Migrationspolitik in Deutschland: Eine Verschärfung jagt die nächste
Donnerstag und Freitag treffen sich die Ministerpräsident*innen und Innenminister*innen. Das Thema Migration bestimmt dabei die Agenda.
Asylverfahren in Drittstaaten
Kernthema und auch Hauptstreitpunkt werden wohl Asylverfahren in Drittstaaten sein. Die Union in Bund und Ländern schaut dabei mit Neid auf Modelle in anderen europäischen Ländern: Großbritannien will etwa Geflüchtete nach Ruanda bringen, wo sie dauerhaft bleiben sollen. Italien will eigene Asylverfahren in Albanien durchführen und Geflüchtete erst mit positivem Asylbescheid einreisen lassen. Im November hatte Scholz den unionsgeführten Ländern zugesagt, prüfen zu lassen, ob sich solche Modelle auch in Deutschland umsetzen ließen. Am Donnerstag will der Kanzler die Ergebnisse vorstellen.
Schon jetzt ist klar: Die unionsgeführten Länder werden nicht zufrieden sein. Der Prüfbericht, der der taz vorliegt, sieht „vielfältige rechtliche und praktische Hindernisse“ und damit kaum Erfolgschancen. Angesichts drohender Kosten, des Verwaltungsaufwands und fehlender Aufnahmestaaten sei die Idee kaum umsetzbar. Die rechtlichen Hürden ließen sich zwar überwinden, so der Bericht, nötig wären aber Gesetzesänderungen auf nationaler sowie auf EU-Ebene.
Ein großes Hindernis wäre wohl das im EU-Recht vorgeschriebene „Verbindungsmoment“: Um einen Geflüchteten in einen Drittstaat zu bringen, ist eine direkte persönliche Verbindung von ihm oder ihr dorthin nötig. Italien umgeht diese Regelung, indem es nur Geflüchtete nach Albanien bringen will, die auf See aufgegriffen werden und deshalb nie in die EU eingereist sind. Großbritannien unterliegt seit dem Brexit ohnehin keinen EU-Regeln mehr.
Menschenrechtler*innen sind entsetzt, dass deutsche Politiker*innen über solche Pläne auch nur nachdenken. Über 300 zivilgesellschaftliche Organisationen baten Kanzler Scholz in einem offenen Brief, solchen Überlegungen eine klare Absage zu erteilen. Es drohten „schwere Menschenrechtsverletzungen“, die Pläne seien außerdem „extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar“.
Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan
Kaum Streit ist bei dem Thema Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zu erwarten. Scholz hatte Anfang Juni angekündigt, wieder Straftäter in die beiden Länder abschieben zu wollen. Damit sind wohl auch die unionsgeführten Länder zufrieden. Hintergrund ist der mutmaßlich islamistisch motivierte Messerangriff eines Afghanen in Mannheim, bei dem ein Polizist starb.
Unklar ist noch, wie genau die Abschiebungen vonstattengehen sollen. Weder zu Assads Terrorregime in Syrien noch zu den islamistischen Taliban unterhält Deutschland Beziehungen, es wären aber intensive Absprachen nötig. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) forderte zuletzt, zumindest mit Afghanistan wieder Verbindungen aufzunehmen, um die Abschiebungen zu ermöglichen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lehnt dies bisher ab. Das Bundesinnenministerium arbeitet derweil daran, Abschiebungen über Nachbarländer abzuwickeln, ohne direkt in Kontakt zu treten. Nachdem zunächst Pakistan im Gespräch war, sieht das Bundesinnenministerium derzeit offenbar Usbekistan als Zwischenstopp für abzuschiebende Afghanen als Option. Auch für Syrien gibt es solche Pläne.
Unabhängig vom konkreten Abschiebeweg gilt, dass nur sehr wenige Afghan*innen und Syrer*innen in Deutschland betroffen sein werden. Für fast alle von ihnen gelten Abschiebeverbote, sofern sie nicht ohnehin einen höheren Schutzstatus haben. Auch wenn sie schwere Straftaten begehen, Terror verherrlichen oder als Gefährder geführt werden, können sie deshalb nicht in ihr Herkunftsland zurückgezwungen werden. Nur 13.396 Afghan*innen und 10.026 Syrer*innen würden überhaupt für Abschiebungen infrage kommen, sofern sie auffällig werden.
Menschenrechtsorganisationen sehen in den Abschiebeplänen Verstöße gegen das Völkerrecht. In Afghanistan und Syrien drohe den Abgeschobenen Folter und Todesstrafe.
Bezahlkarten für Asylbewerber*innen
Bei diesem Thema war die Bundesregierung den Ländern im Winter weit entgegengekommen. Gegen den Widerstand der Grünen setzte Kanzler Scholz durch, dass der Bundestag eine gesetzliche Grundlage für die Karte schafft, auf die Asylbewerber*innen künftig ihre Leistungen überwiesen bekommen sollen. Die konkrete Ausgestaltung liegt bei den Ländern. Offen ist noch, ob sich die Ministerpräsident*innen auf ein gemeinsames Limit für Bargeldabhebungen einigen können. Während die unionsgeführten Länder eine Grenze von 50 Euro befürworten, wollen insbesondere die Landesregierungen mit Grünen-Beteiligung deutlich höhere Limits.
Klar ist dagegen, dass die Bezahlkarte Geflüchteten das Leben schwerer machen wird. Als Abschreckungsinstrument ist sie genau dafür gedacht. Die Karten werden nicht nur einschränken, wie viel Geld abgehoben werden kann, sondern auch Überweisungen grundsätzlich ausschließen.
Bürgergeld für Ukraine-Geflüchtete
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte zu Beginn der Woche, Geflüchteten aus der Ukraine künftig Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu zahlen. Auch einige Unionspolitiker*innen befürworten das. Bisher erhalten geflüchtete Ukrainer*innen Bürgergeld, das deutlich über dem liegt, was andere Asylbewerber*innen in den ersten 36 Monaten erhalten. Die Kritiker*innen sehen darin einen Fehlanreiz, der dazu führe, dass sich viele Ukrainer*innen keinen Job suchen.
Die Länder – auch viele CDU-regierte – sind skeptisch. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stammen aus ihren Kassen, das Bürgergeld zahlt dagegen der Bund. Aber auch die zuständigen Bundesministerien sind dagegen. Das Sozialministerium unter Hubertus Heil (SPD) teilte mit, über das Bürgergeld – das schließlich über die Jobcenter ausgezahlt werde – ließen sich Ukrainer*innen schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Faesers Bundesinnenministerium betonte, der bürokratische Aufwand sei bei einer Umstellung deutlich höher.
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