Massaker an der saudischen Grenze: Deutsche Mitschuld?
Saudi-Arabien versucht sich als „normales“ Land darzustellen. Der Westen ist zu oft bereit, die blutigen Seiten des Regimes zu übersehen.
S audi-Arabiens ehrgeiziger Kronprinz und de-facto-Herrscher Mohamed Bin Salman setzt alles daran, sein Königreich ins Rampenlicht zu rücken. Gerade hat er in Dschidda ein großes Gipfeltreffen inszeniert, um sich als politischer Makler im Ukrainekrieg zu profilieren. Saudische Fußballvereine werben derweil mit spektakulären Summen Superstars wie Neymar an, um ihr Land auch im Sport als Schwergewicht zu etablieren.
In diese Glitzershow platzt nun Human Rights Watch mit einem Bericht, der eine monströse Seite des Königreichs ausleuchtet: sein Grenzregime. Saudische Grenzbeamte sollen in den vergangenen Monaten Hunderte von Migrant*innen getötet haben, die auf der Suche nach einem besseren Leben aus Äthiopien über den Jemen nach Saudi-Arabien zu gelangen versuchten. Das Ausmaß der dokumentierten Gräuel und die Brutalität sind erschreckend.
Mit ihrem Bericht durchkreuzt die Menschenrechtsorganisation nicht nur saudische Pläne, ihr Land als weltoffen und liberal zu präsentieren. Er kommt auch westlichen Regierungen ungelegen, die dabei sind, ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien auszubauen. Dafür drücken sie mehr als ein Auge zu und sehen über die Schattenseiten des Regimes großzügig hinweg.
Deutschlands Topkunde: Saudi Arabien
Trotz des brutalen, von Saudi-Arabien angeführten Kriegs im Jemen, der bestialischen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi und der zunehmenden Zahl an Hinrichtungen bildet Deutschland Beamte der saudischen Grenzpolizei (!) aus, und das Königreich ist ein Top-Kunde deutscher Rüstungskonzerne. Erst im Mai war Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien und warb für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.
Doch nach diesem Bericht darf es kein „Weiter so“ geben. Klar, auch Europa schottet sich gegen Flüchtlinge ab und nimmt ihren Tod im Mittelmeer billigend in Kauf. Aber Flüchtlinge an der Grenze einfach massenhaft erschießen? Das ist bislang nur der feuchte Traum der AfD und anderer Rechtspopulist*innen. Wer darauf nicht reagiert und zur Tagesordnung übergeht, macht sich mitschuldig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen