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Höcke droht Aufhebung der ImmunitätFaschist sagt faschistische Dinge

Die Immunität des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke soll aufgehoben werden. Er hatte den SA-Wahlspruch „Alles für Deutschland“ bei einer Rede benutzt.

Daumen hoch für SA-Sprüche: Höcke bei der AfD-Kundgebung in Merseburg (Sachsen-Anhalt) Foto: dpa/Sebastian Willnow

Berlin taz | Björn Höcke hatte sich am Mittwoch passenderweise entschuldigen lassen. Insbesondere nach der kurzfristig anberaumten Sitzung des Thüringer Landtages, in der es um die grassierende Coronakrise ging, wäre es dabei interessant geworden für den Thüringer AfD-Fraktionschef und das prominenteste Gesicht der völkischen Strömung der AfD: Denn bei einer ebenfalls außerplanmäßigen Sitzung des Justizausschusses im Anschluss sollte auch über die Aufhebung der Immunität des rechtsextremen AfD-Fraktionschefs entschieden werden.

Anlass dafür war ein NS-Spruch bei einer Wahlkampfrede am 29. Mai in Merseburg – kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Gegen Ende seiner wie gewohnt völkischen Rede zitierte Höcke den Wahlspruch der nationalsozialistischen Sturm-Abteilung SA: „Alles für Deutschland“. Das könnte ähnlich wie das Zeigen von verfassungsfeindlichen Zeichen nun Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft Halle hat laut einem Spiegel-Bericht die Aufhebung von Höckes Immunität beantragt, über die der Justizausschuss des Landtags zu befinden hat.

Die Pressestelle des Landtages wollte zu der Angelegenheit keine Angaben machen. Die Sitzung sei streng vertraulich – es werde von dort keine Informationen geben. Die Staatsanwaltschaft Halle hingegen bestätigte der taz den Antrag zur Aufhebung der Immunität Höckes an den Thüringischen Landtag. Erst wenn dieser Antrag positiv beschieden sei, könne man ein Ermittlungsverfahren prüfen, so die leitende Oberstaatsanwältin Heike Geyer zur taz.

Der Wahlkampfauftritt Höckes vor rund 250 Personen ist noch auf der Facebook-Seite der AfD Sachsen-Anhalt einsehbar und wurde begleitet von hörbarem antifaschistischen Gegenprotest von 350 Menschen. Vor Ort war damals auch der Grüne Fraktionschef aus Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel. Er war es auch, der nach Höckes Auftritt Anzeige erstattete.

AfD Thüringen „erwiesen rechtsextrem“

Striegel sagte dazu der taz: „Natürlich weiß Höcke als Geschichtslehrer genau um die Bedeutung dieses Satzes. Angesichts des Publikums auf der AfD-Kundgebung nutzte er den Ausspruch bewusst als Markierung und Erkennungszeichen im rechtsextremen Kontext.“ Aus seiner Sicht müsse man den Ausspruch deswegen als strafbar werten.

„Die AfD ist eine völkische, rechtsextreme Partei. Höcke ist der Hauptvertreter des aus meiner Sicht nicht tatsächlich aufgelösten Flügels“, sagt Striegel. Höcke sei damit einer der führenden Rechtsextremen in der AfD und Verfassungsfeind. Der Rechtsstaat müsse nun handeln, so Striegel, zumal es zur Strafbarkeit des SA-Wahlspruchs auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm gibt sowie eine Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Das stimmt: Strafbar ist laut dem Papier das Verwenden der Sentenz „Alles für Deutschland“ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte.

Tatsächlich stuft selbst der in der Verfolgung von Rechtsextremen traditionell eher lahme Verfassungsschutz mittlerweile den Thüringer Landesverband als „erwiesen rechtsextrem“ ein, wie ebenfalls diese Woche bekannt wurde. Eine entsprechende Entscheidung ist laut SZ bereits am 15. März dieses Jahres gefallen – für die Einstufung brauchte es demnach nicht einmal nachrichtendienstliche Mittel. Allein aufgrund personeller und programmatischer Entwicklungen der AfD in Thüringen sei die rechtsextreme Ausrichtung belegbar, wie Verfassungsschutzpräsident Kramer am Montag gesagt hatte.

Höcke selbst äußerte sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Während der Sitzung des Thüringer Landtags am Mittwoch provozierte die AfD unterdessen auch ohne ihn weiter. Während es um eine tragfähige Lösung für die kritische Corona-Notlage und das verschwörungsideologische Geraune der AfD ging, pöbelte der AfD-Abgeordnete Stefan Möller dazwischen – und kassierte umgehend einen Ordnungsruf.

Update, 14:40 Uhr: Der Text wurde um Angaben der Staatsanwaltschaft Halle ergänzt.

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12 Kommentare

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  • Der Typ macht Ernst. Er will wieder ein Mann werden.

    blogs.taz.de/zeitl...wehrhaften-mannes/

  • Da könnte es ja auch passieren das, unabhängig vom Ausgang des/der Verfahren in Halle, ein Beamtenrechtliches Verfahren in Hessen auf Herrn Höcke zukommt. Auch wenn er derzeit beurlaubt sein sollte könnte das seine Altersversorgung vielleicht geringfügig mindern.

  • Faschist sagt faschistische Dinge, dsja, "wie ein Huhn legt Eier".

    Es ist ja bekannt, das Herr Höcke Geschichtslehrer war, nur auch seine Schlussfolgerungen und Thesen würden den Rechtsextremen von 1933 gut gefallen.

    Wie kann es sein, das so jemand heute, so eine große Bühne bekommt.

    Auch die ganze AFD ist doch ein Sammelbecken, für Rechtsradikale, wie kann es in einer Demokratie in einem Land wie Deutschland mit seiner Vergangenheit überhaupt so eine Partei geben, wie wirkt das im Ausland?

    Auch Hitler kam durch eine Demokratische Wahl an die macht und was dann geschah ist wohl hinreichend bekannt.

    Ein gutes Licht wirft eine solche Partei wie die AFD und Personen wie Höcke, Gauland und Konsorten nicht auf Deutschland, das ist einfach eine ganz große Schande.

    • @udo123:

      Der Braungeist will einfach nicht zurück in die Flasche!



      Sein Gestank dringt durch die feinsten Ritzen...

  • Wieso kann man Herrn Höcke nur mit der Justiz beikommen? Das bringt ihn doch erst recht in die von ihm gewünschte Opferrolle. Die Medien könnten durchaus einiges tun, um ihn zu entzaubern!



    Vor ca. 2 Jahren zeigte das ZDF in einem „Berlin direkt“-Interview, wie mit Populisten vom Schlage eines Höcke gesprochen werden muss, ohne dass er das zur Selbstdarstellung nutzen kann. H. war schon drauf und dran, einige Dinge auszusprechen, die er in aller Öffentlichkeit lieber (noch) vermeidet.



    Der ebenfalls anwesende AfD-Pressesprecher konnte nur noch die Notbremse ziehen. Er kannte wohl seinen Chef und wusste, wenn der jetzt in Fahrt kommt, ist alles zu spät. Schade! Wer weiß, was der Interviewer aus Herrn H. herausgekitzelt hätte! Also brach H. das Gespräch ab und übte sich danach in Selbstmitleid. Wer hätte gedacht, dass ein Mann wie er so zart besaitet ist?



    Besonders originell fand ich die Erwiderung auf H’s Forderung, das Interview zu wiederholen: „Da kommen wir jetzt auch in den sensiblen Bereich der Pressefreiheit rein, in dem Moment, wo ich die Fragen so oft stellen soll, bis Sie mit ihren Antworten zufrieden sind“!

    • @Pfanni:

      Nur können die Medien halt beim relevanten Klientel nicht entzaubern. Einmal, weil Lügenpresse. Und dann, weil die einfach auch Faschismus wollen.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Man erwähnt, dass Möller dazwischen pöbelt, aber nicht, dass er Vorsitzender des Justizausschusses ist?

  • Ein Geschichtslehrer im 21ten Jahrhundert -.



    Ja klar, da gibt es ja nichts anderes in der politischen Verortung dieses Spruchs "alles für Deutschland", bei einer Person die tief nachhaltig - auch noch als beamteter Geschichtslehrer und Landtagsabgeordneter - in der Nazi Ideologie verwurzelt erscheint. Das kann auch niemals mit einem Versprechen oder Irrtum entschuldigt sein. Die Hinterlegung bei dieser Profession und indirekten , weil verschleiernden, Bekenntnis zu den Rassedoktrin der Nazi Ideologie, ist gleichbedeutend als stecke sich jemand das Hakenkreuz ans Revers. Man beachte nur die Aussage über den "lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp".



    Da bleibt nichts anderes als raus aus dem Beamtenstatus und raus aus dem demokratisch gewählten und der Verfassung verpflichteten Parlament.



    Der hat dort nichts zu suchen.

  • Hoffentlich bleibt es nicht nur bei einer bloßen Androhung, die parlamentarische Immunität des Bernd Höcke alias Landolf Ladig aufzuheben … aber nach wie vor gibt es sie, „furchtbaren Juristen“, die noch schützend ihre Hand über einen Faschisten halten werden, der auch gerichtlich bestätigt Faschist werden darf.



    taz.de/Ingo-Muelle...Juristen/!5033880/

  • Wir brauchen einen neuen Radikalenerlass.

    • @Zahnow Gregor:

      Ich finde, viel notwendiger wäre ein konsequenter, in der Gesellschaft verankerter Antifaschismus, der hat hierzulande keine Tradition und bekanntlich steht der Feind immer noch links. Deshalb Vorsicht mit Radikalenerlassen … wer darauf setzt, hat auf Sand gebaut, was die Verteidigung der Demokratie betrifft. Das Schwert kann sich schnell zur anderen Seite wenden.

  • Bitte den Beamtenstatus dieses Herrn gleich mit aufheben.