Höcke droht Aufhebung der Immunität: Faschist sagt faschistische Dinge
Die Immunität des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke soll aufgehoben werden. Er hatte den SA-Wahlspruch „Alles für Deutschland“ bei einer Rede benutzt.
Anlass dafür war ein NS-Spruch bei einer Wahlkampfrede am 29. Mai in Merseburg – kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Gegen Ende seiner wie gewohnt völkischen Rede zitierte Höcke den Wahlspruch der nationalsozialistischen Sturm-Abteilung SA: „Alles für Deutschland“. Das könnte ähnlich wie das Zeigen von verfassungsfeindlichen Zeichen nun Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft Halle hat laut einem Spiegel-Bericht die Aufhebung von Höckes Immunität beantragt, über die der Justizausschuss des Landtags zu befinden hat.
Die Pressestelle des Landtages wollte zu der Angelegenheit keine Angaben machen. Die Sitzung sei streng vertraulich – es werde von dort keine Informationen geben. Die Staatsanwaltschaft Halle hingegen bestätigte der taz den Antrag zur Aufhebung der Immunität Höckes an den Thüringischen Landtag. Erst wenn dieser Antrag positiv beschieden sei, könne man ein Ermittlungsverfahren prüfen, so die leitende Oberstaatsanwältin Heike Geyer zur taz.
Der Wahlkampfauftritt Höckes vor rund 250 Personen ist noch auf der Facebook-Seite der AfD Sachsen-Anhalt einsehbar und wurde begleitet von hörbarem antifaschistischen Gegenprotest von 350 Menschen. Vor Ort war damals auch der Grüne Fraktionschef aus Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel. Er war es auch, der nach Höckes Auftritt Anzeige erstattete.
AfD Thüringen „erwiesen rechtsextrem“
Striegel sagte dazu der taz: „Natürlich weiß Höcke als Geschichtslehrer genau um die Bedeutung dieses Satzes. Angesichts des Publikums auf der AfD-Kundgebung nutzte er den Ausspruch bewusst als Markierung und Erkennungszeichen im rechtsextremen Kontext.“ Aus seiner Sicht müsse man den Ausspruch deswegen als strafbar werten.
„Die AfD ist eine völkische, rechtsextreme Partei. Höcke ist der Hauptvertreter des aus meiner Sicht nicht tatsächlich aufgelösten Flügels“, sagt Striegel. Höcke sei damit einer der führenden Rechtsextremen in der AfD und Verfassungsfeind. Der Rechtsstaat müsse nun handeln, so Striegel, zumal es zur Strafbarkeit des SA-Wahlspruchs auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm gibt sowie eine Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Das stimmt: Strafbar ist laut dem Papier das Verwenden der Sentenz „Alles für Deutschland“ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte.
Tatsächlich stuft selbst der in der Verfolgung von Rechtsextremen traditionell eher lahme Verfassungsschutz mittlerweile den Thüringer Landesverband als „erwiesen rechtsextrem“ ein, wie ebenfalls diese Woche bekannt wurde. Eine entsprechende Entscheidung ist laut SZ bereits am 15. März dieses Jahres gefallen – für die Einstufung brauchte es demnach nicht einmal nachrichtendienstliche Mittel. Allein aufgrund personeller und programmatischer Entwicklungen der AfD in Thüringen sei die rechtsextreme Ausrichtung belegbar, wie Verfassungsschutzpräsident Kramer am Montag gesagt hatte.
Höcke selbst äußerte sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Während der Sitzung des Thüringer Landtags am Mittwoch provozierte die AfD unterdessen auch ohne ihn weiter. Während es um eine tragfähige Lösung für die kritische Corona-Notlage und das verschwörungsideologische Geraune der AfD ging, pöbelte der AfD-Abgeordnete Stefan Möller dazwischen – und kassierte umgehend einen Ordnungsruf.
Update, 14:40 Uhr: Der Text wurde um Angaben der Staatsanwaltschaft Halle ergänzt.
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