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Merkels letztes Bund-Länder-TreffenRichtig, aber leider zu spät

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Der Coronabeschluss von Noch-Kanzlerin Merkel, Nachfolger Scholz und den Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen war überfällig. Er geht nicht weit genug.

Letzte Coronarunde am 2. Dezember für Angela Merkel zusammen mit ihrem Nachfolger Olaf Scholz Foto: Pool/reuters

U m große Worte war das Bund-Länder-Treffen noch nie verlegen. In einem „Akt der nationalen Solidarität“ würden sie jetzt „gemeinsam dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder sinken und unser Gesundheitssystem entlastet wird“. So steht es in dem am Donnerstag gefassten Beschluss von Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz und den Länderre­gie­rungs­che­f:in­nen.

Schade nur, dass dieser „Akt der nationalen Solidarität“ so spät kommt. Tausende Menschen könnten noch leben, wenn die verantwortlichen Po­li­ti­ke­r:in­nen in Bund und Ländern zum rechten Zeitpunkt ihrer Verantwortung gerecht geworden wären. Dann wäre Deutschland nicht bloß bei der ersten Welle vor der Welle gewesen.

Nun also sollen sehr weitreichende 2G-Regeln die Rettung aus der Not bringen. Bundesweit wird der Bewegungsspielraum für Ungeimpfte stark eingeschränkt: Kinos, Theater, Gaststätten und Sportveranstaltungen sind für sie tabu, auch dürfen sie nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs betreten und sich jenseits des eigenen Haushalts mit höchstens zwei weiteren Personen treffen.

Das sind harte Maßnahmen, die angesichts der dramatischen Coronalage aber nicht unangemessen scheinen – zum Schutz der Ungeimpften, aber auch der Geimpften, die noch auf ihre Boosterung warten müssen. Größere Wirkung werden die neuen Regeln jedoch nur entfalten können, wenn ihre Einhaltung auch konsequent kontrolliert wird. Das ist fraglich.

Merkel hat gewarnt und gedrängt

Vor allem aber: Sie kommen mal wieder zu spät. Die Infektionszahlen sind auch deshalb so hoch, weil inzwischen bei vielen Geimpften der Impfschutz stark nachgelassen hat. Solange sie nicht geboostert sind, wäre daher 2G-Plus die angemessene Lösung.

Angela Merkel wird froh gewesen sein, dass ihr letztes Bund-Länder-Treffen nicht wieder bis tief in die Nacht ging und sie rechtzeitig zu ihrem Großen Zapfenstreich kommen konnte. Dass die Runde, die sie im März vergangenen Jahres erstmalig einberief, sich allzu oft nicht auf der Höhe der Zeit gezeigt hat, ist nicht der scheidenden Kanzlerin anzulasten. Sie hat von Anfang an eindringlich gewarnt und gedrängt, leider allzu oft vergeblich.

Vorzuwerfen ist Merkel allerdings, dass sie – vorsichtig formuliert – keine glückliche Hand bei der Auswahl ihres Gesundheitsministers bewiesen hat. Ein von seiner Aufgabe überforderter Jens Spahn und Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen, die immer wieder erst dann bereit waren zu handeln, wenn es gar nicht mehr anders ging, sind keine gute Kombination zur Pandemiebekämpfung. Immerhin: Spahn wird als Gesundheitsminister ab Mitte nächster Woche Geschichte sein. Hoffentlich hat Olaf Scholz mehr Fortune bei seiner Personalauswahl.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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11 Kommentare

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  • Vielleicht fing es damit an,/



    Dass die Union glaubte dran/



    Er hätte den Masterplan/



    Der überschätzte Jens Spahn./



    //



    Und jetzt mit einem Mal/



    Ein Heeresgeneral/



    Wird Scholz'ens erste Wahl/



    Im Nationalkrisenfall/



    //



    Ampel ganz ohne Scheu/



    Definiert das jetzt neu/



    Militär nun wohl sei/



    Als Krisenstabs-Chef dabei./



    //



    www.aerzteblatt.de...jahr-diskutieren//



    //



    taz.de/Bundesgesun...ns-Spahn/!5753657/



    //



    taz.de/Carsten-Bre...senstabs/!5815766/



    //



    m.tagesspiegel.de/...en/27293058.html//



    //

    • @Martin Rees:

      Ein Heeresgeneral



      bringt Spahn zu Fall



      Die Büchse knallt



      Der Wumms weit hallt



      Fängt man das Hobeln an



      Dann fällt der Spahn.

  • Das "zu wenig, zu spät" ist in diesem Entscheidungssystem angelegt.

    Man muss mittlerweile so weit gehen, zu fragen: angesichts der Tatsache, dass die MPK *immer* zu wenig zu spät beschlossen, und ihre völlige Untauglichkeit als Pandemiepolitikinstrument mithin umfassend bewiesen hat - Bug oder Feature?

    Hat Merkel an diesem unfähigen und nicht verfasungskonformen (angesichts der Resultate und in Anbetracht der höchstrangigen Pflicht allen politischen Handelns in Deutschland, Leben und körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung zu schützen: verfassungsWIDRIGEN) Gremium festzuhalten, um das zu machen, was sie 16 Jahre lang gemacht hat - nämlich Macht auszuüben nach ihrem ideologischen Gutdünken, an der Verfassung, am Rechtsstaat vorbei?

    Und wann wird diese massenmörderische (denn Heimtücke - nichts Anderes ist der Missbrauch des Vertrauens, das das Volk einer gewählten Regierung entgegenbringt - macht aus Tötung durch Tun oder Unterlassen auf jeden Fall Mord) Willkürherrschaft beendet?

    Und wird es eine juristische Aufarbeitung der Ermordung von über 100.000 Menschen durch ihre eigene Regierung geben?

    • @Ajuga:

      Kleiner geht es wohl nicht. Die meisten Toten der 4. Welle hat nicht der Staat auf dem Gewissen, sondern sie selbst, weil sie den Schutz der Impfung lieber nicht wollten.

  • Das Problem ist jetzt aber die FDP.

    Buschmann z.B. behauptet immer noch, er habe Recht, nicht das BVerfG: "Buschmann wies allerdings darauf hin, das Gericht habe hier einen "weiten Entscheidungsspielraum" der Politik betont. Dies bedeute, das Vorgehen von Union und SPD, das auch die Grünen unterstützt hatten, "war damals nicht verboten. Es war aber auch nicht geboten, Ausgangssperren zu verhängen" (NTV) (Was Unsinn ist: nie im Leben erklärt Karlsruhe Ausgangssperren für rechtmäßig, die nicht geboten sind), Lindner verbreitet in den Tagesthemen Fake-News zur angeblich wissenschaftlich erwiesenen Unwirksamkeit von Lockdown-Maßnahmen, wieder Buschmann kanzelt Kretschmer bei Illner in AfD-Manier ab, weil der "die Querdenkerszene und ihre Propaganda, die zu einem großen Teil auf dem Nachrichtendienst Telegram stattfindet, dafür mitverantwortlich macht, dass die Impfquote im Freistaat so niedrig ist.

    Solche Telegram-Gruppen müsse die Politik in den Fokus nehmen, 30.000 bis 80.000 Menschen würden dort in rechtsextremen Gruppen bösartigste Hetze proklamieren. „Wir müssen da etwas tun“, sagt Kretschmer in Richtung Buschmann" Der: 'Andere Dinge seien natürlich dringender, Kretschmer solle zusehen, dass er die Impfquote erhöhe' (Tagesspiegel).

    Impfen ist das neue Mantra - es hilft aber nicht gegen Neuinfektionen morgen und übermorgen usw. Die sind es aber, die das Gesundheitssystem aktuell zum Kollaps bringen.

    Die Ampel tut jetzt schon alles, damit die FDP es sich nicht mit ihren rechten WählerIm:innen verdirbt (sogar gegen rechtsextreme Corona-Hetzer findet deren designierter Justizminister es nachrangig, etwas zu unternehmen, obwohl es genau diese Leute sind, die die Pandemie direkt und mit ihren Fake-News treiben): diese unzureichenden Beschlüsse gehen auf Kosten von Notfallpatient:innen, Ärzt;innen, Pflegepersonal, kosten weiter Leben.

    So wie es gerade real läuft, ist die Ampel ein Rechtsruck.

  • Die von Bundesregierung und Senat propagierte 2G Fiktion, dass man dann auf Maske und Abstand usw. verzichten und sogar in Clubs usw. gehen könne, ist maßgeblich schuld an der aktuellen Entwicklung.

    2G+ ist auch keine Lösung. Ein Freund war zehn Tage nach dem Booster – dreimal geimpft! - erstmals nach anderthalb Jahren wieder ausgiebig im Club. Er hat sich infiziert und das Virus auch an seine Familie weiterverteilt, bevor es diagnostiziert wurde und er heftig krank im Bett lag.

    GesAmt sagte dazu, wenn man geimpft ist, dass dann die Schnelltests die Infektion sehr oft garnicht anzeigen, man sollte im Zweifel immer auch PCR machen. Fragt sich allerdings wo und wie, denn die sind kostenfrei nur sehr hochschwellig zu haben...

    • @berlin ist für alle da:

      Klingt nach Omikron. 10 Tage nach Booster sollte man aber noch vorsichtig sein. Aber geschenkt.

      Ja, so ist es: ohne positiven Schnelltest gibts selbst beim dringendsten Infektionsverdacht PCR nur für Selbstzahler*innen. (Wobei der Nutzen eines Tests, der das Ergebnis aktuell in der Regel mit einer halben bis einer Woche Verzögerung liefert, auch nur noch begrenzt ist.)

      • @Ajuga:

        Da ist die Niederlande weiter. Das dortige Gesundheitsamt ermöglicht PCR-Tests niedrigschwellig unter Angabe von Symptomen.

  • RS
    Ria Sauter

    Was ist das für eine gefährliche Aussage von Ihnen!



    "Tausende Menschen könnten noch leben....."



    Sind Sie Arzt? Waren Sie dabei?

    Es entsetzt mich, wie sich die "Mahner" wichtig machen und einfach Paniksätze untersVolk werfen.



    Das ist mehr als unseriös.

    • @Ria Sauter:

      ......dazu wäre es auch hilfreich, wenn der Kommentator, und auch alle anderen Kommentatoren in dieser Sache, eine Abfolge seiner Empfehlungen für die "richtigen" Eingriffe im Verlauf der Pandemie diesen seinen Ausführungen hinzufügen würde.

      • RS
        Ria Sauter
        @palu:

        Klare Regeln, wie wir sie kennen.



        ABER KEINE UNSERIÖSE PANIKMACHE!