Mieterschützer über Heizungsaustausch: „Die Situation ist dramatisch“
Die Ampel-Koalition hat Förderrichtlinien zum Heizungsaustausch beschlossen. Es profitieren die Eigentümer*innen, sagt Mieterbund-Präsident Siebenkotten.
taz: Ab 2024 sollen keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr in neue Gebäude eingebaut werden, in Bestandsgebäuden müssen diese Heizungen nach und nach gegen klimafreundliche ausgetauscht werden. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen. Bürger:innen im selbst genutzten Eigentum und Kleinvermieter:innen werden mit Fördergeldern unterstützt. Wie finden Sie das?
Lukas Siebenkotten: Wir als Deutscher Mieterbund sind der Meinung, dass die Ziele der Bundesregierung beim Heizungsaustausch sinnvoll und richtig sind. Wir unterscheiden uns da von anderen, die sagen: Das ist viel zu viel auf einmal. Das Problem ist nur: Die Fördermaßnahmen richten sich ausschließlich an Eigentümer und Eigentümerinnen. Im Gesetzentwurf sind keine Regelungen vorgesehen, wie die Kostenlast für Mieterinnen und Mieter reduziert werden kann. Hier gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf.
Sie kritisieren also, dass zu sehr auf Eigentümer:innen geschaut wird?
Der Heizungsaustausch kann nur funktionieren, wenn diejenigen, die es bezahlen sollen, auch imstande sind, es zu bezahlen. Und das ist heute definitiv nicht gewährleistet. Was vielen nicht bewusst ist: Das betrifft auch die Mieter, denn Vermieter können die Kosten eines Heizungsaustauschs auf die Miete aufschlagen.
Lukas Siebenkotten
Jurist, seit 2019 Präsident des Deutschen Mieterbundes, der Interessenvertretung der Mieter*innen.
Womit müssen Mieter:innen rechnen?
Bei der derzeitigen Rechtslage können bei einer Modernisierung – und der Heizungsaustausch zählt dazu – 8 Prozent der Investitionskosten pro Jahr auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden. Das ist keine klassische Umlage wie im Bereich der Nebenkosten, sondern ein Aufschlag auf die Miete. Der Vermieter geht in Vorleistung, aber der Mieter zahlt schrittweise alles ab. Nach etwa 13 Jahren sind die Investitionskosten abbezahlt, aber die Mieterhöhung bleibt bestehen. Unserer Ansicht nach sollte diese sogenannte Modernisierungsumlage ganz gestrichen werden.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Der Heizungsaustausch sollte nach einem Drittel-System finanziert werden. Das heißt, ein Drittel zahlt der Vermieter. Er muss das aber wirklich selber bezahlen und kriegt es nicht vom Mieter zurück. Ein weiteres Drittel zahlt der Mieter, der ja auch was davon hat, sofern er Heizkosten spart. Und das letzte Drittel muss durch staatliche Fördermittel gewährleistet werden.
Würde das die Mieter:innen nicht auch komplett überfordern?
Nicht alle. Man könnte die Höhe der Zuschüsse für Mieter so festlegen, dass die Wohnkosten nicht mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens übersteigen. Das wäre für uns ein ganz spannender Punkt.
Dass die Modernisierungsumlage abgeschafft wird, ist aber sehr unwahrscheinlich.
Ich gehe auch nicht davon aus. Aber dann muss sie wenigstens reformiert werden. Die 8 Prozent der Investitionskosten pro Jahr, die der Vermieter auf die Miete umlegen darf, sollte auf 4 Prozent halbiert werden. Ebenso fordern wir die Halbierung der Quadratmeter-Obergrenze. Derzeit darf die Modernisierungsumlage nicht mehr als 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren betragen. Wenn die Miete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt, nicht mehr als 2 Euro.
Für eine solche Reform wäre Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zuständig, der nicht dafür bekannt ist, Mieterschutz voranzutreiben. Wenn die Bundesregierung an der Modernisierungsumlage in der jetzigen Form festhält, was hat das für Folgen?
Das werden ganze Bevölkerungsschichten nicht mehr bezahlen können, weil die Heizkosten gleichzeitig erheblich steigen. Die Situation ist für viele jetzt schon dramatisch. Hier muss die Bundesregierung dringend handeln.
Im Gesetzentwurf zum Heizungstausch gibt es zumindest ein paar technische Mieterschutzregelungen. Etwa beim Einbau von Wärmepumpen ist eine bestimmte Effizienz vorgesehen, sonst darf der Vermieter nur die Hälfte der Kosten auf die Mieter umlegen.
Das ist ein kleiner Schritt. Aber völlig unzureichend.
Bräuchten wir ein Kündigungsmoratorium?
Das fordern wir auch. Ein Kündigungsmoratorium ist ein wichtiger sozialer Schutzschild, aber klimapolitisch bringt es uns nicht weiter. Wenn der Vermieter weiß, ein zahlungsunfähiger Mieter kann einfach bleiben, wird er nicht energetisch sanieren. Aus welchem Grunde sollte er das tun? Deswegen sind staatliche Fördergelder für Vermieter so wichtig.
Wie meinen Sie das?
Eine staatliche Förderung für Eigentümer nutzt auch den Mietern. Das, was Vermieter an Förderung bekommen, müssen sie von der Umlage auf den Mieter abziehen. Das kann der Vermieter nicht einfach behalten. Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass viele Modernisierungsmaßnahmen ohne staatliche Fördermittel abliefen. Eigentümer haben keine staatlichen Fördermittel in Anspruch genommen, weil sie die Kosten auf die Mieter umlegen konnten. Deshalb fordern wir, dass ein Vermieter, der Fördermittel nicht in Anspruch nehmen will, so gestellt werden muss, als hätte er sie in Anspruch genommen. Denn das entlastet dann den Mieter.
Es gab gerade eine große Wohngeldreform, die einen Heizkostenzuschuss und eine Klima-Komponente beinhaltet, um Mieterhöhungen nach Modernisierungen abzufedern. Reicht das nicht?
Um abzufedern, was mit dem Heizungsaustausch passiert, wird das nicht ausreichen. Dafür muss man Sonderfördertöpfe schaffen. Man könnte es so ähnlich machen wie beim Wohngeld. Aber man muss mit höheren Einkommensstufen arbeiten, es müssen mehr Leute diese Förderung bekommen als Wohngeld beziehen. Es gibt Millionen von Menschen knapp oberhalb des Wohngelds, die keine staatlichen Zuschüsse bekommen. Die müssen eingeschlossen werden.
Bei welchen Einkommen soll die Grenze liegen?
Das muss man in Ruhe durchdenken, und dabei wirken wir als Deutscher Mieterbund gerne mit. Es wäre sinnvoll, wenn die Regierung wie bei der Gaspreiskommission Experten versammeln würde, mit dem Auftrag, sozialverträgliche Lösungen für den Heizungsaustausch zu finden. Das ist sehr komplex. Ich erwarte nicht, dass die Regierung diese Probleme innerhalb von drei Tagen löst.
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