Mietendeckel in Berlin: Es kann gedeckelt werden
Ursprünglich ein Projekt der SPD, scheiterte der Mietendeckel im letzten Moment beinahe an dieser. Nun aber stehen alle Mieten still.
Die Einigung sei „wirksam mit dem Datum des heutigen Beschlusses“, so Lompscher. Das bedeutet, von nun an sind Mieterhöhungen für alle nicht-preisgebundenen Wohnungen unwirksam – für Sozialwohnungen gelten eigene Regelungen. Das Gesetz, dessen Text bis Mitte Oktober vorgelegt werden und das ab Januar gelten soll, wird eine rückwirkende Stichtagsregelung enthalten. Laut Lompschers Rechtsauffassung sind auch die Mieterhöhungen, die in den vergangenen Tagen verschickt wurden, unwirksam, sofern Mieter diesen noch nicht zugestimmt haben. Der Berliner Mieterverein hat dieser Auffassung widersprochen.
Noch kurz vor der Einigung im Senat hatte es so ausgesehen, als mache die SPD dem Vorhaben, das sie ursprünglich selbst angestoßen hatte, einen Strich durch die Rechnung. Am Montagabend hatte der Senatskanzleichef Christian Gaebler (SPD) quergeschossen. Umstrittene Punkte wie die Mietobergrenze und damit verbundene Mietsenkungen standen plötzlich infrage, ein gemeinsamer Senatsbeschluss schien fraglich. Es kursierte eine geänderte Fassung für den Beschluss, nach der der Senat die vorgelegten Eckpunkte nur noch „zur Kenntnis“ nehmen, also nicht beschließen sollte.
Ein zentrales Argument, der sich plötzlich formierenden Gegner des Deckels innerhalb der SPD: Ein Mietenstopp, der auch für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gelte, gefährde deren Neubauziele. Fachpolitiker der Linken und von den Grünen zeigten sich fassungslos. Die SPD „torpediere“ den Mietendeckel hieß es, auch von einem „gezielten Selbstmordplan“ der Partei war die Rede.
Grünen setzen Änderung durch
Dass nun sowohl das Einfrieren der Mieten als auch die Anfang Juni vorgelegten Eckpunkte für ein nun zu erarbeitendes Gesetz beschlossen wurden, darf daher als Überraschung gelten. Womöglich liegt es daran, dass viele in der SPD, etwa die zuständige Fachpolitikern Iris Spranger, den Mietendeckel unbedingt wollten. Zudem: Hätte sich der Senat nicht geeinigt, wäre das für ihn der Super-GAU.
Kai Warnecke, Haus & Grund
An dem ursprünglichen Eckpunktepapier wurde nur im Detail geschraubt, und nicht die SPD, sondern die Grünen verhandelten die einzige relevante Änderung: So sollen Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen auf Antrag möglich sein. Lompscher sprach von einer „Balance zwischen Mieter- und Klimaschutz.“ Ansonsten bleibt es bei dem ursprünglichen Vorschlag: Höhere Mieten von bis zu 50 Cent pro Quadratmeter sind nach Sanierungen erlaubt; eventuelle Ersparnisse bei den Nebenkosten werden mit eingerechnet.
Etwas konkreter wurde Lompscher bei der Mietobergrenze, über deren Höhe bislang noch nichts bekannt ist. Nun hieß es, es werde ein „differenziertes Mietobergrenzensystem“ geben, womöglich angelehnt an den Mietspiegel, der zwischen Baujahr, Ausstattung und Lage unterscheidet. Mieten, die darüber liegen, müssen bei Wiedervermietung und in bestehenden Verhältnissen auf Antrag der Mieter gesenkt werden.
Alle Infos zum Mietendeckel und dem Volksbegehren "Deutsche Wohnen und Co enteignen" gibt es in der aktuellen Folge der Lokalrunde, dem Politik-Podcast aus Hamburg und Berlin. Dazu: Neues vom G20-Elbchaussee-Prozess.
„Der Berliner Senat hat Mut bewiesen“, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. „Eine öffentlich-rechtliche Mietenkappung wird den Mieterschutz deutlich stärken, denn zukünftig werden Mieter bei Forderungen der Vermieter den Staat in ihrem Rücken wissen.“ Der Vermieterverband Haus & Grund, der seine Mitglieder zu schnellen Mieterhöhungen aufgerufen hatte, forderte von der Bundesregierung, nun „klare Signale zu setzen“. Die Angst ist groß, dass andere Städte folgen könnten. Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke sagte über den Deckel: „Dieser Fehler darf auf keinen Fall Nachahmer finden.“
Senatskanzleichef Gaebler war am Dienstagmittag via Twitter zurück gerudert. Er schrieb: „Ich hatte keine einschneidenden Änderungen ins Spiel gebracht, sondern wir haben über mögliche begleitende Prüfaufträge und Erläuterungen gesprochen.“ Festgehalten wurde nun, Mietobergrenze und Absenkung von Mieten hinsichtlich verfassungsrechtlicher Risiken und Auswirkungen auf vor allem gemeinwohlorientierte Vermieter zu prüfen – ein Allgemeinplatz.
Der Verband der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin hatte noch am Dienstag mit Anzeigen in verschiedenen Berliner Tageszeitungen gegen den Mietendeckel Stellung genommen. „Jetzt reicht's Genossen! Mietendeckel stoppen“, stand da. Lompscher reagierte gelassen, sie sprach von einem „Missverständnis“. Die Genossenschaften müssten ihre Wirtschaftspläne anpassen. Ergäben sich daraus Härtefälle, greife eine entsprechende Regelung. Auf Antrag bei der Investitionsbank Berlin Brandenburg seien auch zukünftig Mieterhöhungen möglich.
Auch dem Argument, dass der Neubau leiden würde, begegnete Lompscher gelassen. Es sei ihr Interesse, dass auch künftig gebaut werde. Unterschiedliche Berechnungen gehen von Einnahmeverlusten für die landeseigenen Unternehmen von etwa 200 Millionen Euro in fünf Jahren durch den Mietendeckel aus. Lompscher verwies auf die Jahresabschlüsse der Gesellschaften, die zuletzt deutlich höhere Gewinne verzeichneten.
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