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Mietenwatch & MietendeckelWie der Deckel voll durchschlägt

Eine Altbauwohnung kostet aktuell 15 Euro/qm. Kommt der Mietendeckel, sind noch 6,50 Euro erlaubt. Die Preisspirale wäre durchbrochen.

Deckel drauf und gut ist Foto: dpa

Berlin taz | Wie gebannt schaut die Stadt auf das Vorhaben der rot-rot-grünen Koalition, mit einem Mietendeckel die steigenden Mietpreise in den Griff zu bekommen. Eigentlich wollte der Senat den Gesetzentwurf kommende Woche beschließen; doch nachdem sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die SPD-Senatoren gegen die Möglichkeit von Mietabsenkungen in bestehenden Verträgen ausgesprochen haben, hakt es.

Nun wird sich nächste Woche wohl erst der Koalitionsausschuss der Streitpunkte annehmen. Im Senat würde die Vorlage dann frühestens am 22. Oktober behandelt werden.

Als unstrittig gilt bislang, dass die Mieten ab Januar fünf Jahre lang nicht mehr steigen dürfen beziehungsweise nur schrittweise bis zu definierten Höchstwerten. Je nach Baujahr liegen die Grenzen zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter, Zuschläge von maximal 1,40 Euro für Sanierungen können dazukommen. Bei Wiedervermietungen müssen die Preise auf die Grenzen der Oberwerte abgesenkt werden. Welche Auswirkungen diese Regelung haben würden, zeigen die Daten von Mietenwatch eindrücklich.

Liegen die Angebotsmieten im Altbau aktuell bei durchschnittlich 14,81 Euro nettokalt, dürften es mit dem Mietendeckel nur noch maximal 6,45 Euro sein. Wer ab Januar in Berlin eine entsprechende Wohnung mietet, würde demnach 8,36 Euro weniger pro Quadratmeter zahlen als jene, die ihren Mietvertrag heute unterschreiben.

Bei 2003 bis 2013 gebauten Häusern sinken die Preise von 17,12 auf 9,80 Euro – eine Ersparnis von 7,32 Euro. Selbst die geringste Differenz bei zwischen 1991 und 2002 gebauten Wohnungen beträgt noch 4,35 Euro.

Wirksam die Mieten senken

Auch mit Aufschlägen für Sanierungen würde der Mietendeckel die Preisspirale durchbrechen – oder wie Mietenwatch schreibt: „Miet­obergrenzen könnten die Mieten bei Neuvermietung tatsächlich wirksam senken.“ Das Geschäftsmodell etwa von Akelius, Wohnungen luxuriös zu sanieren und hochpreisig wiederzuvermieten, wäre durchkreuzt. Der Anreiz, Mieter aus ihren Verträgen zu drängen, entfällt. Wenn der Mietendeckel keine Rücksicht auf die Lage der Wohnungen nimmt, könnten auch derzeit nicht mehr leistbare Ortsteile wieder erschwinglich werden.

Lokalrunde

Die 40. Folge des Podcasts Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin beschäftigt sich mit dem Zustandekommen und den Ergebnissen des Projekts Mietenwaatch. Die Auswertung von 80.000 Wohnungsangeboten zeigt: Berlin ist für die Mehrheit nicht mehr bezahlbar. Außerdem: Die Klimabewegung Extinction Rebellion blockiert gerade Berlin, aber sie eckt auch an: Warum provoziert sie vor allem linke Aktivisten?

Die Höchstpreistabelle scheint im Senat derzeit unumstritten – und könnte damit zum Kernstück des Deckels werden. Er wäre damit so etwas wie eine schärfere Mietpreisbremse, die ebenfalls zum Ziel hatte, Wiedervermietungsmieten zu begrenzen, jedoch gescheitert ist. Anders als bei der Mietpreisbremse wäre es für Mieter durch feststehende Oberwerte und fehlende Ausnahmeregelungen einfach zu kontrollieren, ob ein Angebot rechtskonform ist.

Setzt sich die SPD mit ihrem Nein zu Mietabsenkungen in Bestandsverträgen durch, droht ein Ungleichgewicht zwischen jenen, die in den letzten Jahren überteuerte Wohnungen angemietet haben, und jenen, die ab Januar günstig anmieten können.

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12 Kommentare

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  • Von einer Enteignung der Miet-Haie ist interessanterweise keine Rede mehr, auch nicht im Beitrag. Ist man inzwischen davon abgekommen?



    Ohnehin hätte ich Zweifel, ob das den Mietern wirklich etwas bringt: Denn dann würden die Mietzahlungen an die hochverschuldete Stadt Berlin gehen, die erstmal Entschädigung an die bisherigen Eigentümer zahlen müsste und dann auch für die Werterhaltung verantwortlich wäre. Kaum anzunehmen, dass dann die Mieten stabil bleiben oder gar sinken!

  • In dem Moment an dem tatsächlich ein Gesetz kommt, was wirksam die Miete (egal ob rückwirkend oder nur für die Zukunft) begrenzt, werden die entsprechenden Wohnungen vom Mietmarkt verschwinden und nur noch zu kaufen sein. Weil Leute da sind, das die Geld bezahlen können und wollen – egal ob als Miete oder als Kreditrate. Diesen Fakt kann man ignorieren, wird aber nicht helfen. Und vielleicht bringt das Gesetz ja Wählerstimmen.

    Die Stadt hätte ihre Wohnungen nicht verkaufen dürfen. Aber das ist nun zu spät. Die Stadt müsste wieder mehr bauen. Dafür ist der Platz knapp und die Leute die schon eine Wohnung haben, wollen die Grünanlage und „Kulturgebäude“ behalten.

    Berlin sollte echt anfangen per Losentscheid Leute der Stadt zu verweisen!

    • @Gastnutzer 42:

      Endlich mal ein Anfang, Mietendeckel mit Mietabsenkungen, dann noch Wohnungsleerstand mit hohen Strafabgaben bekämpfen, Neubauten mit Sozialwohnungen koppeln, ohne dass die Sozialbindung auslaufen kann. Wien macht es vor!

      • 0G
        07301 (Profil gelöscht)
        @Anna Minerva:

        www.immopreise.at/Wien/Wohnung/Miete

        gutes Beispiel, weil in Wien dank Sozialwohnungen noch von Privaten gebaut wird...

      • 0G
        07301 (Profil gelöscht)
        @Anna Minerva:

        In Wien entstehen seit dem Gesetz zur Sozialbindung keine privaten Mietwohnungen mehr. Es werden nur ETW saniert und dann verkauft.

        Wer nicht Glück hat oder in der richtigen Partei/Gewerkschaft ist, bekommt dann eine normale Wohnung ab 15e/m2 aufwärts. Da kommt natürlich noch die Mwst. drauf. Wohnungen ab 1945 sind in Österreich übrigens nicht "gedeckelt".

      • @Anna Minerva:

        Es ist kein Anfang, es ist Aktionismus.

        Wenn die Stadt nicht selber baut, dann hilft auch eine Verpflichtung zu Sozialwohnungen nicht. Dann wird einfach nicht gebaut. Die Stadt darf sich nicht weiter aus der Verantwortung nehmen.

        Wien wäre ein Vorbild. Nur scheint Berlin nicht zu wollen.

  • In dem ganzen Konjunktivgeschwafel vergisst der Autor zu erwähnen, dass ein Mietendeckel überhaupt rechtlich zulässig sein müsste. Diesbezüglich bestehen erhebliche rechtliche Bedenken.

    Bereits das Nebeneinander von Mietpreisbremse und Mietendeckel zeigt, wie heikel das Ganze ist.

    Spannend, was passiert, wenn der Mietendeckel also nach ein paar Jahren vom BVerfG kassiert werden sollte. Ich würde als Vermieter eine entsprechende Anpassungsklausel mit aufnehmen und hinterher dann den Differenzbetrag verlangen.

    Da es dann an einer Grundlage für einen Mietspiegel fehlt, dürften die Preissteigerungen dann bisher unbekannte Ausmaße annehmen.

  • Endlich zeigt in Berlin Politik Handlungsfähigkeit im Interesse der in Berlin lebenden Menschen - macht also ihren Job! Berlin ist in der großen Mehrheit Mieterstadt und betroffen von der Mietenexplosion sind von prekär lebenden Menschen bis Mittelstand inzwischen alle. Millionäre finden überall eine Wohnung schon klar. Dass die SPD nun lieber Wohnungseigentümer statt Mieter:innen vertritt und Bestandsmieten die schon auf Rekordniveau gestiegen sind erhalten will statt eine Obergrenze für Mieten zu unterstützten ist vollkommen unverständlich. Auch für den Eigennutz der Partei in Berlin. Die in- und ausländischen Kapitalgesellschaften die in Berlin insbesondere von der Preistreiberei auf Kosten der Berliner Bürger:innen profitieren und den Mark anheizen da Betongold seit Niedrigzinszeiten auch eine attraktive Kapitalanlage ist - tja die wählen nicht in Berlin.

    • @Nina Janovich:

      Ich verstehe nicht, von welcher Mietenexplosion Sie sprechen. Ich bin Rentner und vermiete eine Wohnung in ruhiger Lage in Zehlendorf. Die Mieterin zahlt inflationsbereinigt die gleiche Miete wie vor 30 Jahren, nämlich 6,40€ pro Quadratmeter. Wieso ist das ‚Rekordniveau‘?



      Warum soll ich die Miete senken? Warum soll der Senat nur die Interessen der Mieter vertreten?

      • @Joachim Goffart:

        Sie sind in dieser Diskussion doch gar nicht gemeint. Sie sind ein toller und sozialer Vermieter. Meiner ist genauso. Aber es gibt auch welche die maximalen Profit aus der gegenwärtigen Situation schlagen wollen.

  • Habe ich das jetzt richtig verstanden, wer bisher 15,-- € bezahlt, muß das auch weiterhin. Falls er auszieht muß der Nachmieter dann nur noch 6,50 € bezahlen.



    Aber warum sollte ein Mieter aus einer Altbauwohnung in bester Lage ausziehen, zusätzliche Wohnungen gibt es ja trotz Mietendeckel doch nicht.



    Letztlich wird sich die Fluktuation gerade in den guten Wohnlagen deutlich verringern, ansonsten ändert sich nicht viel.

  • 0G
    07301 (Profil gelöscht)

    Es glaubt doch keiner, dass dann auf einmal vernünftige Wohnungen zu diesen Preisen zu mieten sein werden. Da passiert eher folgendes



    - die Wohnungen verkauft oder es wird ein Nießbraucht eingetragen



    - eine Barzahlung am Anfang fällig (so wie in den 80er in West-Berlin für unsanierten Altbau) oder



    - die Wohnung wird untervermietet (der Mieter wird dann auf einmal zum Kapitalisten oder Spekulanten)