Marke Patagonia geht an Umwelt-Stiftung: Widerspruch in sich
Der Gründer der Outdoor-Marke Patagonia will sein Unternehmen an eine Umweltstiftung verschenken, um das Klima zu retten. Kann das funktionieren?
Der Klimawandel ist ein omnipräsentes Thema. Und auch wenn mittlerweile bei einem Großteil der Bevölkerung das Bewusstsein über das drohende Ende natürlicher Ressourcen verankert ist, gibt es bis heute noch keinen konkreten Plan, wie dem beizukommen ist.
Während die Politik global über Lösungsansätze streitet, sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit mittlerweile auch längst fester Bestandteil wirtschaftlicher Unternehmensphilosophien. Dass es besagten Unternehmen damit nicht immer ernst ist, sondern das Bekenntnis zum Umweltschutz lediglich den Versuch darstellt, durch Marketing und PR-Maßnahmen ein „grünes“ Image zu erschaffen, während hintergründig keine Maßnahmen zur Erhaltung der Umwelt getroffen werden, beschreibt das Phänomen des „Greenwashings“.
Diesen Vorwurf kann man dem Outdoorartikel-Hersteller Patagonia nicht machen. Natürlich ist eine durchweg nachhaltige und ethische Rohstoff-, Erzeugungs- und Vertriebskette heute kaum umsetzbar. Aber das Unternehmen war schon bestrebt, nachhaltige Wege in seinen Produktionsprozess zu integrieren, bevor der Kampf gegen den Klimawandel zur „Mode“ wurde; bevor die meisten global operierenden Unternehmen diesen Kampf überhaupt auf dem Schirm hatten.
Nun hat Patagonia mit einer überraschenden Aktion Schlagzeilen gemacht: Unternehmensgründer Yvon Chouinard hatte Ende der vergangenen Woche verkündet, er werde sein Unternehmen an eine gemeinnützige Stiftung übertragen. Das Ziel des 83-Jährigen sei es, sein Vermögen für den Umweltschutz zur Verfügung zu stellen und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.
Das soll wie folgt funktionieren: Was an Umsätzen nach der Reinvestition in das Unternehmen übrig bleibt, wird als Dividende ausgeschüttet, um zur Bekämpfung der Umweltkrise beizutragen. In seiner Stellungnahme zu diesem ungewöhnlichen Schritt sagte Chouinard: „Wir sind im Geschäft, um unseren Heimatplaneten zu retten.“
Bruch mit Fokus auf Gewinnmaximierung
Dafür hat der 83-Jährige in den vergangenen Tagen medial viel Lob bekommen. Er lässt sich, so scheint es, neben Bono, Bernie und Noam Chomsky wunderbar einreihen in die Hall of Fame der alten Männer mit Gewissen. Es macht sich bereits ein Hauch von Personenkult bemerkbar um den als exzentrisch beschriebenen einstmaligen Handwerker, der nach eigenen Angaben nie Unternehmer werden wollte. Und wie auch nicht? Die Aktion bricht mit dem Paradigma der ausschließlich auf Gewinnmaximierung fokussierten Unternehmer*in.
Dass das Reden von der Rettung des Heimatplaneten allerdings selbst ein gutes Geschäft ist, lässt sich auch am größten Marketingerfolg von Patagonia aufzeigen: Im Jahr 2011 hatte das Unternehmen in einer großformatigen Anzeige in der New York Times dazu aufgerufen, eine Jacke nur dann zu kaufen, wenn sie dringend benötigt wird. In der Folge stiegen die Verkäufe des Unternehmens rasant an.
Das ist kein Zufall. Denn die nachhaltige Produktion, die das Unternehmen in einem 4-Punkte-Programm bewirbt und seinen Kund*innen aktiv anbietet – Reduzieren, Reparieren, Wiederverwendung und Recycling –, funktioniert auch am Markt bestens, weil es die Nachfrage eines Käufer*innenmilieus bedient, das für fair hergestellte Produkte gerne bereit ist, mehr zu bezahlen. Das Tragen einer Patagonia-Jacke fungiert dabei immer auch als Zeichen für das Umweltbewusstsein der Träger*in, egal ob diese dem Aufruf zur Nachhaltigkeit folgt, oder gleich sieben Jacken auf einmal kauft.
Nun wäre es verfehlt, Patagonia die Kaufintentionen seiner Kund*innen anzulasten, der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt: Der große Erfolg von Patagonia basiert auf seiner einzigartigen Markenidentität, die in der aktiven und erfolgreichen Bewerbung seiner nachhaltigen Produktionsweise liegt. Es ist so erfolgreich, weil es frühzeitig (egal ob aus Kalkül oder Gewissen) eine Nische besetzt hat, die heutzutage vermehrt nachgefragt wird. Würden alle auf die gleiche Weise produzieren, wäre der Kaufanreiz wohl dahin.
Aber nehmen wir einmal an, es produzierten tatsächlich alle Unternehmen wie Patagonia und wären dennoch in der Lage, Gewinne zu erzielen. Dem Planeten wäre eben auch dann nicht geholfen. Ein erfolgreiches nachhaltiges Kleidungslabel ist ein Widerspruch in sich. Und Patagonia ist mit einem Firmenwert von etwa 3 Milliarden Dollar sehr erfolgreich. Denn Erfolg bedeutet Wachstum, und Wachstum bedeutet bei einer warenproduzierenden Firma einen steigenden Bedarf an Ressourcen, die sich nicht alle einfach durch den in Umweltschutz investierten Umsatz wieder aufstocken lassen.
Gegen Klimawandel lässt sich nicht anproduzieren
Das Vorhaben, die Erlöse einem guten Zweck zugutekommen zu lassen, ist wie der zusätzliche CO²-Betrag fürs Fliegen, der vielbeschworene Tropfen auf den erderwärmten Stein. Der Klimaschutz scheitert nicht, weil es an Geld mangelt. Er scheitert, weil immer noch versucht wird, dagegen anzuproduzieren.
Und damit sind wir wohl bei dieser tautologischen Phrase angelangt: „Es gibt nichts Richtiges im Falschen.“ Eine Phrase, die regelmäßig den Schlusssatz zu jeder x-beliebigen Diskussion am Abendbrottisch bildet, die die Diskutierenden in andächtigem Nicken gewohnheitsmäßig verstummen lässt. Bis zur ebenso phrasenhaften Trotzreaktion: „Irgendetwas muss man ja trotzdem machen!“ Denn auch wenn es nichts Richtiges im Falschen gibt, so ist doch das ökologisch Falsche immer noch das bessere Falsche, nicht wahr?
Jain! Die Entscheidung von Yvon Chouinard sollte als ebensolche Trotzreaktion verstanden werden. Die Intention ist ehrenwert, Schule machen dürfte das Beispiel aber nicht. So altruistisch die Intentionen von Yvon Chouinard auch sein mögen, das Vorhaben, den Planeten am Markt zu retten, bleibt Wunschdenken. Das darf in der Berichterstattung über diesen zugegeben ungewöhnlichen Schritt nicht unter den Tisch fallen.
Im selben Atemzug, in dem das Besondere der Aktion hervorgehoben wird, muss auch betont werden, dass sie nicht ausreicht, um unseren Planeten zu retten – auch wenn sie kollektiv erfolgt. Bleibt diese Einordnung aus, so hilft der Schritt am Ende weniger dem Planeten als dem Personenkult um Yvon Chouinard.
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