Mit 860 Milliarden Euro bis 2030: Industrie will sich selbst retten

Der BDI legt einen Plan vor, wie Deutschland die Treibhausgasemissionen mindern kann. Dabei geht es vor allem um sehr viel Geld.

Ein Mitarbeiter beugt sich über weiße dicke Röhren

Allein für die Infrastruktur sind fast eine Viertelbillion Euro nötig: Wasserstoffhersteller Sunfire Foto: Sebastian Kahner/dpa

BERLIN taz | Die Industrie stemmt sich nicht mehr gegen den Klimaschutz, sie warnt nicht mehr vor Jobverlusten und einer deindustrialisierten Republik – im Gegenteil. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der BDI, ist einer der mächtigsten Interessenvertretungen der Republik. Am Donnerstag, dem Tag, an dem SPD, Grüne und FDP ihre Verhandlungen für eine Ampelkoalition gestartet haben, stellte er einen groß angelegten Plan vor, wie Deutschland die selbst gesteckten Klimaschutzziele erreichen kann.

Die Ziele selbst würden die Unternehmen nicht mehr infrage stellen, meinte BDI-Chef Siegfried Russwurm, sie hätten „die politischen Vorgaben akzeptiert“. Die Industrie will damit auch sich selbst retten.

VW-Chef Herbert Diess machte unlängst deutlich, worum es beim Umbau geht. Er twitterte: „Präsident Biden steigt auf E-Mobilität um, ist auch für die deutsche Politik 5 vor 12. Sonst fahren wir bald hinterher beim Kampf gegen den #Klimawandel.“ US-Präsident Joe Biden hatte schon in seinem Wahlkampf betont, dass Investitionen in Klimaschutz „Millionen gut bezahlter Jobs“ schaffen könnten, neue Exportmärkte erschließen würden.

Die Unternehmen stehen unter Druck. Biden verspricht, die Emissionen zu senken, Staaten setzen sich Klimaziele. Und Europa plant den Green Deal. Scheitere Deutschland, werde der Wohlstand des ganzen Landes gefährdet, warnte Russwurm. „Wir wollen Vorbild bleiben“, sagte er, „zeigen, dass Klimaschutz made in Germany funktioniert.

Klare Vorgaben

„Für einen überraschend großen Teil des Zielpfades ist ein Lösungsweg ersichtlich, und die meisten Technologien dafür sind bekannt“, heißt es in dem Plan, der von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) begleitet und mit zahlreichen Firmen rückgekoppelt wurde. Der Titel lautet: „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“.

Fast eine Viertelbillion Euro soll der Staat bis 2030 allein in den Ausbau der Infrastruktur investieren

So müssten etwa die Stahl-, Chemie-, Kalk- und Zementindustrien, die derzeit für über die Hälfte der deutschen Industrieemissionen verantwortlich sind, ihren Anlagenpark erneuern. Bis 2030 müsse fast jedes neue Auto einen alternativen Antrieb besitzen, auch neue Lkws sollen zu 70 Prozent mit Batterie oder Brennstoffzelle fahren. Ab 2023 soll, wer seine Heizung erneuert, nicht wieder Öl- und Gaskessel einbauen, sondern auf Wärmepumpen oder Fernwärme umstellen. Außerdem sollen mehr Häuser energetisch saniert werden. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sollen sinken, weniger Fleisch gegessen werden.

Anspruch: Verdoppeln

Da künftig viele Prozesse mit Strom liefen, verdoppele sich der Nettostromverbrauch bis 2045 im Vergleich zu 2019 – auf 993 Terawattstunden. Der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik müsse bis 2030 verdoppelt, der von Stromleitungen beschleunigt werden. Gaskraftwerke sollen die erneuerbaren Energien in einer Übergangsphase ergänzen und später auf Wasserstoff umgestellt werden.

Um das zu schaffen, müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht, die Verwaltung digitaler werden. Es stehe, so die Industrievertretenden, ein „Transformationsprojekt von historischer Tragweite“ bevor. Dabei geht es ihnen um Planungssicherheit – und Geld.

Sie rechnen vor, was bis 2030 zusätzlich investiert werden müsste: 860 Milliarden Euro, also etwa 100 Milliarden jedes Jahr. Mehr als die Hälfte entfalle auf die Bereiche Industrie und Energie. Dort seien vor allem Unternehmen gefragt, erklärte Jens Burchardt von BCG. In etwa die Hälfte der nötigen Investitionen seien schon angestoßen, für den Rest brauche es noch Anreize.

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