Intelligente Videoüberwachung in Hamburg: Punkt, Punkt, Komma, Strich
Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz will die Hamburger Polizei Gefahren effektiver erkennen. Dabei identifizieren Kameras verdächtige Bewegungsmuster.
Der Anlass für die Maßnahmen und die Präsenz der Polizei war die geplante Präsentation und Vorstellung der neuen Videoüberwachungstechnologie für den Platz durch Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeivizepräsident Mirko Streiber. Anwohner*innen des Viertels waren zu der Veranstaltung nicht eingeladen worden. Neben zahlreichen Pressevertreter*innen waren kaum weitere Zuschauer*innen auf dem Platz.
Der Hansaplatz gilt für die Polizei seit Längerem als Problemgebiet, auch weil er ein Treffpunkt für Obdachlose und Drogenabhängige ist. Bereits 2019 wurden 16 Überwachungskameras auf dem Platz installiert. Eine neue KI-Software soll die Videoüberwachung auf dem Platz nun aufrüsten und effektiver machen.
Die neue Technologie basiert auf der „digitalen Skelettierung“ der von den Kameras erfassten Personen. Diese Strichfiguren werden durch die Software hinsichtlich möglicher atypischer Bewegungsmuster wie Schläge, Tritte, Schubsen oder die Bildung von Gruppen ausgewertet. Im Falle eines Treffers wird das System Polizist*innen im Wachraum des zuständigen Polizeikommissariats 11 alarmieren, die dann überprüfen sollen, ob wirklich eine potenzielle Gefahr vorliegt. So soll der Mehrwert der intelligenten Videobeobachtung in der frühzeitigen Erkennung von Gefahrensituationen liegen. Ähnliche Projekte wurden bereits an anderen Orten umgesetzt, etwa in Mannheim, wo das Fraunhofer-Institut Kameras mit ähnlicher Software eingesetzt hat.
Intransparente Klassifizierung
Kritik gibt es an der neuen Technologie, weil die Kriterien, nach denen die Software Verhalten bewertet, nicht transparent seien und die Anwohner*innen nicht einbezogen wurden. „Videoüberwachung kann, wenn überhaupt, nur einen sehr kleinen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung leisten“, sagt Deniz Celik von der Linksfraktion in der Bürgerschaft. „ Dafür sind die negativen Auswirkungen umso gravierender.“ Die Videoüberwachung greife das Recht auf informationelle Selbstbestimmung an und stelle durch den permanenten Überwachungsdruck eine staatliche Sozialkontrolle dar, so Celik. „Welches Verhalten als atypisch klassifiziert wird, ist absolut nicht transparent und erzeugt auf diese Weise einen hohen Konformitätsdruck.“
In der vergangenen Woche wurde der Testbetrieb der Kameras auf dem Hansaplatz gestartet, um die Wirksamkeit der intelligenten Videoüberwachung zu erproben. Die Polizei betont, dass durch die neuen KI-Kameras keine biometrischen Daten erfasst werden. Es soll auch keine Identifizierung nach Alter, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit stattfinden. Weil die Software aber kontinuierlich trainiert und weiterentwickelt werden soll, könnten solche Technologien in der Zukunft mehr Möglichkeiten zur Identifizierung und Überwachung bieten, befürchten Kritiker*innen.
Im Stadtteil gibt es schon länger Kritik an Plänen, die Videoüberwachung auszuweiten. Ressourcen, erklärte der Einwohnerverein St. Georg, sollten besser für die Unterstützung von Obdachlosen eingesetzt werden, anstatt sie weiter zu stigmatisieren. Der Verein forderte den Ausbau niedrigschwelliger Anlaufstellen für Geflüchtete und die Umsetzung von Housing-First-Projekten, die Obdachlosen Unterkünfte zur Verfügung stellen.
Hamburg hat die Videoüberwachung im öffentlichen Raum seit 2016 kontinuierlich ausgebaut. Aktuell setzt sich der Senat im Anschluss an die Messerattacke von Brokstedt für eine umfassende Überwachung in Zügen des Regional- und Fernverkehrs sowie an Bahnhöfen ein.
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