 🥂