Messerattacke in Zug bei Brokstedt: System U-Haft ist gemeingefährlich
Wer als staatenloser Ausländer aus langer U-Haft entlassen wird, hat ein doppeltes Problem: keine Vorbereitung auf die Entlassung, kaum Hilfe draußen.
D er Messerangriff im Zug beim schleswig-holsteinischen Brokstedt verweist auf schwierige Probleme, sowohl bei der Untersuchungshaft als auch beim Umgang mit straffälligen Ausländern. Sich dieser Defizite anzunehmen, könnte helfen, ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern.
Bei dem Vorfall in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg hatte ein staatenloser Palästinenser am Mittwoch zwei junge Menschen erstochen und fünf weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt. Nur sechs Tage zuvor war der mutmaßliche Täter aus einer einjährigen Untersuchungshaft in Hamburg entlassen worden. Dort saß er, weil ihm ebenfalls ein Messerangriff vorgeworfen worden war.
Dass der Mann ohne Vorbereitung auf die Straße gesetzt wurde, hat mit den Besonderheiten der U-Haft zu tun. Ibrahim A. war nicht rechtskräftig verurteilt, aber eben auch nicht freigesprochen. Solange sein Fall in der Schwebe blieb, musste er wegen Fluchtgefahr in Haft bleiben – allerdings keinesfalls länger als die allenfalls anstehende Haftstrafe. Das führte dazu, dass er nach einem Jahr Knall auf Fall entlassen werden musste. Vorbereitung? Fehlanzeige!
Zuzugestehen ist der Justizverwaltung, dass sie bei der U-Haft meist nicht weiß, wann der Häftling frei kommt. Im Fall von Ibrahim A. hätte sie allerdings, spätestens als sich abzeichnete, dass die U-Haft die Dauer der möglichen Strafhaft erreichen würde, mit Entlassungsvorbereitungen beginnen können. Das gilt besonders für einen Menschen ohne Obdach und möglichen psychischen oder Suchtproblemen.
Eine einjährige Untersuchungshaft ist an sich schon ein Unding. Vom Staat ist zu fordern, dass er sich dann wenigstens nach Standards um die Menschen kümmert, die aus guten Gründen für die Strafhaft gelten.
Das wäre allerdings nur die halbe Miete, wenn der Entlassene dann draußen durch die Maschen des Hilfesystems fällt. Einem Staatenlosen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sind viele Hilfsangebote verschlossen. Am Ende landet einer wie Ibrahim A. dann wieder vor einer Notunterkunft, wo er dann womöglich schon Hausverbot hat – also auf der Straße.
Es wäre an der Zeit, einen pragmatischeren Umgang mit Menschen zu finden, die nicht abgeschoben werden können, also faktisch hier im Land bleiben werden. Davon hätten alle was, die Inländer wie die Ausländer.
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