Maßnahme gegen öffentliches Trinken: Den Trinkern keine Sitze
Am Hamburger Hansaplatz bringt das Bezirksamt auf Pollern Kugeln an, um ein Hinsetzen unmöglich zu machen. Der Einwohnerverein protestiert.
![Poller mit Stahlkugeln oben drauf am Hamburger Hansaplatz. Poller mit Stahlkugeln oben drauf am Hamburger Hansaplatz.](https://taz.de/picture/4725813/14/189460135-49dc7f552f-1.jpeg)
Ulrich Gehner, Vertreter des Einwohnervereins St. Georg und beim Runden Bürger*innen Tisch Hansaplatz dabei, kritisiert die Maßnahme und sieht in ihr eine antidemokratische und antisoziale Aktion. Man wolle es den Menschen hinterrücks vermiesen, sich hinzusetzen. Ähnliche Maßnahmen – zum Beispiel Metallzacken auf betonierten Absätzen, die gerne als Sitzflächen genutzt wurden – gab es vor ein paar Jahren bereits rund um den Hauptbahnhof. Auch sie sollten obdachlose Menschen fernhalten, wurde schon damals kritisiert.
Bezirksamtssprecherin Weiland entgegnet, dass Poller an sich kein Sitzplatz seien und man deshalb die unsachgemäße Nutzung unterbinden müsse. Auch seien einige der Poller elektrisch absenkbar und würden durch das Daraufsitzen ständig beschädigt.
Ein Inhaber eines der Restaurants am Hansaplatz, der namentlich nicht genannt werden möchte, war einer derjenigen, die sich über die auf den Pollern sitzenden Menschen beschwert haben. Er sieht viele Anwohner:innen auf seiner Seite. Er sagt, vor allem Geflüchtete träfen sich an den Pollern, tränken viel Alkohol, vermüllten die Gegend und kauften dabei nicht mal in den Cafés und Läden rund um den Platz ihre Getränke. Aufgrund der hohen Lautstärke „Tag und Nacht“ könnten viele Anwohner:innen nicht schlafen. Die Situation sei „unmöglich“ gewesen. Viele Anwohner:innen, die sich an den Pollersitzer:innen störten, hätten sich sogar noch radikaler als er geäußert.
Parkbänke abgeschafft
Aber auch Ulrich Gehner glaubt, dass viele Anwohner:innen auf seiner Seite sind. Er sagt, es seien „ganz normale Menschen“, die die Poller zum Sitzen nutzen, und fragt: „Welche dreiste Haltung spricht daraus, Menschen den Aufenthalt im öffentlichen Raum so ungemütlich wie möglich zu machen?“ Nur weil das Sitzen auf den Pollern jetzt verhindert werde, blieben die Menschen ja nicht fern. Für Gehner ist das Vorgehen reine Symbolpolitik, um zu zeigen, dass bestimmte Menschen nicht willkommen seien.
Gehner bemängelt das Vorgehen des Fachamts auch deshalb, weil es am Hansaplatz sonst kaum Sitzgelegenheiten gibt. Seit der Neugestaltung des Platzes 2011 gibt es dort keine Bänke mehr. Das sei auf Wunsch der Anwohner:innen geschehen, die einen möglichst sauberen Platz gewollt hätten, betont wiederum Bezirksamtssprecherin Weiland. Aber die Schaffung neuer Sitzmöglichkeiten und die Pollerkugeln seien sowieso zwei verschiedene Themen.
Gehner sagt, der Runde Tisch habe Bezirksamtsleiter Falko Droßmann im vergangenen Jahr vorgeschlagen, Baumbänke zu schaffen. Der Antrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, dass dann der Boden zu sehr verdichtet werde.
Schließlich kritisiert Gehner, dass das Fachamt die Maßnahme ohne Absprache mit politischen Gremien umsetzt. Darin setze sich der Trend fort, dass die Stadtteilpolitik immer mehr von der Verwaltung bestimmt und ein demokratischer Prozess so unterlaufen werde.
Auch das sei normal, sagt Weiland. Bei „Beschwerdelage“ und „geringem Mitteleinsatz“ könne die Verwaltung eigenmächtig handeln. Das Fachamt werde nun erst mal schauen, ob die bereits angebrachten Kugeln auf den Pollern wie vorgesehen die Trinkerszene vom Platz fernhalte, sagt Weiland. Einen Zeitplan, wann die anderen Poller eine Kugel bekommen, habe sie deshalb noch nicht.
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