Meinungsfreiheit und Xavier Naidoo: „Antisemit“ ist ein Werturteil
Der Beschluss des Verfassungsgerichts in der Causa Naidoo ist gut und wichtig. Man sollte aber nicht vergessen, dass ein Björn Höcke gefährlicher ist.
E ine linke Wissenschaftlerin durfte Xavier Naidoo doch als „Antisemiten“ bezeichnen. Das Bundesverfassungsgericht hob nun zwei entgegenstehende Urteile aus Bayern auf. Das ist keine Karlsruher Grundsatzentscheidung, weil die bayerischen Gerichte einfach handwerkliche Fehler gemacht haben. Aber dennoch ist der Beschluss des Verfassungsgerichts gut und wichtig.
Denn natürlich ist der öffentliche Diskurs weit über den Einzelfall hinaus belastet, wenn jemand wie Xavier Naidoo mithilfe von Anwält:innen und Richter:innen politische Kritik an seinen Liedtexten verbieten lassen kann.
Das Verfassungsgericht hat nun aber keineswegs geklärt, dass Xavier Naidoo ein Antisemit ist. Es hat nur entschieden, dass Naidoo als „Antisemit“ bezeichnet werden darf – jedenfalls wenn klar ist, dass ihm dabei keine Holocaust-Bereitschaft unterstellt wird. Es ging in Karlsruhe um ein Werturteil, nicht um eine Tatsachenbehauptung.
Das ist ähnlich wie bei dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke, der laut Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen „Faschist“ genannt werden darf. Bei einem Werturteil ist der Spielraum des Sagbaren deutlich größer als bei einer ehrverletzenden Tatsachenäußerung, die belegbar und korrekt sein muss. Allerdings darf auch ein Werturteil Menschen nicht ohne jeden faktischen Anhaltspunkt stigmatisieren.
Naidoo hochgradig abgedriftet
Doch das ist bei Xavier Naidoo nicht zu befürchten. Wer von einem „Baron Totschild“ schwadroniert, bedient damit klassisch antisemitische Stereotype und ist ziemlich nah dran an der Sprache von Rechtsextremist:innen alter Schule. Der Verweis Naidoos auf seinen jüdischen Konzertmanager ist dann auch nicht geeignet, ihn gegen politische Kritik zu immunisieren.
Allerdings sollte man Naidoo auch nicht allzu ernst nehmen. Er hat schon viel Unsinn behauptet und dann wieder das Gegenteil. Dass er eine hochgradig abgedriftete Persönlichkeit ist, dürfte inzwischen weithin bekannt sein. Ein Höcke ist da deutlich gefährlicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja