Massenschlägerei zwischen Ultras und Hooligans: „Die Gefahr war bekannt“
Nach einer Massenschlägerei im Bremer Viertel warnt das Fanprojekt davor, die Rechten zu unterschätzen: Sie hätten es darauf ankommen lassen.
Rund um das Lokal „Die Schänke“ im Steintor-Viertel war es am Samstagabend zu einer Massenschlägerei gekommen. Die Polizei berichtete am Sonntag von fünf Leichtverletzten. Elf Personen seien vorläufig festgenommen worden und mittlerweile wieder frei. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen schweren Landfriedensbruch und hat dazu eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet. Rainer Zottmann, Leiter der Direktion Einsatz, erklärte, man wolle nicht zulassen, „dass Gewalttäter in der Öffentlichkeit rücksichtslos aufeinander losgehen“. Die Polizei werde die Einsatztaktik für die kommenden Spiele anpassen.
Sowohl die Polizei als auch das Fanprojekt waren im Vorfeld davon ausgegangen, dass es ein ruhiger Spieltag werden würde. „Es gibt ein freundschaftliches Verhältnis zu Mainz 05“, erklärte ein Sozialarbeiter des Fanprojektes, der seinen Namen nicht mehr in der Zeitung lesen möchte, seit Mitarbeiter des Projektes von rechten Hooligans im letzten Jahr massiv bedroht wurden.
Während des Spiels hatte es dann aus der Ostkurve des Weserstadions „Nazischweine“-Sprechchöre gegeben, weil bekannt wurde, dass in der Westkurve rechte Hooligans der Gruppen „Standarte“ und „Nordsturm Bremen“ das Spiel verfolgten. Seit etwa zehn Jahren trauen sich die Rechten nicht mehr in die Ostkurve – immer, wenn sie dort auftauchten, gab es Stress mit den überwiegend linken Ultra-Gruppen.
Únterschätzte Nazi-Hooligans
Unter den Hooligans im Stadion seien am Samstag teilweise Neonazis gewesen, die seit Jahrzehnten aktiv sind, sagte der Fanprojekt-Mitarbeiter. Er glaubt, dass die Polizei die Neonazis unterschätzt hat. „Die Gefahr war bekannt. Ich bin davon ausgegangen, dass die Rechten bei der Polizei auf dem Schirm sind und es keine Bedrohung mehr gibt. Ich finde es schade, dass es nicht so war.“
Wie die taz erfuhr, soll es für die Hooligans nach dem Spiel nur eine Begleitung bis zum Osterdeich gegeben haben. Danach soll die Polizei sie aus den Augen verloren haben. Der Weg der Ultras indes führte wie seit Jahren über die Straße „Vor dem Steintor“ in Richtung Sielwall-Eck. Auf Höhe des Ziegenmarktes dann eskalierte die Situation. Was genau geschah, dazu gibt es von Ultras und Polizei unterschiedliche Aussagen.
Fanprojekt-Mitarbeiter
Klar ist: Nachdem Ultras durch Rufe auf die Nazis aufmerksam machten, flogen Flaschen und Steine in Richtung der Kneipe „Die Schänke“. Deren Scheiben gingen zu Bruch. Von innen stürmten dann Männer auf die Straße, es kam zu einer Schlägerei mit Barhockern und Tischbeinen. Augenzeugen berichteten der taz, dass sich die 30 bis 40 Hooligans allerdings zunächst noch auf der Straße aufgehalten haben sollen und erst in die Kneipe gingen, als die Ultras kamen – angeblich, um sich in der Kneipe mit Barhockern und anderen Gegenständen zu bewaffnen.
Keine unpolitische Fan-Rivalität
Die Polizei verweist in dieser Frage am Montag auf ihre Pressemitteilung vom Sonntag, in der es hieß: „Nach derzeitigen Erkenntnissen gab es zuvor aus den Reihen der Wirtshausgäste keine Provokationen.“ Dazu, dass diese „Wirtshausgäste“ rechte Hooligans waren, erklärte die Polizei: „Das lässt sich zurzeit nicht ausschließen.“
Für den Mitarbeiter des Fanprojektes ist es wichtig, zu betonen, dass es sich bei der Schlägerei nicht um eine unpolitische Fan-Rivalität gehandelt habe. Die Neonazis hätten sich nach dem Spiel im Steintorviertel auf eine Route begeben, „die die Ultras seit zehn Jahren immer nach dem Spieltag nehmen“, so der Sozialarbeiter. „Die Neonazis wissen, dass die Ultras da langlaufen und haben es auf eine Schlägerei ankommen lassen.“
Der Konflikt zwischen den linken Ultras und den rechten Hooligans geht dabei lange zurück. Rechte Hooligans der Standarte räumten ihren Platz in der Kurve nicht freiwillig. Es kam zu einer Reihe von Angriffen auf linke Ultras durch Neonazis, 2007 überfielen Hooligans der Standarte eine Party linker Ultras im Ostkurvensaal mit zahlreichen Verletzten.
Der Prozess nach dem Überfall sei für die Ultras eine schlechte Erfahrung gewesen, so der Fanprojekt-Mitarbeiter. Ultras seien teilweise noch im Gerichtssaal massiv bedroht worden. Seitdem vertraue in der Ultra-Szene keiner mehr darauf, dass die Polizei sie beschütze. „Die Ultras entscheiden sich nun, das selbst in die Hand zu nehmen – das ist eine fatale Entwicklung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen